Ein ungesehenes Thema: toxische Männlichkeit, Gewalt gegen Männer.

Es wird ein bisschen emotional, dieses Thema bewegt mich sehr. Der erste Abschnitt soll nicht abschrecken, es geht um die Männer.

Die ein oder andere Frau reagiert empört darauf, wenn ich darüber rede. Warum? Weil es ausnahmsweise mal nicht darum geht, dass es Frauenhäuser wie Sand am Meer gibt, weitere Hilfsorganisationen für weibliche Opfer von Gewalt, na, oder weil die Vergewaltigung/sexueller Missbrauch/etc. an einer Frau noch immer nicht angemessen bestraft wird? (Na, wie ist das wohl bei Männern?) Und in vielen Fällen verdienen Männer mehr als Frauen für die Selbe Tätigkeit. Und überhaupt, wir Frauen werden doch stets auf unsere Gebärfähigkeit reduziert, auf unsere Hormone, auf die Mopsis und den Po. Wenn ich so alles zusammenfasse, befindet sich hier jede Frau stets in einer Opferrolle. Trotzdem ziehen wir Frauen bitte kurz den Kopf aus dem Popo und werfen einen Blick auf die Männer.

(Schreibt es mir gern in die Kommentare, wenn euch dieser erste Abschnitt angepisst hat. Würde mich darüber freuen.)

Ich kann bei weitem nicht jedes Beispiel nennen, welches ich schon gehört habe bzgl. toxischer Männlichkeit, oder auch der körperlichen oder seelischen Gewalt an Männern. Oder auch dem „post-abortion-syndrome“, welches selbstverständlich auch Männer betreffen kann. Das alles juckt halt kaum jemanden. Es gibt auch keine erwähnenswerte Hilfe. Nun, weshalb ich nicht jedes Beispiel nennen kann? Weil ich noch nie mit einem Mann geredet habe, der nicht irgendetwas gesagt hat, was mich unfassbar traurig und/oder wütend gestimmt hat. (Der Beitrag würde also unendlich lang sein) Und das schlimmste ist, wenn sie selbst das ganz normal finden, wenn sie ihre Aussagen selbst nicht bedenklich finden. Weil das in unserer Gesellschaft eben so ist. Männer müssen so und so sein, stellt euch mal nicht so an.

Männer erfahren Gewalt in allen vorkommenden Formen sowohl durch Frauen, als auch durch andere Männer, unabhängig der Sexualität. Ihr könnt da gern nach aktuellen offiziellen Zahlen recherchieren, mich reizt das nicht mehr, weil sie sehr weit von der Realität entfernt sind. Dieses Thema berührt mich emotional sehr, weil es so ungesehen ist. Oder es wird nicht ernst genommen, bzw. durch etwas Aufklärung wird es von sehr wenigen Menschen ernst genommen. Aber so im Allgemeinen wird das nicht gesehen.

Als Aufhänger nehme ich ein Beispiel für toxische Männlichkeit, welches ich erst gestern wieder in einem Gespräch erfahren habe. Es geht um einen Mann mit Prostatakrebs. Dahingehend tolle Neuigkeiten! Krebsfrei nach OP, Nerven sogar erhalten. Wunderbar! War im Gespräch aber nur ein untergeordneter Teil, total unwichtig. Komisch, oder? Das schlimmste ist, dass die Penislänge sich dadurch um wenige Millimeter verkürzt hat. Das war das riesige Thema. Das schreckliche. „Meine Frau…“, Eine richtige Leidensgeschichte. Ein unvorstellbarer Druck dahinter. Warum? Dieser Mensch ist wieder gesund! Und leidet, hat Sorgen, Ängste und kann diese kaum ausdrücken. Kaum jemand weiß, wusste von dieser Erkrankung. Es ist ihm unfassbar peinlich.

Männer machen ständig Erfahrungen, dass sie nicht genügen, dass sie falsch sind, dass andere besser sind. Besser im Bett, besser ausgestattet. Und überhaupt müssen Männer stark sein, müssen beschützen können, müssen groß sein. Männer die fühlen, die weinen, sind schwach. Außerdem müssen Männer allzeit bereit sein, nicht nur für Sex. Für alles. Hauptsache der Partnerin ist es recht. Und wenn sich ein Mann gern die Fingernägel lackiert, dann ist er total schwul. Weil schwul sein offenbar total unmännlich ist. Darüber hinaus werden Transmänner nie echte Männer sein (btw: Transmänner sind als Männer geboren, nur im falschen Körper). Das sind nicht immer direkte Aussagen, aber im Allgemeinen schwebt diese Wolke über unseren Köpfen und wir reagieren im Alltag entsprechend.

Dann werden „lustig gemeinte Aussagen“ getroffen. Es ist nicht lustig einem Mann zu sagen, dass er wegen irgendetwas kein richtiger Mann ist, kein Mann ist, der genau richtig ist, der genügt und der sein kann, wie er ist. Ein Mann muss nicht viel Geld verdienen, um irgendwen zu versorgen. (Ja, so etwas wird von manchen Frauen tatsächlich sehr genau geprüft. – So im Sinne von Gehaltsabrechnungen. Kein Scherz, leider.) Dieses Emanzipationsthema finde ich komplett lachhaft. Labern die Menschen drüber, wird aber eher zum Vorteil ausgelebt. Männer stehen unter ständigem Druck. Und da fragt kaum jemand nach. Es wird ständig nachgetreten. Verpflichtungen von allen Seiten, von anderen Männern, von Frauen. Und manchmal wird’s dann noch richtig kompliziert. Denn der Mann muss der Frau auf allen Ebenen (sprichwörtlich) den Arsch auslecken, darf dabei aber nicht zu lasch wirken, darf nicht „unterm Pantoffel stehen“, denn das ist ja wieder im Vergleich zu anderen Männern unmännlich. Unterm Strich labern die Menschen alle nur Müll, die Hälfte gelogen, die andere Hälfte irrelevant.

Du kannst tun, was du willst. Du kannst sein, wie du willst und wie du bist. Deine Körpergröße, deine Statur, dein Aussehen, deine sonstige Ausstattung und auch die damit verbundene Funktionalität, deine Gefühle (die du offen haben kannst), dein Job und dein ganzes Sein, alles ist perfekt, so wie es ist! Dafür brauchst du keine Erlaubnis! Du brauchst dafür auch niemanden, der das bewertet, der dich mit anderen vergleicht. Und du brauchst dich auch nicht mit anderen Männern vergleichen. Denn es ist egal, wie andere sind. Du bist toll, das reicht. Du musst dich nicht „erziehen“ lassen. Selbstverständlich so, dass andere Männer diese „Erziehung“ nicht bemerken. Nein!

Noch eine Kleinigkeit zum „post-abortion-syndrom“. Im Grunde Menschen, die eine Abtreibung bereuen, darunter leiden. Wird meist bei Frauen beachtet. (Und ja, ich weiß, dass auch da gesagt wird „war doch deine Entscheidung, Pech.“) Aber Männer leiden auch darunter. Und es war nicht ihre Entscheidung. Das lässt sich auch nur schwer ändern, denn es ist gut, dass wir Frauen hier selbst über unseren Körper entscheiden dürfen. Das ganze Prozedere sollte sogar noch erleichtert werden, meine Meinung. Es ist ein Unding, dass man ggf. sehr weit reisen muss, um eine Abtreibung durchführen zu lassen. Aber das soll nicht das Thema sein. (Mir ist klar, dass das ein empfindliches Thema ist, aber mal am Rande…keine Frau sagt „hätte mal Lust auf ne Abtreibung“, niemand macht das aus Spaß und auch der Grund, einfach nur kein Kind bekommen zu wollen, ist ein Grund. Soviel dazu.)

Nun, die Männer haben da nicht mitzureden. Klar, bestenfalls tauscht man sich innerhalb einer Partnerschaft aus und findet gemeinsam eine Lösung. Es kommt jedoch vor, dass die Frau nicht möchte und der Mann eben schon. Und man kann eben kein halbes Kind bekommen. Daher sind die Männer im Nachteil und ich wüsste da auch keine gute Lösung, denn Frauen sollen durchaus über ihren Körper entscheiden (der Weg dahin war lang genug.) Aber wer hilft den Männern, wer nimmt sie ernst? Ich war vor einigen Jahren recht engagiert in diesem Bereich und ein Mann ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ein Mann, den ich mehrere Monate intensiv betreut habe. Dieser Mann hat darunter gelitten, eine schreckliche Machtlosigkeit, niemand hörte ihm zu. Denn, dass er das nicht ändern kann, wusste er. Dann aber zu hören zu bekommen „sei doch froh, du musst nicht zahlen“, ist keine Hilfe. Dieser Mann hat sein Kind verloren und dies wurde allenfalls belächelt. Das Mindeste, was jeder tun kann ist, dass wir nicht wegschauen. Dass wir zuhören und diese schreckliche Trauer ernst nehmen.

Es ist nicht immer dieses vorherrschende Gesellschaftsbild des Mannes, der die schwangere Frau sitzen lässt.

Zum Ende noch etwas zur Gewalt an Männern. Und da nehme ich mich selbst auch kurz hoch. Zum einen: toxische Männlichkeit ist Gewalt! Seelische Gewalt ist Gewalt. Und körperliche Gewalt an Männern findet statt! Nur wohin wenden sich diese Männer? Wer holt sie da raus, aus diesen vier Wänden? Mir wurde von allen Seiten ein Frauenhaus geradezu aufgezwungen. Und was ist mit den Männern? Na, die sollen sich mal nicht so anstellen. Sei halt mal n Mann. Antworte am besten mit Gewalt oder nimm es hin. Diese Männer schweigen. Sie schämen sich und selbst wenn sie sich trauen, etwas zu sagen, versuchen Hilfe zu bekommen, werden sie extrem häufig (auf verschiedene Arten) abgewiesen. Männer, die grün und blau geschlagen und dabei unterdrückt werden.

Es ist normal nen Mann aus Spaß zu boxen. Ist doch ein Mann, der hält das aus. Muss er ja, weil er n Mann ist. Na und meist handelt es sich bei dieser „Spaßgewalt“ um sonst sehr liebevolle Beziehungen oder Freundschaften. Und da nehme ich mich mal hoch und sensibilisiere mich selbst und vielleicht auch andere, die an und für sich nicht gewalttätig sind. Denn das bin ich nicht. Ich meine das, was ich tat, liebevoll, begehrend. Nun, wir sind in unserer Beziehung etwas gröber. Ich mag das gelegentlich. Mein Partner auch und deshalb gibt’s meinerseits ab und zu einen Klaps auf den Po. Aber eben nicht immer mit seinem Einverständnis. Und da beginnt körperliche Gewalt. Er dreht sich manchmal weg, das sollte mir sagen, dass er das gerade nicht möchte. Und bisher habe ich darauf oft keine Rücksicht genommen. Mein Partner sagt dazu, dass es nicht schlimm ist. Und diese Aussage finde ich schlimm. Denn das sagt wieder das aus, was ich bereits geschrieben habe. Ein Mann muss das eben so mitmachen, was ne Frau will. Selbstverständlich verändere ich mein Verhalten.

Ein Mann hat immer das Recht zu sagen, dass er etwas nicht möchte und das muss so angenommen werden. Ein Mann darf nein sagen und dieses nein muss wichtig sein!


Das ist wieder so ein Beitrag, der mir unvollständig erscheint. Es passiert da so vieles, was nicht gesehen wird. Zum Schluss möchte ich darauf hinweisen, dass ich privat gern ein offenes Ohr habe und auch versuche zu helfen, wenn jemand Hilfe benötigt. Des Weiteren steht es euch offen, anonym in den Kommentaren eure Erfahrung/Geschichte zu teilen, wenn ihr einfach mal gehört werden wollt. (Ihr könnt mit falschem Namen und einer random Email-Adresse kommentieren, auch ich weiß/sehe dann nicht, wer ihr seid, falls ihr bei WordPress angemeldet seid, müsst ihr euch zuvor abmelden)

2 Kommentare

  1. Mann kann es sich leicht machen und schlicht fragen, wo denn die Kinder naturgemäß die meiste Zeit verbrachten? Bei der Mutter, zumindest zu meiner Zeit. Sie sind also für einen guten Teil der (toxischen) Sozialisation mitverantwortlich. Nur bringt diese Erkenntnis in der Praxis nichts, weil sie nicht weiter hilft.

    Helfen tut nur annehmen dessen und täglich üben, es anders, im Idealfall besser zu machen. Ohne Anspruch auf Perfektion. Nicht für irgendwen, sondern für mich, für mein gutes Gefühl. Mit viel Geduld wird das neu geübte irgendwann „Fleisch und Blut“. Gelebte autodidaktische Eigenverantwortung eben.

    Grüße, Reiner

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    1. Absolut! Es wird eben so weitergegeben. Ich habe selbst das ein oder andere gelernt, was ich heute nicht mehr unterstütze.

      Wir müssen darüber reden dürfen, damit wir uns selbst hinterfragen können.

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