Ich habe über die Wertschätzung nachgedacht. Über Vertrauen und wie immer, über die Liebe, von der ich noch immer nicht genau weiß, was sie eigentlich ist. Ich würde gern sagen, dass ich die ach so magischen drei Worte nur wenige Male gesagt habe, aber das kann ich nicht. Ich habe diese Worte nicht zu vielen Menschen gesagt, aber zu diesen wenigen dann doch des Öfteren. Noch häufiger wohl das Bekannte „ich dich auch“. Warum? Nun ja, weil man das eben so sagt. Wie oft habe ich es aber in dem Moment, in dem ich es gesagt habe, auch wirklich so gemeint? Wenn ich meine neusten Gedanken dazu miteinbeziehe – noch nie. Durchaus habe ich es gefühlt und hätte ich diese drei Worte dann gesagt, dann hätte ich sie auch so gemeint. Das ist bisher aber nicht vorgekommen.
Gerne betrachte ich Menschen nicht im Gesamtbild, sondern zerteile sie wie ein Puzzle und betrachte dann jedes einzelne Stück. Und dann sehe ich die schönen Farben der Seele, das was zu bewundern ist, ja auch was zu begehren ist, aber auch die Abgründe und dann kommen noch die ganz tiefen Abgründe, da wo die Leichen ruhen. Dazu fällt mir ein recht oberflächlicher aktueller Trend aus dem Netz ein, welcher ungefähr so aussieht: „Er/Sie ist eine 10 von 10, hat aber (ich nehme mal ein Beispiel, das die meisten Menschen abschrecken dürfte) die Neigung, sich mit Exkrementen einzureiben. Was wird dann aus der 10 von 10? 10 von 10 ist schließlich perfekt. Und das war nur ein Beispiel. Wir alle haben Eigenschaften, die aus unserer 10 von 10 eine, sagen wir, 5 von 10 machen könnte.
Und dann kommt mein Gedanke an die Wertschätzung ins Spiel. Mein genanntes Beispiel würde, sofern ich diesen Menschen wertschätze, tatsächlich eine 10 von 10 bleiben. Was nicht bedeutet, dass ich diese Neigung teile (oder eben nicht zwangsläufig jeden anderen Abgrund), ebenso, wie nicht jeder andere Mensch meine Abgründe teilt. Ich sehe das sehr simpel. Hätte ich diesen Menschen, diese 10 von 10, dann würde ich ganz offen darüber sprechen wollen, so wie ich immer über alles offen sprechen können möchte (ist vielleicht einer meiner Abgründe). Vertrauen. Und postwendend den Vorschlag unterbreiten, dieses Bedürfnis doch einfach bei einem anderen Menschen zu befriedigen. Denn wer bin ich schon, jedem Abgrund, jeder Sehnsucht eines Menschen gerecht werden zu können? Das würde nicht nur meiner 10 von 10 die Freiheit nehmen, sondern auch mir. Und ich mag meine Freiheit.
Vielleicht ein Beispiel, mit dem die meisten besser zurecht kommen: Sie/Er hat kein Auto. Ist tatsächlich für einige ein no go. Ist ja auch nicht so, dass es Öffis gibt, welche, zumindest in der Stadt, alle 5 Minuten fahren. Oder diese Wahnsinns-Erfindung: Gehen. (Im kostenlosen Upgrade-Tarif ist sogar Rennen enthalten).
Nun, aber so schnell kann bei einer 10 von 10 der Wert sinken. Und was bleibt? Oberflächlichkeit? Ein bisschen Begierde, ein bisschen Bewunderung. Vielleicht sogar ein bisschen „ich liebe dich“. Hashtag: Kompromiss. Und dann. Vielleicht ein bisschen Mensch-besitzen, Mensch-erziehen. Dann sehe ich wieder Menschen, die ihrem Partner das Geld einteilen. Was bin ich, deine Mama? Ich sage nicht, dass es nicht gut gehen kann, mit all diesen Kompromissen, mit diesem „dieses und jenes musst du ändern, damit du eine 10 von 10 für mich bist“. Als ein von Haus aus manipulativer Mensch, spreche ich mich davon nicht frei. Es ist wohl menschlich, den tollsten Menschen an sich anpassen zu wollen, damit er der Tollste bleibt. Unterm Strich ist es halt nur ein Kuhfladen mit Glitzer drauf.
Das Ergebnis dieser Gedanken ist, dass sich „Vertrauen/Ehrlichkeit/Direktheit“ den ersten Platz nun mit der Wertschätzung teilt. Um mir irgendwann die Frage zu beantworten, was nun eigentlich diese Liebe ist. Sprich: Wenn für mich eine 10 von 10 in ihrem Wert sinkt, kann ich diesen Menschen auch nicht lieben. Wenn ich diesen Menschen verändern muss, anpassen, oder der Mensch das Gefühl hat, nicht über alles sprechen zu können (-Konsequenzen fürchten muss), dann kann die Liebe nicht so echt sein. Wenn nicht ausnahmslos jeder Abgrund, jede Freiheit (von beiden bzw. mehreren) gelebt werden kann, dann kann die Liebe nicht für die Ewigkeit sein. Mir ist klar, dass die meisten Menschen anderer Meinung sind, ich lebe zwar hinterm Mond, habe aber trotzdem ein W-lan Kabel. 😉
Wie immer bleibt das Gefühl in mir zurück, es nicht so erklärt zu haben, wie ich es empfinde und so viele Worte in mir zurückbleiben, die ich dazu noch habe, aber einfach nicht ausdrücken kann. Aber auch das Gefühl, dass es mir ziemlich egal ist. Am Ende eines Tages machen wir ja doch alle, was wir wollen, und sind, wie wir sind. Oder beinahe, der Wertstabilität wegen. Ich lerne noch.
PS: Es geht mir hier nicht um Akzeptanz oder das bloße Hinnehmen (das wär ja wieder nur ein Kompromiss). Es geht mir darum, die dreckigsten Leichen zum einen so zu belassen, belassen zu wollen (auf Gegenseitigkeit beruhend) und sie wertzuschätzen. Und ich meine damit auch nicht die kleinen Macken, die man am anderen Lieben kann. Irgendwie komme ich damit dieser, meiner Definition von echter Liebe ein Stück näher.
Laufe halt auch nicht ganz rund, mit all meinen Abgründen. Aber das ist ja kein Geheimnis.