jahre

Hingabe

Betrachtest mich nicht von außen
schneidest mein Fleisch auf
weidest meine Organe
füllst mich mit Mandarinen aus
du trägst ein schlichtes Hemd
riechst nach moosbewachsenem Holz
und in Jahrzehnte gekommene Bitterkeit
dein Arschloch hält auf Abstand
hast du doch nur viel mehr Angst vor mir
als ich vor’m schwarzen Loch

Meine Seele schläft getränkt
Methanol und Formaldehyd im Glas
die Staubdecke wärmt
dieses entblößt fristende Dasein
in deinem Nachtschrank

Mit so viel Hingabe
hast du nicht gerechnet
Versprechen kommt nicht in die Jahre
mein Liebster, der Wahre
vielleicht nicht mein ganzes Leben
doch hast nur du mein Wahres gesehen
das niemand dir entreißt
betrachtest mich nicht von außen
der, der mein Herz verspeist

© Amy Herzog

Gedicht von Ferdinand von Saar

Wer einmal einen tiefen Schmerz erlitten,
Ist nicht mehr jung. Bis dahin war er’s,
Und hätte silberweiß sein Haar bereits
Den tiefgebeugten Scheitel ihm umglänzt.

Wer zählt die Jahre, wenn er glücklich ist?
Er lebt und weiß nicht, daß er lebt.
Der Schmerz erst ist die Grenze, wo wir weinend
Zurück und schaudernd vorwärts blicken.

© Ferdinand von Saar

Einsamer Tanz

bei abenddämmerung
tanzt sie vereint
mit hoffnung
schwebend
über der erde
entrinnen jahre
zugleich erscheint
das dasein
hellgrün
unter ihr
zu erblühen
das leuchtend gras
es beginnt
wie sie
zu lieben
den wind
voll anmut
auf ewig
traurig
allein

© Amy Herzog