Leben mit Behinderung

Autismus: Die „Stille Stunde“ in Supermärkten für Menschen mit Behinderung

In der Schweiz gehört „die stille Stunde“ schon zum Standard. In meiner Stadt gibt es nicht einen Supermarkt, der diese eingeführt hat. Und allgemein ist das Angebot in Deutschland eher spärlich. Was mich interessieren würde, wie klappt es da mit der tatsächlichen Umsetzung? Denn Menschen sind ignorant, egoistisch, selbstverliebt und jucken sich einen Dreck um andere. Die eigenen Bedürfnisse werden stets über die der Anderen gestellt. Ich meine das gar nicht böse. Wir alle sind menschlich & haben so ne Ecke in uns drin. Ich schließe mich hiermit nicht aus. Und natürlich spüren wir es, wenn unser eigenes Bedürfnis behindert wird. Wir sind wilde Tiere, besonders wenn’s ums Essen geht – Stichwort: Feiertag. Die Leute rennen durch die Geschäfte, als würden sie verhungern…oder als gäbe es alles gratis. Und deshalb würde es mich interessieren, wie das mit der Umsetzung in Deutschland klappt.

Ich persönlich bin nur selten in einem Geschäft. Ich lasse meist einkaufen. Obwohl ich eigentlich gern selbst schaue. Und ich war schon Jahrelang nicht mehr allein einkaufen. Wozu auch? Von zehn Dingen auf einer Einkaufsliste habe ich am Ende vielleicht die Hälfte und bin den Rest des Tages völlig erschöpft. Durchaus bin ich auch allein lebensfähig, das gut oder schlecht sei dahingestellt. Als ich allein gewohnt habe, habe ich jedenfalls meist bei meiner Arbeit gegessen. Kühlschrank war halt chronisch leer. Und immer nur Nudeln mit nichts ist halt auch nicht so nahrhaft. Und die Googlesuche „Pfannkuchen nur mit Mehl und Wasser“ macht auf Dauer auch keinen Spaß. Naja, ich war zu der Zeit zusätzlich chronisch pleite. 😉 Dafür weiß ich, wie man mit 10 Euro für Lebensmittel den Monat überlebt.

Das ich ein Mensch mit Behinderung bin ist bekannt, für jene, die es nicht wissen, ich bin Autistin/AD(H)Slerin. Und für genau diese Menschen – genauer gesagt für Menschen mit Reizfilterschwäche – ist diese „Stille Stunde“. Auch Menschen mit Depressionen könnten dieses Konzept für sich nutzen. Menschen mit sozialer Phobie. Angststörung. Und so weiter. Die Richtung ist klar. Und bei der „Stillen Stunde“ werden ein oder zwei Tage in der Woche gewählt, in denen die Supermärkte die Reize für kurze Zeit minimieren. Das Piepen der Kasse wird leise/ausgestellt, die Neonlampen gedimmt, die Musik/Werbungsdurchsagen ausgestellt. Und auch die Menschen verhalten sich ruhig. Gut fände ich auch, wenn nur eine gewisse Anzahl von Kunden zeitgleich in das Geschäft dürfen. Oder wenn man ein Attest vom Arzt braucht, um den Zugang zu erhalten.

Denn auf einen Menschen mit Behinderung, der genau dann besser einkaufen könnte, kommen zwanzig Pissnelken, die GENAU JETZT lautstark ihre Scheiße kaufen wollen. Dieses Phänomen beobachte ich immer wieder. Dinge, die eigentlich gar nicht so wichtig sind, müssen aus Prinzip durchgesetzt werden. Nein, man kann keine halbe Stunde warten, später oder früher einkaufen. Das macht den Menschen wütend. Es wird rebelliert, weil es mal ein mal nicht um ihn geht.

Ich bin sehr neugierig. Mit der stillen Stunde sind natürlich nicht alle (mich persönlich) belastenden Reize entfernt. Die Größe des Geschäftes, die viel zu große Auswahl. Ein Putzmittel reicht nicht, nein, es müssen zwei volle Gänge sein. Zwei Sorten Nudeln genügen auch auch nicht. Es muss ein ganzer Gang sein. Die zwei Gänge voll mit Alk sind aber ok. 😉 Ich bin mit der großen Auswahl jedenfalls wahnsinnig überfordert und kaufe dann halt eher manchmal nichts. Nicht weil ich mich nicht entscheiden kann, sondern weil es einfach zu viel ist und ich den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht sehen kann. Zusätzlich mein Endgegner: das grelle, manchmal flackernde, summende Licht. Die unzähligen Gerüche von Lebensmitteln und Menschen. Manchmal auch Parfum mit ein bisschen Mensch dran. Schrecklich. Dann bleibt hier einer stehen, da erzählen sich welche ihre Lebensgeschichten, und von der anderen Seite spricht mich plötzlich jemand an und ich kann kaum noch die Sprache verarbeiten.

Die Stille und das gedimmte Licht klingen in meinem Ohren wunderbar.

Immer mal wieder recherchiere ich in meinem Wohnort und in umliegenden Städten, weil wir dann auch für ein Paket Margarine 30 Kilometer fahren würden, haha, ob es einen Supermarkt mit der Stillen Stunde gibt. Leider nein. Und deshalb hab ich mal wieder ne neue Idee. Alle Supermärkte kontaktieren. Das werde ich in den nächsten Wochen tun. Mal schauen, ob es was bringt. 🙂 Ich kann schon sehr nervig sein. 🙂

Autismus Erfahrung: Bissl Plauderei und der Uncanny Valley Effect

Kommt jetzt nicht viel, weil mir dafür die Konzentration fehlt. Trotzdem interessant für jeden, der Näheres recherchieren möchte.

Bin den meisten Menschen, die ich kennenlerne, nicht sympathisch. Einige haben sogar Angst geäußert. Na, ich bin zwar Irre, aber im Grunde auf ne liebenswerte Art. Zumindest hab ich noch niemandem etwas getan. Gedanken und böse Flüche zählen nicht, oder?

Nun, es gibt ne einfache Erklärung dafür. Das liegt am Uncanny Valley Effect. Eine Bezeichnung, die aus der Robotik stammt, sich aber wunderbar auf neurodiverse Personen, Autist:innen anwenden lässt. Weiteres dazu lässt sich im ominösen Internet nachlesen. Die Kurzfassung ist, dass es dabei um möglichst real wirkende Roboter oder auch animierte Figuren aus Filmen & Games geht. Menschlich wirken.

Dann kommt ein Autist mit gar keiner oder der falschen und gestellten/maskierten Mimik daher und ist eben ein solch menschenähnlicher Roboter. Naja, nicht wirklich, selbst wenn es sich oft so anfühlt. Aber ich bin schon ein Mensch. Ein Mensch mit Gefühlen und der Unfähigkeit, diese zu verbalisieren/in der Körpersprache zu zeigen, wie es neurotypische Menschen machen. Nett ausgedrückt könnte man auch sagen, dass ich gelegentlich hölzern wirke. Desinteressiert, ablehnend, in mich gekehrt. Und wie manche ebenfalls denken – dumm.

Dabei ist es eigentlich ganz leicht. Auf gezielte Fragen kann ich gut antworten. Diese Fragen zu stellen ist eher schwer. Als kleines Beispiel werde ich in letzter Zeit sehr oft gefragt, ob ich meinen Partner lieben würde. Nun, die Frage ist nahezu unmöglich zu beantworten. Denn wer diese Frage stellt, definiert Liebe höchstwahrscheinlich anders als ich es empfinde. Und wenn ich mit ja antworten würde, dann würde mein/e Gesprächspartner/in diese Information mit seinem/ihrem Verständnis von Liebe verknüpfen. Besser wäre die Frage „wie liebst du deinen Partner“ oder „wie zeigst du deinem Partner deine Liebe“.

Aber zurück zum Thema. Dieser Effekt sorgt dafür, dass man auf nicht autistische Menschen gefährlich, angsteinflößend, gruselig, etc. wirkt. Das ist nicht näher zu definieren. Es ist einfach ein Gefühl, ein Unbehagen. Das – gepaart mit den Einschränkungen in der Kommunikation sorgt dafür, dass man einsam krepieren wird. Und wenn das nicht genügt, schreckt mein Humor ja noch ab. Ja, das mit dem einsam krepieren war ein Witz. Aber ein Witz, in dem durchaus ein Funken Wahrheit steckt. Es ist eben nicht einfach Menschen zu treffen, die nicht nur über all das hinweg sehen, sondern einen dafür auch noch gern haben. Also nicht „ich mag dich trotzdem“, sondern „ich mag dich weil“

Ehrlich gesagt bin ich aber, obwohl ich ein Mensch bin, der niemals aufgibt, gerade ein Mensch, der das Aufgeben lernt. Verschlossener denn je und ziemlich kalt. Was das Roboter-Dings dann auch nicht besser macht. Na, also entweder liegt es am Uncanny Valley Effect oder ich bin einfach wirklich kacke. 😉

Autismus Erfahrung: Gastbeitrag meines Partners / zusammenleben mit einer autistischen Person

Kleines Vorwort von mir, der autistischen Person. 😉 Es folgt ein Beitrag meines Partners, den ich, man erkennt es gewiss am Schreibstil, nur sehr wenig bearbeitet habe. Nur mal hier und da n Komma verteilt, wo es mir hübsch erschien. Also keine Zensur. 😉 Komme mir ein bisschen vor, wie ein Monster. Aber n liebenswertes. Ich hab mich jedenfalls lieb, ha! Ich verlinke seinen Blog HIER, damit ihr ihn stalken oder persönlich bemitleiden könnt, wenn ihr wollt. Scherz. Nun zitiere ich noch Eric Cartman: „Ich habe die Regeln nicht gemacht, ich habe sie mir lediglich ausgedacht.“ und überlasse das Feld:


Zu Anfang weiß ich nicht, was ich schreiben soll, bzw. wie ich beginnen soll, wobei mir vorher zig Gedanken und Begebenheiten im Kopf herum geschwirrt sind. Nun denn, fangen wir einfach mal an.

Leute meiner Generation (60er) denken automatisch beim Wort Autist/in an den Film „Rain man“ mit Dustin Hoffman, der Ende der 80er Jahre den Autismus erstmalig weiten Teilen der Bevölkerung näher gebracht hat. Wobei natürlich nicht jeder Mensch der Autist ist automatisch eine Inselbegabung* hat, aber auch hier gibt es entsprechende Klischees.

Für jemanden, der bisher noch nie mit einem autistischen Menschen zu tun gehabt hat, geschweige denn mit jemand zusammen gelebt hat, kann das mitunter schon eine Art von Herausforderung sein, wobei ich dieses bitte grundsätzlich positiv verstanden haben möchte.

Es beginnt mit Kleinigkeiten bis hin zu Streitereien, die aufgrund von Missverständnissen oder einer jeweils anderen Sicht oder Bewertung des Vorgangs an sich, insbesondere am Anfang, häufig aufkommen können, was nicht ausschließt, dass auch nach Jahren des Zusammenlebens auf einmal ein Ereignis eintreten kann, was Ähnliches hervorruft.

Regel Nummer Eins im menschlichem Miteinander ist hier das Reden, das Zuhören, das Erklären und Regeln sind dazu da, um befolgt zu werden, denn nichts ist schwieriger für einen Menschen mit Autismus, wenn sich urplötzlich etwas ändert, etwas anderes ist und der Alltag anders verläuft. Sarkasmus und hintergründiger Humor sind lustig, aber wenn ich A sage und eigentlich B meine, dann noch mit C kokettiere, dann wird es sehr schwer mir zu folgen, also Finger weg davon. Das soll natürlich nicht heißen, dass jemand mit Autismus keinen Spaß versteht oder keinen Humor hat, aber direkt ist hier meist besser.

Im allgemeinen Gespräch passiert es mitunter, dass ich sage, dass ich etwas kenne oder etwas ähnlich empfinde oder erlebt habe, was dann vielleicht so aufgefasst werden kann, dass ich die Behinderung oder das Problem klein reden will, da ich es ja „kenne“. Das Problem hier ist, dass ich das Erlebte oder Gefühlte, das Erfahrene des autistisch veranlagten Menschen kaum nachvollziehen kann, daher versuche ich es mit angesprochenen Beispielen mir selbst bewusster werden zu lassen, oder meinem Partner damit zu zeigen, dass ich es im Ansatz begreife, was in keiner Weise eine Herabsetzung oder Verallgemeinerung sein soll, selbst wenn es der Partner in dem Moment so empfindet.

Daher wie oben bereits gesagt. Reden, Zuhören, Erklären, auch wenn sich natürlich in unserer Beziehung in den Jahren einiges einspielt und weniger Worte bedarf.

Es gibt Tage, da ist weniger mehr, daher ist es von Vorteil, in dem Gegenüber lesen zu können, sei es durch Körpersprache oder Ausdruck oder Wortwahl, selbst die Stimme an sich. Da werden keine Berührungen akzeptiert, da ist die Stimme zu laut, oder man ist am besten nicht da, denn selbst die körperliche Anwesenheit, auch in einem anderen Zimmer kann als störend, als Belastung empfunden werden. An diesen Tagen kann es Dir so vorkommen, als würdest Du in einem Minenfeld wandeln und wehe alles steht nicht an seinem gewohnten Platz oder es geschieht etwas Unvorhergesehenes, selbst wenn Du nichts dafür kannst. Dann ist Rot nicht Rot sondern Schwarz und Schwarz ist trotzdem zwischendurch falsch.

Manchmal bekommst Du etwas gesagt, das Dich verletzt, was Dein Gegenüber entweder nicht beabsichtigt hat, es als reine Tatsache ansieht (was mitunter auch so ist) und nicht verletzend gemeint hat oder die Aufnahme der Aussage bei Dir nicht mitbekommt, weil es ein Gefühl ist, welche DU empfindest, nicht Dein Partner. Mit der Zeit ist es zu verstehen, auch wenn es im Augenblick schmerzen kann.

Das hört sich vielleicht alles „schlimmer“ an, als es eigentlich ist, denn jeder von uns ist ein Mensch mit besonderen Fähigkeiten , Eigenarten, Eigenheiten oder Wesensmerkmalen, die wir am Partner lieben und JA, auch nach dem Wegfall der sprichwörtlichen „Rosaroten Brille“. Denn Du bist nun mit einem Menschen zusammen, der von Grund auf ehrlich ist, der Dir immer die Wahrheit sagt, der Dir nichts verschweigt und Dich so annimmt wie Du bist und dem Du garantiert einhundert Prozent vertrauen kannst und der Dir treu ist.

In dem Zusammenhang fällt mir ein Satz ein, warum die Menschen selten dass sagen was sie meinen und drum herum reden oder lügen – wie einfacher und direkter und ehrlicher wäre die Welt?
(Mitunter dann grausam – meine Meinung, auch wenn ich die Ansicht teile)

Wie ich die Partnerschaft, die „Beziehung“ oder das Zusammenleben auch bezeichnen mag, wenn ich jemals die Liebe beschreiben soll, dann ist es das, die Person mit der ich lachen und weinen kann, die von sich selber behauptet nicht romantisch zu sein und es doch in vielen kleinen Dingen ist, der ich absolut vertraue, die sich an alltäglichen Dingen begeistern kann, die mich jeden Tag aufs Neue berührt, die mich auch nach Jahren immer wieder überrascht, von der Du lernen kannst und die der Liebe eine eigene Definition gegeben hat – ebenso tiefgründig wie auch einfach und tausendfach fühlbar:

Ich hab Dich lieb… ♥

*noch einige kleine Anmerkungen von der autistischen Person: Eine Inselbegabung haben die wenigsten Autist:innen und nicht jede:r mit Inselbegabung ist Autist:in. Autismus kann von Minder- bis Hochbegabung vorliegen. Autist:innen haben ein oder mehrere Spezialinteressen, das kann jedes Thema betreffen.

Autismus Erfahrung: zum „weiblichen Autismus“ in sexistischer Gesellschaft

Die Diagnosekriterien sind nicht abhängig vom Geschlecht. Die zentralen Kriterien, auch „Symptomtrias“ genannt, die immer gegeben sein müssen sind: Stereotypes und repetitives Verhalten/Bewegungen, eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit/Sprache, eingeschränkte soziale Interaktion/zwischenmenschliche Beziehungen.

Und das ist durchaus korrekt so, ebenfalls wissenschaftlich belegt. Gut und schlecht. Warum? Und warum werden Frauen dann seltener und oft erst spät diagnostiziert? Nun, weil Fachärzte (jetzt hackt sie wieder auf den Fachärzten herum ;-)) oftmals noch im Zeitalter von Hans Asperger feststecken. Denn selbstverständlich können (nicht müssen) diese drei Kriterien, welche erfüllt sein müssen, ganz unterschiedlich in Erscheinung treten. Und Frauen sind da schlichtweg unsichtbarer. Und das liegt am Frauenbild, an dem, was von Frau eben so verlangt wird. Klar, das Bild von der braven Hausfrau hinterm Herd ist nicht mehr so häufig präsent, aber das muss es auch gar nicht.

Es genügt, dass Mädchen eher wohlerzogen wirken müssen, während Jungs eben auch mal Jungs sein dürfen. Wenn ein Mädchen ausflippt, dann ist es ne kleine Zicke. Wenn ein Junge ausflippt, ist er eben ein Junge, der mal Junge sein darf. In Erziehungsthemen bin ich nicht allzu bewandert, das was ich aber am Rande so mitbekomme ist, dass sich dieses gerade hier und da ändert.

Die erwachsenen Frauen haben das aber noch so gelernt. Man nimmt zum Beispiel in Fachkreisen an, dass sich Spezialinteressen auf Naturwissenschaften beziehen (müssen), bzw. auf andere (typische) Männerdomänen (klassisch auch Programmierer, IT-ler). Und so könnte es zum Beispiel sein, dass eine Autistin den ganzen Tag näht, sich schminkt und die perfekte Bügelstrategie entwickelt. Klingt scherzhaft, ist aber absolut möglich. Weibliche Autisten sind häufig im künstlerischen Bereich anzutreffen, so auch ich. Wobei ich persönlich auch nicht an der typischen Naturwissenschaft vorbeigekommen bin. In unserer sexistischen Gesellschaft ist es aber eben oft noch so, dass Männer dieses ausleben können, frei darauf hinarbeiten können, auch beruflich, während Frauen lieber was anderes machen sollen. Am besten etwas, was Raum für Kinder lässt. Schließlich sind Frauen unterm Strich dafür da.

Ja, das erlebe ich oft. Geschockte Menschen, die es nicht verstehen können, dass ich kein Interesse daran habe, einen Stall voll Kinder zu hüten. Man ist als Frau tatsächlich ein bisschen weniger Wert.

Mir sind schon einige autistische Mütter begegnet, die ihre Kinder selbstverständlich lieben und sich gut um sie kümmern, aber kaum mehr Zeit mehr für sich selbst haben (und vielleicht für Interessen, die nicht „typisch weiblich“ sind. Für eine Autistin kann das sehr zermürbend sein. Und genau das interessiert dann kaum jemanden, denn sie hat ja ihren Soll erfüllt. Natürlich gibt es auch Autist:innen mit Kinderwunsch, vielleicht sogar als (weiteres untypisches) Spezialinteresse, und selbst für mich wär’s inzwischen wohl ok. Aber eben nur ok.

Für männliche Diagnostiker, bzw. für Diagnostiker:innen, die sich am typischen (männlichen) Autismus orientieren, ist dieser weibliche Autismus eben aufgrund unserer sexistischen Gesellschaft oft nicht leicht zu erkennen. Weil es anders aussehen kann. Zum Beispiel statt „ausflippen/rumschreien“ (Jungs) „schweigen/Schüchternheit“ (Mädchen)

Trotzdem müssen die oben genannten Symptomtrias vorhanden sein. Wie auch immer sie in Erscheinung treten.

Autismus Erfahrung: In der anderen Welt

Viele Autist:innen spielen gern Videospiele oder begeben sich in irgendeine andere beliebige Welt, in der sie erfolgreich sein können. Und das macht Sinn. Denn als Autistin mache ich, wann immer ich aus meiner Welt in die Welt begebe, die ihr wohl als „echte“ Welt bezeichnen würdet, die Erfahrung, nicht hineinzupassen. Dementsprechend bleiben Erfolge aus. Und auch ein autistisches Gehirn reagiert positiv auf Erfolgserlebnisse.

In Videospielen wäre das zum Beispiel das Aufsteigen in Levels, das schaffen von schwierigen Stellen im Spiel. Nun, ich spiele nicht mehr so oft Videospiele. Aber auch bei Brettspielen oder Kartenspielen bin ich eine wahnsinnig schlechte Verliererin. Als Kind, Jugendliche endete ein Spiel, wenn ich verloren habe, stets in einem Wutausbruch. Inzwischen kann ich gut so tun, als ob ich verlieren könnte. Ich bin aber noch immer eine schlechte Gewinnerin.

Die eigene Welt ist nahezu perfekt eingerichtet und an die eigenen Bedürfnisse angepasst. Soziale Kontakte sind zwar wichtig, aber ich persönlich kann darauf weitestgehend verzichten. Eben weil alles da draußen irgendwie in einem sozialen Kontakt endet. Na, selbst einkaufen beinhaltet ein oder zwei ausgetauschte Worte.

In der eigenen Welt, oder eben in Videospielen, gibt es klare Regeln, es funktioniert dort so und nicht anders. Manches Videospiel könnte ich mit verbundenen Augen ohne Probleme durchspielen. Es funktioniert immer gleich. In dieser echten Welt verstehe ich gar nichts und das kann ich allenfalls gut vertuschen. Die Menschen darin verhalten sich wahnsinnig willkürlich.

Und als Autist hat man dann die niemals endende Aufgabe, im Kopf für jede Eventualität einen Plan zu haben. Das ist unfassbar anstrengend. Und nach außen wirkt man dann wieder meistens ganz normal. Was ebenfalls anstrengend ist. Menschen bewegen sich kreuz und quer, fühlen heute dies und morgen was ganz anderes. Dann ist wieder jemand sauer auf mich, weil ich irgendwas getan oder nicht getan habe. Und dann redet man mit jemandem, der sagt: „schau mir in die Augen, wenn ich mit dir rede.“ Und am Ende steht man als dummer Mensch da. Dabei funktioniert man einfach nur anders.

In dieser neurotypischen Welt kann ich mich sehr schwer selbst einschätzen. Da gehe ich generell vom Schlimmsten aus. Das ist kein schönes Gefühl. Ich verstehe nicht, was richtig oder falsch ist in der Kommunikation allgemein. Menschen senden Signale, die ich nicht verstehe. Und dann wieder ganz andere. (btw: ein eigens programmierter Roboter wär n toller Freund.)

Ein großer Teil dieser anderen Welt ist bei mir das Schreiben. Aber da hat jede/r Autist/in andere Vorlieben.

Menschen neigen in der Regel nicht dazu, Dinge ausführlich zu erklären, Dinge einfach zu sagen und schon gar nicht dazu, systematisch zu funktionieren. Sie sind eben willkürlich und meistens nicht 100% ehrlich. Es ist leichter in diese andere Welt zu gehen, statt in dieser „echten“ Welt, in der scheinbar nichts funktioniert. Und ich sage zwar, dass ich Menschen hasse, aber so richtig stimmt das nicht. Ich verstehe sie nur einfach meistens nicht, obwohl ich das gern würde. Und genauso hätte ich es manchmal gern, dass mich jemand wirklich begreift.

(Trotzdem habe ich die Schwächen ausgekundschaftet, falls mein Heimatplanet ein Raumschiff entsendet, das mich abholt. ;-))

Soziale Interaktionen sind also selten von Erfolg gekrönt. Und deshalb ist die eigene Welt so viel schöner. Nun, ob das so gesund ist? Ja und nein. Es kommt drauf an. Denn manchmal muss man in die „echte“ Welt, man muss dort funktionieren. Bei den einen klappt das besser, bei den anderen schlechter. Als jemand, der extrem viel in der eigenen Welt ist kann ich aber sagen, es ist nicht immer schön, dort sein zu müssen. Manchmal ist es einfach nur leichter – erfolgreicher. Für mich ist meine Welt eine echte Welt, die Welt da draußen gleicht eher einem Haufen von Falschheiten, einem Kasperletheater. Was anderes ist mir jedenfalls noch nicht langfristig begegnet.

Aber ich sehne mich zumindest nach dieser echten Welt, die beständig funktioniert (im Bezug auf Menschen und alles was einen Menschen ausmacht) und eine Sprache spricht, die ich verstehe. Ich könnte mir aber auch ein fliegendes Spaghettimonster wünschen. Ist ja quasi das Selbe. 😉

Autismus Erfahrung: Kurzfilm(e) zur autistischen Wahrnehmung

Ich richte diesen Beitrag vor allem an Menschen, die nicht autistisch sind. Ich halte es sehr einfach und kurz, ihr müsst nicht lesen, nur zuschauen. Es handelt sich um drei sehr kurze Kurzfilme. Ich küsse eure Herzen schon, wenn ihr nur ein Video anschaut. Wenn kurz hingeschaut wird. Wenn es nicht egal ist. Denn genau das ist oft das Gefühl. Egal zu sein.

Hier finde ich das Ende sehr einfühlsam. Die Wahrnehmung ist hier aber auch mit am besten dargestellt.
Hier kann man sehr gut sehen, weshalb so oft gesagt wird: „du siehst ja gar nicht autistisch aus“. Dabei ist es so unglaublich anstrengend, einen Tag, jeden Tag, irgendwie herumzukriegen. Autisten haben übrigens ein erhöhtes Risiko (6x so hoch) Suizidgedanken zu entwickeln.

Autisten sind nicht schlecht erzogen. Es ist einfach nur alles zu viel.

Ich brauche keine sozialen Kontakte. Ich bin viel glücklicher ohne. Bin glücklich in meiner Welt. Und genau das finde ich sehr traurig. Ich wäre gern sicher und zufrieden in der Welt da draußen.

Autismus Erfahrung: zum verzweifeln

Ich verzweifle ziemlich an der Kommunikation mit anderen Menschen. Genauer geht es mir hier um die Menge und zweitrangig auch um den Inhalt. Es ist mir noch nie passiert, obwohl ich grundsätzlich darauf hinweise, dass man mir sagt, wann ich zu viel oder zu wenig rede/erzähle/schreibe. (Nur das ich ständig ins Wort falle oder Menschen nicht ausreden lasse, das wird mir ab und zu gesagt) Und für mich da auf ein angemessenes Maß zu kommen, ist nahezu unmöglich, denn jeder Mensch definiert dieses „normal“ für sich anders. Nun kommunizieren die Menschen das aber nicht, nein, ich sollte das intuitiv wissen. Einen Scheiß weiß ich. Ja, mich macht das wütend. Weil es so leicht wäre, diese Barriere etwas zu erleichtern, indem man mir sagt, wie die Kommunikation angenehm empfunden wird.

Nun arbeite ich gerade daran, keine Fragen zu beantworten, wenn danach nicht gefragt wurde. Sprich: frei erzählen. Ich merke aber, dass auch das nicht gut zu sein scheint und es wirkt wohl desinteressiert, wenn man nicht frei erzählt (oder auch auf Fragen nur knapp antwortet). Dann ist man wütend (oder irgendwas) auf mich, obwohl ich gar nicht weiß, was ich überhaupt mache. Diese Direktheit/Ehrlichkeit ist aber auch nicht gut, selbst wenn ich sie versuche so emphatisch wie möglich zu verpacken. Da verstricke ich mich in Gedanken, zerdenke jedes Wort mehrfach und das, was dann dabei herauskommt, scheint auch oft falsch zu sein.

Ich bin im Grunde an einem Punkt, an dem ich gar nicht mehr mag, mit Menschen zu reden, weil man es ihnen ohnehin nicht recht machen kann. Was zu viel oder zu wenig ist begreife ich nicht. ‚Sag mir einfach was du hören willst, dann sage ich es dir.‘ Das scheint mir die leichteste Variante zu sein. Die ist aber auch nicht gut. Außerdem habe ich darauf keine Lust. Es kann doch nicht so schwer sein, direkt zu kommunizieren, was einem nicht passt. Das vermeidet Missverständnisse und man kann einen Mittelweg finden, den beide Kommunikationspartner gut finden (oder eben nicht).

Zweitrangig kommt dann noch zu viel oder zu wenig Information hinzu. Seien es nun persönliche oder nicht persönliche. Fragen werden nur extrem selten präzise gestellt und ich weiß kaum, was ich antworten soll. Das ist wie die Frage „wie geht’s dir?“ Ich kann sagen „gut“, oder einen zweistündigen Monolog halten.

Was aber auch noch etwas ist, das mich wütend stimmt. Menschen sind oftmals so verlogene Viecher. Sie erzählen keine Wahrheit und wollen keine Wahrheit hören. Wozu dann überhaupt reden? Ja, ich bin wirklich an einem Punkt, an dem ich mit niemandem mehr reden will, dieses ganze zwischenmenschliche ist das Kraftraubendste überhaupt. Ganz egal wie viel ich darüber lese und stets versuche korrekt (UND in meinem Sinne) zu reagieren, am Ende bleibt es individuell und ich mache gefühlt alles falsch. Den Quatsch kann ich mir sparen.