Menschen Kopieren

Autismus: Starren, glotzen, gaffen und Echolalie

Ein Thema, welches ich nun hier im Blog aufnehmen möchte, ist das Starren. Das wie, warum und dass dieses Verhalten, wie ich finde, der Echolalie gar nicht so unähnlich ist. Streng genommen habe ich dann schon zwei Themen, die ich kurz zusammenfassen möchte, bzw. aus meiner Erfahrung berichten möchte. Anzumerken ist hier, dass nicht jede/r Autist:in so ist. Jeder ist schließlich individuell. Und nicht jede/r, der das auch ein bisschen kennt, ist gleich Autist:in.

Wie bei allen anderen Bereichen hat dazu auch ein Austausch mit meiner Mutter stattgefunden, da sie sich an Begebenheiten erinnert, für die ich vor vielen Jahren noch zu klein war. Die Erinnerungen an mich als Kind (von Geburt bis 10. Lebensjahr) sind eher wage und oberflächlich. Doch im Bezug auf das Thema „Starren“, konnte mir meine Mutter eine Auffälligkeit berichten, die sehr häufig vorgekommen ist. Damals wie heute habe ich den direkten Kontakt zu anderen Menschen, wenn möglich, gemieden.
Ich konnte nichts mit ihnen anfagen, und sie nicht mit mir. Das liegt ganz einfach daran, dass die Menschensprache (bewusst verbal und unbewusst/teilbewusst nonverbal) grundverschieden ist.
Ob nun Kinder oder Erwachsene, die wenigsten nutzen eine direkte Kommunikation weitestgehend ohne Mimik und Gestik.

Oftmals wird auch etwas gesagt, was nicht zur Körpersprache passt. (Lächeln, obwohl man traurig ist…ich bin nicht böse sagen, obwohl man sauer ist…usw) Während bereits Kinder diese Sprachen sehr gut sprechen bzw. sehr schnell lernen (intuitiv) (dabei aber immer noch ehrlicher sind, als Erwachsene, finde ich), habe ich gar nichts gesprochen. Ich fand es aber faszinierend, all das zu lernen. Und so war es, dass ich, wann immer ich konnte, Menschen angestarrt habe. Das Auffällige war nicht das Starren an sich, sondern dass die (zu 99% fremden) Menschen darauf oftmals (negativ) reagiert haben. Ich habe das nicht wahrgenommen.

Für mich waren das Reaktionen, wie jede andere Reaktion. Und für mich zunächst auch nicht zuzuordnen. Die Reaktion war einfach nur da, ich habe diese nicht bewertet. Das besonders Auffällige war jedoch, dass die Menschen teils sehr böse reagiert haben. Sie haben zum Beispiel angedroht, ob ich geschlagen werden möchte, sollte ich damit nicht aufhören. Dies weiß ich nur aus der Erzählung meiner Mutter. Sie hat natürlich dafür gesorgt, dass ich nicht geschlagen werde und aufhöre den betreffenden Menschen anzustarren.

Das war und ist jedoch meine Art zu lernen bzw. möglichst angepasst in der Gesellschaft zu leben. Denn mit den Jahren habe ich verstanden, wenn mir jemand (auffällig) etwas böses wollte. Böse Hintergedanken zu erkennen fällt mir hingegen bis heute sehr schwer.

Man kann sich das vorstellen wie ein Mensch, der in ein Löwengehege geworfen wird. Man möchte nicht gefressen werden. Also kopiert man das Verhalten der Löwen zu 100%. Je mehr Löwen, desto mehr Kopien müssen angefertigt werden. Ist man am Ende noch man selbst? Nein. Aber man wird vielleicht irgendwann akzeptiert oder geht unsichtbar in der Masse unter. Man wird nicht gefressen. Ich wurde jedoch sehr lange zumindest angeknabbert (gemobbt). Verstanden habe ich das nie – bis heute nicht. Denn ich kann mich nicht daran erinnern, besonders unhöflich gewesen zu sein, oder jemandem geschadet zu haben.

Inzwischen kann man sich das das Innere meines Kopfes vorstellen, wie einen unendlichen Raum mit unzähligen Aktenschränken. Die Kopien sind nahezu grenzenlos und täglich kommen neue hinzu. Unter Menschen würde ich allenfalls noch naiv und introvertiert wirken. Dabei entspricht das eigentlich nicht meiner Persönlichkeit. In meinen 30 Jahren ist es bisher – immerhin – zwei mal vorgekommen, dass sich jemand die Mühe gemacht hat, sofern eine Basissymphatie meinerseits besteht, mich kennenzulernen. Sonst hat es niemand über eine meiner Kopien gewagt. Vermutlich nicht mal die Kopie erkannt. Aber darüber bin ich nicht traurig. Meine Persönlichkeit redet zum Beispiel sehr gerne und sehr viel. In dem Zusammenhang – auch ein Symptom (kann man das so sagen?) von Autismus: Ich weiß fast nie, wann ein Gespräch beginnt und wann es aufhört. Auch nicht, wann ich dran bin mit reden. Ich falle also sehr
oft ins Wort, wie mir des Öfteren gesagt wird. Beim letzten Bewerbungsgespräch ist es mir sogar selbst aufgefallen, der Chef kam kaum zu Wort. Und wenn der andere einfach lauter wird, dann werde ich automatisch noch lauter. (Hab den Job trotzdem bekommen :-))

Über ein Thema, welches mich interessiert, kann ich sehr lange Monologe halten. Und ich interessiere mich auch für geschichtliche Fakten (besonders im Zusammenhang mit Pflege und Medizin), die heute wohl die meisten Menschen nicht mehr interessiert. Zum Beispiel die Frage, wie und weshalb Menschen im Mittelalter in recht kurzen Betten geschlafen haben. Aber auch über anderes unnützes Wissen (aus unterschiedlichen Themenbereichen) könnte ich aufklären, wenn sich die Gelegenheit bietet. Meistens rede ich aber nur so mit mir selbst. Im Geiste natürlich, damit’s nicht ganz bescheuert, sondern eher verträumt wirkt.

Bevor ich weiter von Hölzchen auf Stöckchen komme, berichte ich noch kurz über die am Anfang erwähnte Echolalie. Meist bei frühkindlichen Autisten/verzögerter Sprachentwicklung. Davon war ich nicht betroffen, denn ich habe verhältnismäßig früh gesprochen und auch als ich das lesen gelernt habe, habe ich alles Gelesen, was lesbar war. Das war also soweit in der Norm. An mir selbst fällt mir das eher im Erwachsenenalter auf. Das Nachahmen von Worten und Geräuschen/Lauten. Das stereotype Wiederholen von Worten. Für kleine Kinder ist das ganz normal. Später macht man das für gewöhnlich nicht mehr. Aber auch das ist für mich auch eine Art der Kopie. Kopie vom Tonfall zum Beispiel. Also nicht nur wie (z.B.) Wut aussieht, sondern auch wie sie klingt. Und das mit allen Gefühlen und alles eventuellen Situationen.

Das alles ist eine nie endende Arbeit und ein grenzenloser Bedarf an Kopierpapier. 🙂