Ja, sehr wahrscheinlich sind es die Texte, für die ich mich mindestens ein wenig schäme, die mir insgeheim die Liebsten sind. Voller Überzeugung setze ich dann ein #Fiktion darunter, obwohl sich doch stets gleich mehrere Menschen angesprochen fühlen, selbst wenn nur ein Mensch, na möglicherweise auch gar kein Mensch tatsächlich angesprochen ist. Wo doch Gedanken immer irgendwie Selbstgespräche sind. Vielleicht ist das alles nur ein Traum gewesen, vielleicht hab ich’s gesehen, als ich in der vergangenen Nacht am wolkenlosen Himmel einen klaren Blick auf die Sterne erhaschen konnte. Er könnte alles sein, dieser Text. Er könnte jeden Menschen ansprechen und mit jedem Weiteren wächst meine Scham darüber. Und wer weiß schon, was diese Menschen fühlen. Will ich das wissen? Möglicherweise, aber manche Dinge sollten ein Geheimnis bleiben.
Gleichzeitig sorgt so ein Hashtag fiktionaler Text für leichte Gewichtsschwankungen. Du weißt schon, die wachsende Scham im Kopf, wandernde Scherben in der Brust, meine linke Hand tänzelt voll Leichtigkeit über die Tastatur und die Rechte greift mit jedem Wort in die Salzstangenpackung und schaufelt diese Richtung Mund. Auf den Ohren singen Death Cab for Cutie in Dauerschleife „I Will Follow You Into the Dark“. Ein Teil in mir will dich dann, während mich der Großteil für unzurechnungsfähig erklärt. Der kleine Therapeut im Hirn sitzt daneben, starrt beide Teile an und tut so, als würde er sich noch Notizen machen, als hätte er mich nicht längst aufgegeben, dabei spielt er seit einer Ewigkeit nur noch TicTacToe gegen sich selbst. Und dann spiele ich TicTacToe gegen Google und gewinne in der zweiten Runde. Welch befriedigendes Gefühl.
Den Kopf zermartert habe ich mir, ob und was wohl von mir erwartet wird, weil ich diesen zwischenmenschlichen Scheißdreck ums verrecken nicht kann. Dabei ist die Antwort ganz leicht. Nichts. Gar nichts. Fresse halten, weiterziehen, nichts. Und meist bin ich durchaus bemüht genau das zu tun. Manchmal gar nicht so leicht. Es wimmelt doch nur so von diesen Sprüchen, die besagen: „Wenn dir etwas wichtig ist, dann musst du darum Kämpfen“. Was natürlich impliziert, dass es mir nicht wichtig wäre, wenn ich nicht kämpfe. Aber ist es nicht auch ein Beweis von Wichtigkeit, die Bedürfnisse Anderer zu respektieren, wenn diese nichts von dir wissen wollen, oder ist das nur die lahme Ausrede, um sein kampfloses Aufgeben zu rechtfertigen? Wie das so ist, diese fiktionalen Gedanken lassen sich im Grunde ewig weiterspinnen.
Dabei ist es doch so schwer zu begreifen. Denn ist mir etwas so wichtig, dass ich selbst vollkommen kraftlos noch immer kämpfen wollen würde, dieses Bedürfnis jedoch einfach so zu ignorieren, oder es zumindest tief in mir zu vergraben, nur um dem Bedürfnis des Anderen nachzukommen. Es ist schwer zu begreifen, vollkommen irrelevant, unsichtbar, gleichgültig, ein Staubkorn am Rande einer Landstraße zu sein für etwas, das einem wichtig ist. Ein einfaches „egal“ genügt da nicht. Und dann kann ich mich zwar ablenken, kann besoffen sein, damit es für kleine Augenblicke leicht ist, und trotzdem wache ich morgens nüchtern auf und denke als erstes an [hier Nähe einfügen].
Das Herz, das sich in meinem Kopf erhängt kann ich nicht einfach so auslöschen, dass das, was ich empfinde, für mich auch immer wahr ist, kann ich mir selbst nicht als Lüge verkaufen. Und dann tut es weh, trotz aller Hashtags Fiktion tut es unfassbar weh, jeden verdammten Tag so sehr. Umgeben von Haftnotizen schreibe ich dann an jedem dieser Tage eine Nachricht auf und ertrinke darin, doch wenn ich irgendwann vergessen habe, was mir jetzt gerade so wichtig ist, schreibe ich daraus am Ende ein dickes Buch. Und so wie ich diese Fiktion einschätze, auch noch ein, zwei, drei Fortsetzungen. Schreibe diese Wahrheit auf, die so laut schweigt, dass ich nicht schlafen kann, dass ich den Kummer des Tages in der Nacht ertränke, mich selbst dabei meistens verpasse und folglich auch uns. Und dabei jeden Tag dem Tod ganz nebenbei ein wenig näher trete.
Und bis dahin schäme ich mich, rein fiktional.
Aha, Du bist wieder da – einige Tage war dein Blog verschwunden.
Hatte mir schon etwas Sorgen gemacht….
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Nein, alles gut. Hatte eigentlich vor etwas am Blog zu machen, bin dann aber doch nicht dazu gekommen 🙂
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Deine brutale Aufrichtigkeit beeindruckt mich sehr.
So wie deine Sprache allgemein.
Fiktion oder autobiographisch 😉
Liebe Grüße, Reiner
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Vielen Dank, Reiner, dir auch liebe Grüße & ein schönes Wochenende. 🙂
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