Frage

rhetorisch

Von Zeit zu Zeit, genau genommen mindestens einmal täglich, frage ich mich, was Menschen davon abhält, ehrlich und direkt zu sein. Ist es Angst? Angst sich oder Andere zu verletzen? Angst vor Zurückweisung, vor Ablehnung oder vor Konsequenzen? Hilft es langfristig sich selbst und/oder andere zu belügen oder Dinge zu verschweigen? Und ist das nicht furchtbar anstrengend und mühsam? Denken Menschen in der Regel nicht langfristig? Verdammt, ich weiß sogar schon, wie meine Beerdigung ablaufen soll. Wer hat dieses „zwischen den Zeilen“ erfunden? Für die Lyrik mag das nett sein, aber darüber hinaus… Ich habe sehr oft das Gefühl, dass jeder von jedem erwartet, Gedanken lesen zu können, während jeder weiß, dass es keiner kann. Es verschwendet Zeit und Energie.

Deswegen mag ich meine Katzen von allen am liebsten. Sie sind ehrlich, meist ohne, manchmal mit Krallen.

Fundament

Es sind die banalen Fragen,
die ich mit Kreide unter meine Haut schreibe.
Sie tragen das Ungewisse, den Geist,
das Unerwiderte, die Schwere,
das unter Eis verschlossene,
die Melancholie.

Da draußen
trägst du die Sonne mit dir herum,
aber das ist Fassade. Komisch,
dass sie nach all den Jahrzehnten
noch nicht bröckelt.

Eigentlich sollte das abschrecken.
Tut es das? Schließlich schleife
ich deinen Schatten wie eine Leiche
hinter mir her.

Hätte ich keine Angst vor dem Regen,
würde ich dich mit ein, zwei dicken Steinen
beschweren und dich ins Meer werfen.
Und deine Sonne würde ich behalten,
um mich endlich in dir zu wärmen.

Aber dann würde es regnen.
Und meine Kreide gemeinsam
mit dir ertrinken.

Und mit dir mein Fundament.

© Amy Herzog

Suche nach Land (Drabble-Dienstag)

Lyrix hat die Drabble-Parade wieder wachgerüttelt und ich mache sehr gerne mit. Ein Drabble besteht aus genau einhundert Worten, in denen drei Worte vorkommen müssen. An diesem Drabble-Dienstag sind es die Worte: Auge, Frage und Magnet.

Suche nach Land

Eine Frage lässt mich nicht einschlafen. Die Ungesagte, im Raum schwebende, die ziellos an die Decke starrt, dann wieder gen Himmel, in den Sternen suchend. So bleibt mein Auge zu viel Meer und deines das Land, schlafend unter einer dichten Nebeldecke. Treibe ohne Kompass übers Wasser mit einem Magnet in meiner Seele und der Sehnsucht im Hirn. Dein Hafen ist zum greifen nah, fände ich ein Wort. Schöpfe Nacht um Nacht die Hoffnung aus meinem Schiff, möchte nicht ertrinken. Noch nicht. Erst wenn ich einschlafe, kann ich es sehen. Dieses große Nichts, das Bilder malt, in denen wir leben können.

© Amy Herzog

Scherben

wie ich irrte
mich in den Gesängen
waren sie doch lieblich
zart – so folgten Schritte
schleichend durch die Scherben
deines Herzens – über Schnitte
brach mir Bein und Seele
schreibst du heiter
über deine Leere

schreitest weiter
und ich trage diese
schwere deines Herzens
wie mich Hoffnung trägt
und lauschend deinem Klang
wartend an warmen Sommer-
tagen, ersehne deine fragen
wie Jahrelang ein Herz
solch große Scherben
tragen kann

© Amy Herzog