Autismus Erfahrung: Wie fühlen sich Berührungen an (persönlich & möglichst detailliert)

Dies wird ein sehr persönlicher Beitrag, in dem ich meine Wahrnehmung zu unterschiedlichen Berührungen (mit verschiedenen Menschen und Situationen) erklären möchte. Zwar habe ich darüber schon mal geschrieben, aber hier möchte ich meine Wahrnehmung detailliert darlegen.

Zu erst kann ich sagen, dass jedwede Berührung mit großer Anstrengung verbunden ist. Dazu zählt im Grunde alles, was meine Haut berührt. Kleidung, Wasser, Menschen, Creme, Wind, Dinge die ich berühre, usw. Alles eben. Außerdem ist meine Körperwahrnehmung gestört, insbesondere was die Intensität von Berührungen betrifft & Hitze/Kälteempfinden.

Je nach Tagesform kann ich Berührungen besser aushalten. Es kommt drauf an, wie vielen Reizen ich bereits ungefiltert ausgesetzt war. Dazu zählen alle Reize, dabei ist Licht mein Endgegner, wenn man so will. Das ist für mich der schlimmste Reiz (häufig mit Sehstörungen verbunden /als würde sich ein Schleier über meine Augen legen, manchmal sehe ich fast nichts, aber es kommt selten vor, dass es so heftig ist). Auch innere Reize spielen eine große Rolle. Darüber hinaus ist die Löffeltheorie wieder interessant im Bezug auf Reize und Energie.

Ich unterscheide zwischen positiv und negativ empfundenen Reizen. Energie rauben beide, negative aber natürlich mehr, weil sie ggf. zusätzliche Reize (zum Beispiel Ekel, Wut) beinhalten.

Wasser in größeren Mengen mag ich sehr gern, einzelne Tropfen jedoch gar nicht. Meine Kleidung mag ich gern eng anliegend, ich fühle mich dann abgegrenzt, begrenzt als Körper. Jacken mag ich gar nicht, obwohl sie mich ggf. etwas vor Berührungen durch Menschen schützen könnten. Flauschiges mag ich gern, wenn ich etwas sehe, muss ich es berühren. 🙂

Nun, wirklich interessant wird es aber, wenn es um Berührungen mit/durch Menschen geht. Da gab es eine Zeit in meinem Leben, da mochte ich das gar nicht, wusste aber nicht weshalb. Und mir ar durch Beobachtung anderer Menschen immer klar, dass das nicht normal ist. Natürlich wollte ich normal sein, weshalb ich mir verschiedene Berührungen durch Menschen aufgezwungen habe. Das waren allesamt schmerzhafte Erfahrungen. Unterm Strich hat es aber dazu geführt, dass ich diese nun besser ertrage. Die mentale Gesundheit leidet jedoch darunter.

Zufällige beabsichtigte und unbeabsichtigte Berührungen durch fremde Menschen sind für mich absolut negativ und mit hohem Stress verbunden. Ich fühle mich beengt, bedroht, angegriffen. Teilweise mit physischen Schmerzen. Manchmal reagiere ich böse darauf, gehe die Person verbal an. Meist dann, wenn die Person die Möglichkeit hätte, Abstand zu halten. Zum Beispiel wenn jemand an der Kasse mal wieder meint, kuscheln zu wollen. Das ist absolut vermeidbar. In einem vollen Zug kann niemand etwas dafür. Das Gefühl ist für mich nicht anders, zumal bei Berührungen auch immer weitere Reize vorhanden sind (Gerüche zum Beispiel, ich hasse starkes Parfum, am liebsten gar keines oder nur sehr sparsam)

Auf meiner Körperoberfläche fühlen sich Berührungen an wie ganz viele kleine Nadelstiche, mal mehr, mal weniger spitz. Sanfte Berührungen empfinde ich schlimmer. Berührungen durch fremde sind immer extrem schlimm. Von diesen kleinen Nadeln gehen kleine Blitze aus, die durch meinen Körper schießen.

Bei Menschen, die ich gern habe, die auch mich gern haben kann es dadurch oftmals abweisend meinerseits wirken, wenn ich keine Berührung zulassen kann. Das liegt jedoch nicht an der Person, sondern daran, dass ich den damit verbunden Reiz nicht ertrage. Obgleich er positiv wäre, würde er mir Energie abverlangen, die ich nicht mehr habe. Und das kann im weiteren zu einem Shutdown/Meltdown führen.

Wenn ich aber genug Energie habe, dann mag ich diese Berührungen. Bestenfalls mit Ankündigung. Einen unangekündigten Stromschlag bekommt schließlich niemand gern. Einen angekündigten vermutlich auch nicht. 😉 Für mich macht es das aber nicht nur erträglicher, sondern sogar für eine gewisse Zeit angenehm. Damit ich mich dabei wirklich wohl fühle, mich auch dabei wohl fühle, den physischen Schmerz zu ertragen, muss ich diese Person wirklich sehr gern haben & ich brauche großes Vertrauen. Auch das Vertrauen darin, dass meine Grenzen akzeptiert und bestenfalls sogar von der Person eigenständig erkannt werden. Auch Unterbrechungen, Pausen, sind häufig nötig.

Es tut mir seelisch weh, wenn dies fehlinterpretiert wird. Zum Beispiel ablehnend. Denn so ist das nicht gemeint. Wenn dem so wäre, würde ich das verbal kommunizieren. Es handelt sich nur um eine Pause, weil es zu überwältigend ist.

Ich nutze Berührungen durch Menschen die ich mag aber auch als Stimming, bzw. als Resetknopf. Denn wenn ich zum Beispiel zu große innere Reize habe, helfen mir diese Berührungen manchmal diese zu überlagern. Sex ist dann tatsächlich ein Hilfsmittel, ein Körper auf mir, der mich fest umschließt. Das beruhigt das vegetative Nervensystem, fährt es herunter. Dazu habe ich etwas ausführlicher schon in einem anderen Beitrag geschrieben. Das Gefühl wird so intensiv, dass mein Körper dieses nicht mehr erträgt und nicht mal mehr einen Meltdown zustande bringen kann. Der Körper gibt auf, wie ein Computerabsturz.

Ich mag es sehr die verschiedenen Berührungen zu ertragen. Aber ich brauche generell danach eine unterschiedlich lange Pause. Daher entstehen durchaus auch Tage, wo keine Berührung möglich ist. Tage, in denen ich mich noch mehr zurückziehe, als ich es ohnehin bereits tue. Aber an solchen Tagen mag ich auch den geistigen und /oder intellektuellen Austausch sehr gern. Manchmal mag ich aber auch gar nichts, weil ich eben zu viel mit mir selbst beschäftigt bin.

Generell mag ich keine sanften Berührungen. Das fühlt sich für mich stechend, kitzelnd an. Mein Körper steht unter noch mehr Strom, als bei festen Berührungen. Mein Stim ist dabei, dass (hauptsächlich) meine Hände zu zittern beginnen und sich meine Handgelenke verkrampfen. Das kann ich nicht unterdrücken & auch das ist sehr schmerzhaft. Bei Berührungen durch fremde Menschen passiert das nahezu immer. Und natürlich macht mich das wütend! Ich möchte keinen Schmerz aufgezwungen bekommen durch fremde Menschen!

Der Vorteil an diesem Empfinden für mich ist der, dass ich sehr genau direkt weiß, ob ich einen Menschen ertrage oder nicht. Und die andere Person kann es daran erkennen, ob ich nur gelegentlich zurückschrecke, ausweiche, oder ob ich am liebsten die Augen auskratzen würde. 😉 Kleiner Scherz, ich werde oft nur ziemlich frech. So frech, dass ich schon einigen Leuten den Tod gewünscht habe. Unter normalen Umständen würde ich mich so nie verhalten. Das ist keine schlechte Erziehung. Kein ungezogen sein. Und ich bin auch kein Mensch mit schmutzigem Vokabular. (doch eigentlich schon, aber nicht auf diese Art) Der Reiz ist einfach so extrem, dass er sich so entlädt.

Leid tut mir das übrigens nicht. Denn wie gesagt bezieht sich das auf Situationen, die absolut vermeidbar gewesen wären. Man stellt sich vor, dass Gesicht und Intimbereich die Intimzonen darstellen. Niemand möchte dort ungebeten oder von Fremden random berührt werden. Mein ganzer Körper ist eine Intimzone. Und alle drücken dagegen, streifen daran vorbei, pieksen mit ihren Nadeln. Und niemand sieht darin ein Problem.

Und falls jemand denkt „stell dich nicht so an“: Ich spreche über meine Behinderung. Das ist nichts, was ich wegzaubern kann. Das bin ich. Mein Körper, mein Gehirn, mein Nervensystem funktioniert so. Niemand ist daran schuld. Auch ich nicht. Ein wenig mehr Achtsamkeit täte allen gut.

Alles in allem fällt es mir schwer das genaue Empfinden zu beschreiben. Falls Fragen bestehen, die immer gern stellen.

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