Ich möchte über meine Erfahrung/mein Erleben, aber auch über ein paar Allgemeine Dinge schreiben. Auch wenn es mir gerade nicht möglich erscheint, wirklich alles in diesen Beitrag zu bekommen. Vermutlich denke ich gerade an die Hälfte nicht, aber der Beitrag ist ja nicht in Stein gemeißelt. 🙂
Aber nun zur Sache…
Die sensorischen Reize abzuschirmen gelingt mir in einem verhältnismäßig kleinen Ausmaß.
Die Umgebung muss so reizarm wie möglich gestaltet sein. Bzw. mit Dingen, die stimulieren.
- zum Beispiel bleiben Dinge an ihrem festen Platz (trotzdem muss ich relativ häufig etwas suchen)
- Einstellungen von Geräten müssen beibehalten oder immer auf die selbe Art verändert werden.
- Menschen sind auf die nötigsten zu reduzieren, am liebsten bin ich allein
- Umgebungsgeräusche sind ebenfalls auf ein Minimum zu reduzieren
Mein Kopfhörer ist mir da (zu Hause) eine große Hilfe, sehr oft höre ich über Stunden das selbe Lied, oder eine bestimmte Playlist.
Ausgehen ist kaum möglich, während 2G noch galt fand ich Kino aber wieder toll, alternativ Autokino. Aber mal eben spontan in ein Restaurant oder ein Cafe gehen, nein. Ich habe mich viele Jahre zu solchen Dingen gezwungen, das Ergebnis sind psychische Erkrankungen, die vermeidbar gewesen wären.
Draußen ist mir der Kopfhörer keine große Hilfe, denn die akustischen Reize damit auszublenden wirkt eher gefährlich. Durch die übrigen Reize kann ich schlechter sehen, besonders bei grellem Licht. Manchmal habe ich Situationen, in denen ich fast nichts mehr sehen kann, dadurch verliere ich die Orientierung. Besonders gefährlich ist das aufgrund von Straßenverkehr, da hatte ich bisher schon sehr oft sehr viel Glück. Dahingehend fühle ich mich aber sicherer, wenn ich akustische Reize wahrnehme, um entgegenkommende Autos wenigstens hören zu können (neben dem Fühlen der Vibration)
Eine Sonnenbrille wäre da eine Lösung, diese Veränderung mag ich jedoch gar nicht.
Gegen Berührungen kann lange/dicke Kleidung etwas helfen. Niemand mag gern von Unbekannten in Intimzonen berührt werden (neben den Geschlechtsorganen und dem Gesäß ist zum Beispiel auch das Gesicht eine Intimzone)
Für mich ist alles Intimzone, (ganz besonders Blickkontakt). Dagegen kann eine Warnweste helfen mit entsprechendem Aufdruck, nicht berührt werden zu wollen. Mir persönlich war das etwas zu viel, weshalb ich es mit einem Magnetbutton versucht habe. Der ist leider völlig sinnlos. Im Geschäft wurde ich daher schon des Öfteren für einen Ladendieb gehalten, weil ich ewig in der Gegend herumstehen muss, bis dort, wo ich hin möchte, keiner mehr steht.

Seit Corona ist ein kurzes Husten sehr effektiv. Selbstverständlich ohne die Hand (oder den Ellenbogen, mit dem sich die Menschen dann berühren) nicht vor den Mund halten. Die meisten Menschen springen instinktiv weg. Ein bisschen lustig ist es auch. Wenn man das nicht möchte kann man aber auch sagen „ich fühle mich so komisch, muss wohl mal nen Coronatest machen“. Sofern man sprechen kann, ist auch das hilfreich. Zu erwähnen, dass man Pflegekraft ist, war zu Beginn der Pandemie auch sehr effektiv.
Stimming welcher Art auch immer kann ebenfalls lindern.
Sehr verständnisvolle Bezugspersonen sind extrem wichtig für alle anfallenden Situationen.
Natürlich gibt es auch positive Berührungen (entweder von einem Menschen, den man mag, oder eine Berührung die notwendig ist, zum Beispiel medizinisch), welche jedoch ebenfalls eine unterschiedlich hohe Reizüberflutung nach sich ziehen. Wahrung der Grenzen und Respekt sind da sehr wichtig. Die Menschen kann man sich glücklicherweise oftmals aussuchen. Am leichtesten erklären kann ich das mit einem Beispiel. Auf eine gewünschte Umarmung folgt eine Ruhephase, manchmal von mehreren Stunden. Berührungen, auch positive, werden extrem intensiv wahrgenommen, oftmals fühlt es sich an wie Stromschläge, die durch den Körper preschen. Die Erschöpfung dürfte verständlich sein. Und so ist auch die zufällige Berührung im Bus, in der Stadt oder sonst wo, ein enorm großer Eingriff in den Körper.
Weiter zum Thema Schlaf. Um Unruhe zu vermeiden kann eine Gewichtsdecke helfen. Diese fördert die eigene Körperwahrnehmung und mindert Schlafstörungen. Sie wirkt sich auf die Muskeln, die Gelenke, etc. aus. Mir sagt sie nicht zu, habe bisher aber nie mit einer solchen geschlafen. Wäre ja auch wieder eine Veränderung, also schlecht. 😀 Trotzdem kann ich relativ gut schlafen und zwar mit Gronkh. Da lasse ich nen Livestream laufen. Die Stimme hat wohl etwas beruhigendes. (Als ich ihm das mal erzählt habe, hat er es als Kompliment aufgefasst) Darüber hinaus kann hochdosiertes Melatonin helfen (das ist verschreibungspflichtig), in geringeren Mengen jedoch auch als Tablette oder Tee in der Drogerie zu kaufen. Bevor man zu (Schlaf-)Medikamenten greift, lohnt es sich, dieses auszuprobieren.
Zum Thema Ernährung. Ich bin ein sehr schlechter Esser und ein noch schlechterer Trinker. (Aber Hauptsache bei der Arbeit gute Ratschläge diesbezüglich verteilen:D) Ach, nicht nur bei der Arbeit. Zu Hause/in meinem Umfeld auch. Aber da gibt es mehrere Hilfsmittel, auf diesen Ohren bin ich jedoch bisher taub, sprich – bei mir funktionieren diese Dinge nicht. Da die Wahrnehmung gestört ist, werden diese Dinge einfach vergessen. Ich habe es mal mit laminierten Karten Probiert (liegen aber nur in einer Schublade)..hier als Bild – wenn jemand Interesse daran hat, der möge mir schreiben, ich schicke sie gern kostenlos zu. Diese sind vor allem dazu da, um die Ernährung vielseitiger zu gestalten.

Auch der Handywecker oder eine Eieruhr bringen in diesem Fall nichts, kann aber generell eine Hilfe sein. Menschen, die mich sehr stark damit nerven können helfen zu trinken. Am meisten geholfen hat mir mein letzter Krankenhausaufenthalt. Meist spüre ich Durst erst in Form von Schwindel, in diesem Fall war es zu spät und ich bin ohnmächtig geworden. Da ich mich gleichzeitig auch verletzt habe, bin ich ins Krankenhaus, was im Allgemeinen ein etwas traumatisches Erlebnis war. (Die Ärztin war aber sehr lieb und einfühlsam, sie schien sich etwas im Umgang mit Autisten auszukennen) Auch Notizzettel oder Erinnerungskarten können helfen.
Meine Ernährung ist weiterhin sehr einseitig (was natürlich super gut zur veganen Ernährung passt – nicht) Wobei sich das seit der Ernährungsumstellung stark gebessert hat. Da habe ich es mit meinem Insta Account versucht, um da jedoch der großen Eintönigkeit zu entgehen, zeige ich einfach nicht alles, was ich esse. Und das ich immer die selben Gewürze verwende, lasse ich ebenfalls außen vor. 😉 Trotzdem hat mir der Austausch dort etwas geholfen, manchmal etwas neues zu probieren. Hilfreich finde ich (Ernährungsform egal), sich an Nährstoffen zu orientieren, diese zu dokumentieren. An guten Tagen erreiche ich da das meiste. In der Küche allgemein hilft mir eine Abschaltautomatik an Backofen und Herd.
Der Hai aus Findet Nemo würde sagen: Der Klassiker, Verdrängung 😀
Planung ist das halbe Leben (manchmal lebe ich in der anderen Hälfte und erhalte die Quittung dafür)
Zur Einhaltung von Routinen, die elementar für einen möglichst guten Tag sind, ist der Wecker bzw. ein Timer eine große Hilfe. Ich habe über 150 eingestellte Weckzeiten, die ich aber nur nach Bedarf nutze. Meistens weiß ich nicht, wie spät es ist, oder welchen Tag wir haben. Trotzdem freue ich mich, wenn ich beinahe täglich auf die Uhr schaue, die dann meinen Geburtstag anzeigt (obwohl ich meinen Geburtstag an sich gar nicht mag. Das ich mir in dem betreffenden Monat den ganzen Monat Urlaub genommen habe, ist Beweisstück A). Eine bestimmte Abfolge von Musik kann helfen, Zeiten einzuschätzen.
Weiterhin hilft es, wenn man sein Umfeld an seine Routinen anpasst. Falls das nicht möglich ist, dann eben umgekehrt. Ein simpler Tagesplan kann ebenfalls helfen, die Struktur beizubehalten. In Form von Worten und/oder Piktogrammen. Präzise Absprachen können hilfreich sein.
Wenn man zum Beispiel auf ein Paket oder einen Besucher wartet, welcher um 15 Uhr eintreffen soll, dann wartet ein Autist schon drei Stunden vorher am Fenster und gedanklich bereits mehrere Tage. Abweichungen führen zu noch größerer Unruhe. Dieses Problem habe ich, da wo ich wohne, nicht mehr, der Concierge fängt 24/7 alles ab.
Zum Abschluss reihe ich noch ein Paar Hilfen auf.
– Falls Probleme beim Telefonieren bestehen: Es ist nicht schlimm, einen Anruf nicht anzunehmen. Ein kleines „Drehbuch“ mit allen Eventualitäten schafft Abhilfe, dann kann man zurückrufen. Ich habe mir da angewöhnt, ganze Sätze aufzuschreiben und abzulesen. Manchen reichen Stichpunkte.
– Außenstehende aufklären. Selbst im Job kann das hilfreich sein und ich werde nicht weniger qualifiziert behandelt aufgrund meiner Behinderung. Im schlimmsten Fall schützt das vor einem autistischen Burnout. (dazu mache ich gewiss auch noch einen Beitrag)
– Draußen kann es helfen, Schritte oder andere Dinge zu zählen.
– Vibrierendes Kissen (ähnliche Wirkung wie die Gewichtsdecke)
– Behindertenausweis/Nachteilausgleich
– Auch Medikamente/Psychopharmaka können helfen. Dabei ist unbedingt zu berücksichtigen, sich an einen Arzt/Ärztin zu wenden, der sich sehr gut mit Autismus auskennt. Medikamente können intensiver oder weniger intensiv als gewöhnlich wirken. Zuvor ggf. Baldrian ausprobieren.
– Spezielle Autismus-Therapie, bezogen auf spät-diagnostizierte. Autismus-Zentren gibt es in sehr vielen Städten und die ein oder anderen helfen sogar per Insta, wie ich erfahren konnte. (Abstand nehmen von ABA)
– Trigger (die zu einem Meltdown führen) vermeiden.
– Kommunikation – nicht immer klappt das verbal. Mir helfen Stofftiere, aber auch Bildkarten, spezielle Handzeichen können helfen.
– Wenn Kopfhörer keine Option sind (weil Musik evtl. überfordernd wirkt), können auch normale Ohrstöpsel helfen, die gibt’s in zahlreichen Ausführungen.
– Ein Assistenzhund (wird leider oft nicht übernommen, wenn keine Epilepsie besteht, trotzdem einen versuch wert) Mir helfen oft meine flauschigen Katzen 🙂
– Stimming Toys hier und da verteilen und Rückzugsmöglichkeiten schaffen bzw. einfordern.
Ergänzt gern in den Kommentaren, was euch so hilft.
PS: Manche (offizielle) Hilfsmittel können von der KK übernommen werden.
Ein Hilfsmittel, welches sich in meinem Alltag immer mehr bewährt, ist eine App namens „Habitica“.
In dieser kann ich meine Tagesabläufe, Gewohnheiten, Termine, bevorstehende Ereignisse, u. v. m. festhalten.
Der Kniff dabei ist, dass du belohnt wirst, wenn du eine Aufgabe erfüllst. Da mein Belohnungszentrum sehr positiv darauf reagiert, wenn ich etwas geschafft habe, ist die App wie für mich gemacht.
So komme ich besser in die Gänge, Dinge idealerweise gleich zu erledigen. Nicht dass ich die oft absichtlich warten lasse oder vor mich hinschiebe, oft fehlt mir schlicht weg der Antrieb. (auch bei Aufgaben, die mir an sich gefallen)
Sonst helfen mir auch Notizzettel, Erinnerungen am Telefon (mit mehreren Alarmen), Stimming Tools, um meine Gedanken wieder zu sortieren. Außerdem verlangsame ich dadurch mein Schritt-Tempo, denn ohne Beruhigung (Musik, Fidget Cubes, etc) renne ich förmlich durch die Straßen. Was zwar den Stress bezogen auf die Reizüberflutung reduziert, aber meinen Körper dennoch auslaugt.
Leider helfen mir keine Tools, wenn ich mit jemandem in einem Kaffee sitze und mit dieser Person reden möchte. Denn egal, was es ist, welches Geräusch, welcher „Blickfang“ meine Gedanken schweifen immer wieder ab, so kommt es nicht selten vor, dass ich vor allem, wenn ich in der Gruppe sitze, nur vor mich hinstarre und das Treffen aussitze.
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