Beziehungen

Fremdgehen

Andere Frauen anschauen, hinterherschauen, hübsch finden, begehren, küssen, mit ihnen schlafen, mit ihnen schreiben oder telefonieren. Mit anderen Frauen ausgehen, feiern, weibliche Freunde haben. Flirten, gemeinsam lachen. Auf der Arbeit über andere Themen mit Kolleginnen reden, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. In der Öffentlichkeit andere Frauen nett anlächeln, freundlich zu weiblichen Servicekräften sein. Frauen ein Kompliment machen. Dinge, die laut einigen Damen im Internet als Fremdgehen angesehen werden.

Aber atmen darf Mann noch. Das hab ich nachgelesen.

Umgekehrt gelten im Grunde die selben Regeln. Ja, auch hier dürfen die Frauen in dem Fall noch atmen. Sich „hübsch“ machen für draußen, da wo andere einen anschauen könnten, ist aber auch ein Problem. Draußen also vielleicht besser nicht atmen. Ich weiß nicht. Bin da einfach jedes Mal geschockt, wenn ich so etwas lese.

Wenn man seinem Partner nicht vertraut, dann ist die Beziehung eh für die Tonne. Aber bei all diesen Regeln kommt es mir eher so vor, als würden die, die diese Regeln aufstellen, sich selbst nicht vertrauen. Unsicher seiner/ihrer Selbst sein. Nun, und wenn der Partner einen nicht mehr liebt, dann macht er doch eh, was er will bzw. in dem Fall was er nicht soll. Und mir fiele es schwer, jemanden dauerhaft zu lieben, der mir mehr Regeln aufstellt, als meine Mama damals. Und ich hab auch keine Lust die Mama eines erwachsenen Menschen zu sein.

Oft ist es auch so, dass nicht das gleiche Recht für alle gilt. Vermutlich weil wir da an unsere Grenzen stoßen oder diese gar überschreiten müssen. Über den Tellerrand schauen müssen. Und am Ende doch erfahren, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Da bin ich auch menschlich.

Ich kenne Beziehungen mit solchen Regeln. Sind Exen. Sicher funktionieren monogame Beziehungen, wenn das beide so möchten. Aber eine Beziehung kann doch nicht dauerhaft zufriedenstellen, wenn man mit dem Partner über nichts, was solch eine Regel brechen würde, reden kann, weil die Angst vor einem Donnerwetter zu groß ist. Und das über Jahrzehnte, na im schlimmsten Fall das ganze Leben über. Das viele Menschen ihren Partner betrügen bzw. belügen brauche ich nicht zu schreiben. Vermutlich liest das hier jemand, der seinen/ihren Partner schon betrogen hat.

Ich persönlich halte nichts von solchen Regeln. Aber auch nichts davon, seinen/ihren Partner um Erlaubnis bitten zu müssen. Es gibt nur eine Regel, die für mich nicht verhandelbar ist. Und diese hat im Grunde auch etwas damit zu tun, eben nicht um Erlaubnis zu bitten. Nämlich mit dem Partner über alles offen und ehrlich zu sprechen. Sich mitzuteilen. Nicht um Erlaubnis zu bitten. Sondern aufeinander einzugehen. Aufeinander zuzugehen. Ich finde nur lügen scheiße. Darüber hinaus finde ich jedes menschliche Bedürfnis und Gefühl valide. Bin doch selbst nur ein Mensch.

Warum sollte ich einem Menschen, noch dazu einem Menschen den ich liebe, das Mensch sein absprechen, wo ich selbst doch menschlich sein will.

Es geht gar nicht darum, nicht auch mal eifersüchtig zu sein, wütend zu sein oder keine Grenzen zu setzen. Aber wenn ich Grenzen setze, dann sind das meine Grenzen, nicht die meines Partners. Und wenn mein Partner anderer Meinung ist, dann ist das mein Problem. In einem offenen Gespräch, lassen sich diese Dinge, all diese Verbote aber regeln. Das geht tatsächlich. Und wie gesagt, jedes Gefühl, jede persönliche Grenze ist valide. Aber es sollte kommuniziert werden. Und wenn dann doch keine Einigung stattfinden kann. Nun, dann hat sich da niemand gegenseitig belogen, man findet lediglich heraus, dass man als Paar nicht zusammenpasst. Nur ohne jahrelangen Käse, den man sich innerhalb einer Partnerschaft bereitet, weil beide oder einer von beiden genau dieser Tatsache nicht begegnen möchte. Ist das dann auch betrügen? Sich selbst?

match #3

„Was findest du anziehend?“
„Intelligenz und eine ichhabeschonmaljemandenumgebracht-Ausstrahlung.“
„Ich meine äußerlich.“
„Ist das nicht zu weit entfernt?“
„Wenn wir kuscheln nicht, sind nur zwei Kilometer.“
„Ziemlich weit.“

© Amy Herzog

match #2

„Was machst du so?“ fragt er.
Schreiben, denken und gelegentlich atmen.
Ist leider die falsche Antwort.
„Ich liege nackt auf’m Sofa und befummele mich selbst.“
Wäre richtig gewesen.

© Amy Herzog

match #1

Die liken halt. Die schreiben halt.
Ich weiß nicht warum.
Aber meine absolute Flirtunfähigkeit
bricht deren Verstand.

© Amy Herzog

Provokant

Normalerweise legt sie keinen Wert auf die öffentliche Zurschaustellung von körperlicher Zugewandtheit. Aber in seinem Fall macht sie gelegentlich eine Ausnahme. Selbstverständlich alles im Rahmen geltender Gesetze. So bleiben ihnen das klassische Händchen halten, ein gelegentlich gestohlener Kuss, oder eine schüchterne Umarmung. Diese Dinge sind jedoch völlig ausreichend, um sie innerlich zu belustigen. Nicht missverstehen, dabei geht es ihr nicht um ihn, sondern um alle anderen Menschen. Allem voran steht bei allen Menschen die Frage in den Augen, ob es sich bei ihm und ihr um Vater und Tochter handelt. Da kommt ihr die öffentliche Zurschaustellung gerade gelegen, um diese Frage wortlos aufzuklären.

Wenn sie ein Pärchen mittleren Alters sieht, erntet sie von der Frau böse Blicke, während sich der Mann mit großen Fragezeichen in den Augen im Geiste die Frage stellt, wie er das gemacht hat. Aber auch alleinstehende Damen schauen etwas böse, als hätte sie ihnen einen potentiellen Mann geklaut. Aber auch jüngere Exemplare der Gattung Mensch schenken ihr den ein oder anderen amüsanten Blick. So muss sie, das geht gar nicht anders, einen enorm monströsen Vaterkomplex haben, und er ist vermutlich sehr reich oder hat ein, na ja, verdammt großes Stück Holz. Das findet sie sowohl gut, als auch schlecht.

Amüsant, keine Frage, aber was soll der Geiz, fragt sie sich. Es ist alles! Denn wenn es für die Menschen alles ist, nicht zu vergessen – die schwere Krankheit und das reichhaltige Erbe, dann sind die Blicke so unbezahlbar, dass sie ihre anfänglich innere Belustigung nicht mehr im Zaum halten kann. Ja, sie provoziert allem voran wohl gern und er möglicherweise auch.