Autismus Erfahrung: Die eigene Spezies erkennen

Einer schlechten Angewohnheit ist es geschuldet, dass ich nun spontan diesen Beitrag verfasse. Denn wie an jedem Morgen schaue ich, noch bevor ich aufstehe, erst mal durch mein Smartphone. Ich muss ja wissen, was es neues gibt. Und etwas altes/bekanntes/neues habe ich tatsächlich gefunden. Und dann hatte ich dieses seltene Zugehörigkeitsgefühl. Diesen Aha-Effekt. Und das Gefühl, nicht so fremd zu sein. Und Facebook bekam auch wieder einen Sinn, denn das nutze ich nur für die Autist:innen Gruppen.

Und dort wurde in einem Austausch thematisiert, dass man als Autist:in, die „eigene Spezies“ erkennt. Man ist ja häufig und automatisch damit beschäftigt, andere Menschen zu scannen. Und das meiste ist, für mich zumindest, ziemlich weird. Wie wenn man in ein fremdes Land, mit unbekannter Kultur/Gebräuchen, unbekannter Sprache kommt. Und selbst wenn man um Hilfe bitten will, kann dies niemand verstehen, weil du halt Außerirdisch sprichst. Du bist komisch für sie, und sie sind komisch für dich.

Und dann ist dazwischen ein Mensch ohne Mimik (oder mit erkennbarer Maske), einer, der anders läuft, sich anders bewegt, als die anderen, anders guckt als die anderen. Sich auf irgendeine andere Art anders verhält. Vielleicht nicht so wie ich, aber so, dass ich es verstehe. Nur weil ich zum Beispiel viele Worte spreche, bedeutete es ja nicht, dass ich zu jedem Zeitpunkt alle Worte spreche. Und manche spreche ich gar nicht, obwohl ich sie kenne. Natürlich muss das nicht immer ein/e diagnostiziert/e Autist:in sein. Es genügt, wenn die Person irgendwo auf dem Spektrum zu sein scheint.

Ich kann dieses „anders“ nicht wirklich beschreiben/definieren/festlegen, denn jede/r Autist:in ist individuell. Aber als ich dieses „die eigene Spezies erkennen“ gelesen habe, sind mir direkt einige Beispiele eingefallen von Menschen, die ich kannte/kenne, aber auch von fremden Menschen, die ich nur kurz mal gesehen habe. Und selbst für die Online-Welt fällt mir spontan jemand ein. Dies rein am schriftlichen zu erkennen finde ich sehr schwer, aber nicht unmöglich. Das ist, so finde ich, stark abhängig von der Selbst-Beschreibung. Aber vieles findet inzwischen ja auch über eine Sprachnachricht/Videochat-Funktion statt.

Bisher habe ich darauf nie bewusst geachtet, obwohl es mir durchaus aufgefallen ist. In Zukunft werde ich aber wohl dann, wenn sich die Gelegenheit bietet, bewusst daran denken. 🙂

12 Kommentare

    1. Wenn du einer Vermutung nachgehen möchtest, kann ich dir einen Online-Selbsttest empfehlen. Er ersetzt natürlich keine ärztliche/fachliche Diagnose. Dieser Test ist jedoch sehr umfangreich für einen Online-Test und kann zum nachdenken/reflektieren anregen. Und ebenso eine Ahnung bestätigen oder widerlegen. – hier gehts zum Test (Aspie-Quiz) http://www.rdos.net/de/

      Auch weitere Symptome kannst du online finden, leider ist sehr vieles noch auf männliche Diagnosekriterien ausgerichtet und das Maskieren von Symtomen im Erwachsenenalter oftmals manifestiert. Daher ist es entsprechend schwierig herauszufinden, ob man sich im Spektrum befindet. Aber auch da wird dir evtl. der Online-Test helfen. Am besten, wenn du etwas Zeit und Ruhe hast. 🙂

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      1. Einige Fragen sind schwer zu beantworten finde ich. Habe den Test gerade auch mal gemacht 🙂 Falls du dich darüber austauschen möchtest oder Fragen hast, kannst du mir gern per Mail schreiben.

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  1. Keine Ahnung, ob das gültig ist, eine Phrase oder sonst: Ich bin der Meinung, ich hätte mal gelesen, dass jeder Autist einen bestimmten Ablauf braucht. Das schnelle Veränderungen solch einen Menschen auch aus der Bahn werfen können.
    Die Ausprägungen sind natürlich sehr unterschiedlich. Niemand ist gleich. Vom Gefühl her würde ich sagen, du bist sehr frei hier im Blog. Kommunikativ usw.. Ich könnte mir vorstellen, dass du im Leben/im Job da ruhiger oder vielleicht sogar auch „distanzierter“ bist. Vielleicht auch, weil nicht jeder mit den Denkmustern eines Autisten klar kommen würde oder will.

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    1. Was du schreibst ist alles korrekt. Auch ich habe meine Routinen und ich werde sehr angespannt, wenn diese gestört werden.

      Zur Kommunikation: Ja, beim schreiben bin ich sehr kommunikativ, sofern es meine Energie zulässt, antworte ich sogar zeitnah. Aber auch von Angesicht zu Angesicht kann ich sehr kommunikativ sein, sofern ich eine Person sehr mag und gut kenne. Zum Beispiel könnte ich ein halbes Jahr ausgiebig mit einer Person schreiben, bei einem persönlichen Treffen dann aber nahezu wortlos dasitzen. Es fällt mir sehr schwer soziale Kontakte aufzubauen. Dort spielt auch meine Angst mit rein, aufgrund von Schweigen für dumm oder desinteressiert gehalten zu werden (das war ein Problem während der Schulzeit). Im Job fällt es mir leichter, denn ich arbeite allein (zwar mit 20 Bewohner:innen, aber ohne Kollegen) Meine Arbeit ist eines meiner Interessen.

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      1. Ah ok… schön zu hören, dass kein Blödsinn war, was ich mitbekommen habe.

        Du arbeitest ohne Kollegen. Das ist natürlich ein großer vorteil, da die Bewohner ja den „gut-kennen-Faktor“ nahe kommen, der dir die Freiheit der Kommunikation liefert.
        Das glaube ich dir gerne, dass du Probleme in der Schule hattest, weil es wahrscheinlich auch nicht so wirklich kund getan wurde, woran du leidest, oder?
        Ja, Virtualität und Realität sind doch zwei sehr verschiedene Schuhe. Einnert mich mal an ein Date. Wir hatten uns drei monate lang geschrieben und vom Gefühl her, war das Topf auf Deckel… Das erste reale Treffen ging so etwas von in die Hose, dass ich als Mann „eine Migräne nahm“ 😆 um das Date nach einer guten halben Stunde abzubrechen.

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      2. Die Bewohner kenne ich nicht immer gut, oft sind Situationen neu und es sind auch immer mal wieder Kurzzeitpflegen da. Aber da dieser Beruf mein Interesse ist, finde ich leichter einen Zugang.

        In der Schulzeit war mein Autismus nicht bekannt, daher war ich da einfach nur der klassische merkwürdige Außenseiter.

        Dating finde ich sehr schwer, es fängt schon da an, dass ich nicht merke, wenn mich jemand „anbaggert“ 😀 Darüber hinaus stimme ich dir zum Unterschied bzgl. virtuell/Realität zu. Übers Netz findet Kommunikation verbal-schriftlich statt, von Angesicht zu Angesicht zum überwiegenden Teil nonverbal. Man muss sich also „riechen können“ – und dieser Teil steht nach kurzer zeit schon fest. Daher ist es verständlich, dass du dieses Date schnell abgebrochen hast.

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      3. Das ist immer gut, wenn man seinen Beruf liebt. Das macht viele Dinge um einiges leichter.

        Dachte ich mir schon. Da ist man in der Schule natürlich der krasse Aussenseiter bzw. Aussenseiterin. Davon kenne ich auch was von.

        Dating ist natürlich nicht so einfach. Ich weiß ja nicht, ob du den Autismus offen zur Spracher bringst, wenn du ein Date hast oder ob du hoffst, dein Gegenüber vermutet nix falsches in der ein oder anderen (Nicht)Reaktion bei dir.
        Dating funktioniert aber auch. 😉 Ich hab meine Jetzige auch online kennengelernt und Ende des Jahres haben wir 16 Jahre voll.

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      4. Ich habe meinen auch übers Netz kennengelernt, hier bei WordPress. 🙂 Am Anfang war es aber keine offizielle Dating-Absicht. Das liegt bereits einige Jahre zurück, damals hatte ich nur einen Dachschaden, von Autismus wollte ich noch nichts wissen. 🙂 Ich glaube er hält es tapfer mit mir aus. 🙂 Wie ich da hineingeraten bin, weiß ich jedoch bis heute nicht. 🙂

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