Sprechen, oder auch das Gesprochene von Anderen finde ich unfassbar kräftezehrend. Einem Gespräch zu folgen gelingt mir, je nach Thema, oftmals nur wenige Minuten am Stück. Es kommt immer darauf an, wie ich zu diesem Menschen stehe (ich habe nur zu wenigen Menschen einen Bezug, da brauche ich nicht mal eine Hand zum abzählen). Smalltalk ist dann noch mal schwieriger. Bei einem Gespräch innerhalb einer kleinen Gruppe (bis 4-5 Personen), kann ich gelegentliches Nicken beisteuern oder lächeln, wenn es die anderen tun. In mir verursacht das Ganze großes Chaos, Aufruhr. Bei fremden Menschen bin ich ganz raus.
Wenn ich mich so verhalten würde, wie es meine Natur vorgibt, würde ich den ganzen Tag hin- und her wippen und mich meinen 2 bis 3 größten Interessen zuwenden. Das zeigt mir jeden Tag, wie tief ich das Maskieren verinnerlicht habe. Zwar mache ich das recht viel, aber überwiegend, wenn ich allein bin. Und ich würde gar nicht reden.
Ich komme mir oft sogar dumm vor, wenn ich rede. Denn so wie ich rede, würde ich mich schriftlich nie ausdrücken. Wenn ich spontan reden (oder auch zuhören) muss, ist das wie eine Fremdsprache, die jemand anders, aber auch ich selbst spreche. Das, was ich denke, was ich schreiben würde, kommt aus meinem Mund aber im Vergleich eher gebrochen heraus, wenn es sich nicht gerade um eines meiner Interessen handelt (oder um antrainiertes).
Mein gewöhnlicher Alltag ist dementsprechend so nonverbal wie irgend möglich. Auch deshalb gefällt mir meine Arbeit allein im Nachtdienst. 90% schweigen und die übrigen 10% beinhalten eher kurze präzise Aussagen.
Gleichzeitig kann ich die nonverbale Sprache Anderer nur schlecht interpretieren, was die verbale Kommunikation wiederum sehr wichtig macht. Würden sich diese Anderen dann an kurze Sätze halten, würde es mir das Leben erleichtern und meine Energie sparen. Aber das ist oftmals nicht der Fall, weshalb ich Gesprächen eher ausweiche oder diese abbreche.
Es ist aber auch immer Tagesform abhängig, es kommt auf die Umgebung und den anderen Menschen an, auf mein Energielevel, die Situation, das Thema. Mit meinem Partner kann ich zum Beispiel relativ viel reden und gelegentlich sogar aufmerksam zuhören (erfordert aber sehr viel Anstrengung). An manchen Tagen rede ich möglichst gar nicht oder nur das Nötigste, manchmal bin ich nicht einmal in der Lage, eine Sprachnachricht anzuhören, geschweige denn eine zu versenden.
Nichtsdestotrotz habe ich ein hohes Mitteilungsbedürfnis, ich schreibe unfassbar viel, meistens schmerzen meine Hände davon (na ja und aufgrund meiner chronischen Erkrankung), aber das hält mich fast nie davon ab, zu schreiben. Am liebsten nur so für mich, denn mit anderen Menschen kommt wieder das Problem hinzu, dass ich ihr Verhalten, die Aussagen oder dieses „zwischen den Zeilen“ oft schlecht verstehe. Ein Fun Fact: Ich google meistens, wenn ich etwas davon nicht verstehe (kommt sehr oft vor) und vertraue dann einfach auf irgendwelche beliebigen „Brigitte“/“Cosmopolitan“ Ratgeber. So kann ich der Situation entgehen, eine Person fragen zu müssen, woraus sich ja schlimmstenfalls ein Gespräch ergeben könnte. Das schließt zwar die Individualität eines Menschen aus, nehme ich aber so hin. Hat bisher tatsächlich meistens gut geklappt.
Dennoch kann ich Gespräche auch genießen, schwer zu beschreiben, es kommt eben drauf an.
Ich nehme an, dass ich das Schreiben so bevorzuge, weil es im Vergleich sehr reizarm ist. Manchmal kann ich auch einfach nicht sprechen, nicht zuhören. Oft wird das dann mit Unhöflichkeit verwechselt. Denn die Menschen wissen meist, dass ich physiologisch durchaus in der Lage wäre, zu sprechen. Es wird dann gedacht „kann ich nicht bedeutet will ich nicht“. Dem ist aber nicht so. Oftmals handelt es sich tatsächlich um ein „nicht können“. Oder eben um das einsparen von Energie.
Mein Partner sagte jedoch mal, dass ich im Vergleich zu unseren Anfängen, inzwischen sehr viel rede. Wenn man jedoch zusammen lebt, muss man eben das ein oder andere besprechen. Und uns ist ja auch durchaus auf ehrliche Weise daran gelegen zu erfahren, wie es dem anderen so geht. (Diese Frage: wie geht’s dir“ mag ich aber nicht, 1. ist die meistens nicht ehrlich gemeint und mein „gut“ raubt unnötig Energie, 2. sollte die Frage doch ehrlich gemeint sein, könnte man diese auch präziser stellen…woher soll ich wissen, was die Person meint, wie soll es mir denn bei was wo gehen?!)