Ja, vielleicht ist sie naiv, vielleicht vergibt sie viel zu viele Chancen an Menschen, die es nicht einmal bemerken. Während die letzte Chance gerade erst den Weg in den Abfall findet, fliegt die Nächste schon hinterher. Und so langsam spürt sie, dass ihr die Chancen ausgehen. Jedes Mal ein Stück Seele herausschneiden, es hübsch verpacken, so tun, als machte es ihr nichts aus und die neue Chance überreichen. Das wäre nur halb so schlimm, wenn diese Menschen es wenigstens verdient hätten. Wenn er all diese Chancen verdienen würde. Ne, das wäre ja nur halb so zerfleischend. Und wenn sie dann doch irgendwann weiterzieht, versucht, das was noch von ihr übrig ist, das durchlöcherte, verdreckte, zerfledderte Stückchen Seele irgendwie zu flicken, dann nennt er sie Nutte. Komisch, ein Mann muss nicht einmal zerfleddert sein, um sich ebenso zu verhalten. Und er ist dann ein toller Hecht. Ne. Für sie nicht. Für sie ist er ausgelutscht. Verbraucht. Für sie ist er eine Nutte. Noch dazu eine eifersüchtige Nutte. Immerhin genügt ihm der Gedanke, sein Gedanke als Beweis dafür, dass sie sich in den Armen eines anderen Mannes trösten lassen würde. Selbst wenn dies nicht der Wahrheit entspricht. Sein Urteil steht fest. Und um sich von dieser Eifersucht abzulenken, lässt er sich trösten. Ja. Sie gibt ihm zu viele Chancen, jeden Tag redet sie sich gut zu, während sie sich bemüht, es nicht zu tun. Aber sie sieht über all das hinweg. Sie sieht in seine gute Seele. Mit jeder neuen Chance. Mit jedem Stück neuer Seele. Ja, sie ist naiv. Aber er, er ist vollständig gedankenlos.