Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre dieser ohne Rücksicht auf Verluste. Ein mal bitte das Gehirn auslöschen. Nein, nicht töten. Nur den Inhalt, die Festplatte löschen. Schade um manches, vermutlich schade um alles. Aber die Ruhe muss wundervoll sein. Wenn der Schmerz nachlässt. Und alles, was diesen Schmerz einst gefüttert hat, allenfalls als Déjà-vu in Erscheinung tritt. Die Gedanken tatsächlich still sind und Gleichgültigkeit der Wahrheit entspricht. Aber nein, so läuft es nicht. Dinge, die etwas bedeuten, werden weiterhin etwas bedeuten. Manchmal eben Schmerz. Man muss ihn aushalten und hoffen, dass er vielleicht doch irgendwann verschwindet. Mit so einer Festplatte, die nichts löscht und über unbegrenzten Speicherplatz verfügt, ist das nicht leicht. Ja, ich weiß, man kann nie genug Speicher haben. Trotzdem wäre ich gern eines dieser einfachen Mädchen, die ich aus der Schulzeit kannte. Immer hübsch zurechtgemacht, finden ihren Mann und das perfekte Kleid, kaufen ein Haus und gebären ein paar Kinder. Wenn ich an sie denke, sitzen sie auf mit einem Eistee auf der Veranda und erfreuen sich an ihrem Leben. Eine gute Nacht Geschichte zum Abend und dann noch ein Eis vor dem Fernseher. Für sie ist es das größte. Na ja, ich gehörte nie dazu. Ich brauche keinen perfekten Mann, trage kein Kleid und möchte keine Kinder. Btw.: Wenn man in den dreißigern ist, wird man dauernd ungefragt darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Fruchtbarkeit dem Ende zuneigt. Dieser Hinweis geht einher mit der Frage, ob ich denn einsam sterben wollen würde. Ja man, das ist der Traum. Es fehlen nur noch sehr viele Katzen. Na und okay, die Veranda wäre auch schon nice. Ich denke nach. Tag und Nacht. Es hört nicht auf. Alles auf einmal, nichts wird vergessen. Und um dem zu entgehen, häufe ich mehr Wissen hinein, lese, recherchiere. Nun, um dieses gesammelte Wissen wäre es schade. Was ich gern löschen würde, sind die Dinge, die mich bewegen, die manchmal so weh tun, dass es…Nun, wie wenn sich heißes Wasser kurz kalt auf der Haut anfühlt. Nennt sich paradoxes Kälteempfinden. Meine Gedanken sind in diesem Sinne auch oft paradox. Auf der einen Seite logisch, zielführend. Auf der anderen Seite tut es eigentlich überwiegend weh. Für so etwas hat irgendein Mensch Schätzungen zufolge 10.000 v. Chr. den Alkohol entdeckt. Und der hat sich bis heute mit größter Beliebtheit durchgesetzt. Gewiss nicht nur um Party zu machen. Ne, wir können damit für kurze Zeit den Schmerz lindern. Irgendwer hat auch noch Promethazin erfunden, ein paar Tropfen dazu und der Abend kann gerettet werden. Aber eben nur der Abend. Löschen erscheint mir zukunftsorientierter. Und da ich ausschließlich zukunftsorientiert denke, denn alles andere verschwendet meine Zeit, schließe ich die alkoholische Lösung aus. Außerdem wirke ich nüchtern schon besoffen genug. Ich hab auch mal gekifft. Nein, nicht auf ne süchtige Art und Weise, nur in der Jugend mal so ausprobiert. Was man halt so macht. Ich habe es sogar mal geschafft, ein mal versehentlich an einer Crack-Pfeife zu ziehen. War sehr unspektakulär, ich wusste damals aber auch nicht, was dieses kleine Ding überhaupt ist, das man mir hingehalten hatte. Ich war halt sehr blauäugig. Aber die Pflänzchen waren toll. Selber Effekt wie Alkohol, nur ohne Übelkeit. Na ja, soviel zu den kleineren Jugendsünden. Aber auch das hier führt zu nichts. Ich könnte weitere, alternative Wünsche notieren, aber auch die führen zu nichts. Man kann eben nur darauf warten, dass der Schmerz nachlässt. Viel länger als ein ganzes Leben kann es nicht dauern.