Kurzgeschichte

Gepresst

Irgendwo bellt ein Hund, daneben schreit ein Mann zurück. Flüchtendes Kindergelächter auf den Straßen und zirpende Grillen im verbrannten Gras. Die Sonne entzieht sich meinem Horizont und die Dämmerung kühlt den Wind auf angenehme 26°. Nach und nach wird es ruhig um mich herum. So ruhig wie es in der Stadt eben wird, mit fahrenden Autos in der Ferne, die mit etwas Phantasie das Meeresrauschen aus dem letzten Urlaub imitieren.

In mir wird es auch ruhig. Gewohnte Gedanken kreisen ihre Runden durch die Vergangenheit, wie bei einem Schaufensterbummel nach Ladenschluss. Ein paar Träume links, verpasste Chancen in den untersten Regalen und die Neugier in den dunklen Ecken. Rechts spielt ein Straßenmusiker traurige Lieder auf seiner Gitarre und ich bleibe auf eine Zigarettenlänge stehen. Es ist faszinierend, wie die Tabakkrümel gepresst in ihrer kleinen Welt existieren, jedoch jeder für sich allein, zerbrechlich. Erst durch das Feuer verschmelzen sie zu einem kohärenten Konglomerat, das nach und nach zu Asche wird.

In jedem Anfang ruht die Mischung aus Vergänglichkeit und Ewigkeit. Wie weit ich komme ist schwer zu sagen. Ich suche nach einer Verbindung zwischen meinem Schaffen und der gepressten Welt, bevor wir zu Ende sind. Vielleicht wartest du hinter der nächsten Tür, vielleicht schaue ich zu schnell an dir vorbei. Und da sind wir dann auch so gepresst, jeder für sich allein. Müde endet die Nacht und ich zünde uns an, morgen, immer morgen, ja. Morgen zünde ich uns an.

© Amy Herzog

Ü30 Party

Mit meinen…ich halte mir die Hand vor den Mund und nuschele unverständlich eine Zahl in sie hinein…Jahren, merke ich so langsam, aber gewiss: Ich werde alt. So bin ich doch damals – und „damals“ klingt nach einer kleinen Ewigkeit, nach einer Zeit, in der ich den Euro noch nicht in DM umrechnen musste, um mich darüber zu beklagen, wie teuer doch alles geworden ist, weil es den Euro noch gar nicht gab – morgens um sechs Uhr aufgestanden, fit wie der sprichwörtliche Turnschuh, brauchte noch keinen Kaffee, um den Kadaver hochzufahren und hörte nicht das Knacken müder Knochen, spürte nicht das aneinander reiben angestrengter Gelenke und dachte nicht als erstes darüber nach, welches Verdauungstreibendes Frühstück mir wohl heute den Tag erleichtern wird. Es begrüßte mich lediglich die Sonne. Heute, so nehme ich an, bin ich beliebter geworden. Begrüßt mich doch nun auch mein Rücken und mein Körper, der flehend darum bittet, die Zubettgehzeit an die eines Kleinkindes anzugleichen.

Und so schleppe ich mich aus dem Bett, befinde mich nach drei Versuchen in einer leicht gebückten, beinahe aber aufrechten Position. Bereit zu starten – langsam. Schleiche mit zermatschtem Gesicht teilnahmslos Richtung Küche, zielstrebig steuere ich den besten Freund des Menschen an, streichle sanft entlang eines kleinen Knopfes und warte auf das schnurrende Geräusch, das mir sagt: Gleich gibt es Kaffee. Hach, so denke ich, wäre doch alles so leicht, nehme mir meinen Kaffee und setze mich auf die Couch. Die Couch, die Böse. Bequem, ja, eine Weile lang. Doch sinke ich mit jedem Schluck tiefer in sie hinein, werde mir jedoch der Tatsache bewusst, dass ich gleich wieder aufstehen muss. Damals, damals dachte ich nicht darüber nach. Heute bin ich überzeugt: Das ist Frühsport, der mir mit diesem Möbelstück aufgezwungen wird! Wieder.. Denn auch mein Bett hatte bereits diese Ambitionen.

Aber die Couch ist noch mal eine Sache für sich – eine olympische Disziplin fürs Alter im Home Office. Das Ziel: aus der tiefsitzenden Versunkenheit heraus freihändig in die stehende Position zu kommen. Und das mit nur einem Versuch! Puh. Manchmal klappt das sogar. Und dann blicke ich wie wild umher, rufe laut: „hast du das gesehen????“ „Was?“, murmelt es aus der Küche. „Na, ich brauchte nur einen Versuch!“ Ein Grummeln kommt zurück. – Ach, verdammt! Es ist wirklich mies, wenn dies keiner gesehen hat und löst sogleich den absolut leichtsinnigen Reflex in mir aus, diesen hochgradig komplexen Bewegungsablauf erneut bestehen zu können. Also setze ich mich wieder hin, starre freudestrahlend auf und sage hoffnungsvoll wie ein Kind, das zum ersten mal Fahrrad fährt: „Guck mal!“ Aber, wie das so ist, klappt es nicht. Wir schieben das dann auf den Vorzeigeeffekt, statt aufs Alter. Ein kleiner Trost für den Augenblick und ein festhalten am vorangegangenen Erfolg. Das Leben geht weiter.

Also gehe ich nach meinen zwei Versuchen wieder in der Aufrechten Richtung Küche, bereite mir meine Haferflocken samt Beeren zu einem altersgerechten Brei: die jungen Leute nennen das neudeutsch Porridge. Und setze all meine Hoffnungen in die darin enthaltenen Ballaststoffe. Aber keine Sorge! Notfalls steht ergänzend auch noch ein abartig schmeckender Pflaumensaft bereit, falls nicht einmal das dreißigmalige Kauen jeden ballaststoffhaltig gefüllten Löffels meiner Verdauung zuträglich sein wird. Doch für diese Gedanken ist es noch zu früh und überhaupt habe ich gar keine Zeit. Ich muss mich sputen! Immerhin ist es bereits sieben Uhr am Samstag und der erste Blick in den Spiegel gleich nach dem Aufstehen verriet mir das heutige Ziel: Ich muss einkaufen. Dringend!

Ich schleppe mich also wieder zurück ins Badezimmer, denke über eine belebende, leicht kühle Dusche nach, entkleide mich des Morgenmantels, friere umgehend, schalte die Fußbodenheizung an und stelle die Wassertemperatur dann doch lieber auf kuschelige 39° mit leicht steigender Tendenz. Anschließend entscheidet ein letzter prüfender Blick aus dem Fenster über meine Kleidung. Das Wetter ist demnach heute das, was damals die Mutter war, kann mir jedoch deutlich besser vorgaukeln, dass ich selbst entscheiden dürfte, wiege mich in der scheinbaren Gewissheit schon groß zu sein und schreite relativ selbstsicher zur Wohnungstür. In dieser steckt der Schlüssel, damit ich ich nicht vergesse…ein Schlüsseldienst kostet schließlich um die 200DM und wenn ich ein wenig angeflunkert werde, dann könnte mich die simple Türöffnung auch 500DM kosten.

Im Auto bemerke ich, dass ich tanken muss, der Preis hierfür liegt bei günstigen 3,66DM pro Liter – und beinhaltet ein Moment des Glücks, da sich ja meine Kosten bzgl. eines Schlüsseldienstes auf 0DM belaufen. 142,74DM später geht es mit aufgefülltem Tank weiter zum Drogeriemarkt. „Hach“, denke ich nostalgisch, „bei Schlecker oder Ihr Platz würde mich mein bevorstehender Einkauf nichts kosten“ Vielleicht haben diese Geschäfte deshalb nicht überlebt. Aber so sind die Dinge ja immer: vergänglich. „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“ – sing –

Auf meiner Strecke bemerke ich an einer roten Ampel am Straßenrand ein kleines Reklame Pappschild, befestigt mit Kabelbindern an einer Laterne. Alle Jahre wieder üblicherweise gespickt mit mal mehr und mal weniger gut durchdachten Flunkeleien bekannter und unbekannter Parteien. Was täten wir nur ohne den Massenansturm haltloser Wahlplakate. Aber befestigt sind sie gut mit diesen Kabelbindern. Dieses Schild enthielt aber einen gravierenden Fakt, eine Wahrheit, eine Party. – Ü30 Party – leuchtet mich in dick-gedruckten gelben Buchstaben auf rotem Grund an. Die Augen lassen nach…da muss es etwas auffälliger sein. Aber das kann ich dann doch noch lesen. Und ich überlege: „Hm, da dürftest du schon ’n Weilchen hingehen…hmmmmm…“ Womit habe ich das nur verdient, jaule ich wie ein einsamer Wolf melancholisch den Mond anheult tief in mich hinein. Werde aber sodann erleichtert: am 26.03.2023

„Ach, wie schade“, lächle ich fröhlich auf meinem weiteren Weg durch die Straßen: „verpasst“.

Natürlich kann ich ganz locker sagen, die Frage, die gelegentlich gestellt wird, einwandfrei beantworten…zumindest nach kurzer Überlegung. „Wie alt bist du denn?“, fragen die Leute. „Neunundzwanzig!“, antworte ich. „Wie lange denn schon?“ Nun, eine Weile, oder um es präziser auszudrücken: das geht dich ’n feuchten Scheißdreck an. Und in fünfzig Jahren, ich bin optimistisch, wird irgendein fremder katholischer Priester verkünden: „die Wege des Herrn erscheinen uns nicht immer logisch, manchmal gar grausam und wir alle fragen uns möglicherweise in Trauer: Warum musste diese junge, knackige, faltenfreie neunundzwanzigjährige Frau von uns gehen?“ So, oder so ähnlich. Ich möchte niemandem seinen Job erklären, aber das „knackig“ sollte in einer herzergreifenden Rede vorkommen und nicht verwechselt werden mit knackigen Knochen und einer künstlichen Hüfte.

Aber so weit möchte ich gerade nicht planen. Denn angekommen schreite ich in den Drogeriemarkt, kaufe Farbe für 20DM, schlängele mich durch den zwischenmenschlichen Kram, der mir zusätzlich zum bezahlen einen freundlichen Gesichtsausdruck samt des Wünschen eines schönen Tages abverlangt, krieche verausgabt zum Auto zurück, bemühe mich möglichst unsichtbar in meine Wohnung zurück, entspanne bei der zweiten und absolut verdienten Kaffeetasse auf dem Balkon und klatsche mir den Topf voll Farbe auf den Kopf: „Hach, gleich fünf Jahre jünger“, sage ich meinem Spiegelbild, während es in meinem Bauch langsam, aber pünktlich wie die deutsche Bahn zu blubbern und zu rumoren beginnt.

Einfach gestrickt

Ich wollte mal kurz so sein, wie die Mädchen aus meiner Schule. Die, die Jungs im Kopf hatten, Jungs und Make-Up. Jungs und Schuhe. Jungs und Mode. Die Mädchen, die darauf warteten, den perfekten Schuh zum weißen Kleid zu finden. Blumenschmuck und den Jungen dazu. Ich frage mich, ob sie gern stundenlang am Rande des Fußballfeldes standen, um ihren Jungen anzuhimmeln. Aber an diesem Tag wollte ich mal kurz so sein. Also ging ich los und klaute einen kleinen Kunststoffbehälter voll Lidschatten bei Ihr Platz für 5, 95€, schmierte mir das Zeug mit den Fingern auf die Lider, wusch es von mir selbst angewidert wieder ab und vergaß.

Diese Mädchen posten nun strahlende Familienbilder auf Facebook. Und ich hab eine Schwäche für jene Männer, die damals nicht angehimmelt wurden.

Diesen letzten Brief, den ich nie abschicke, während ich mir mit jedem Blick in den Spiegel ein wenig fremder werde.

Ja, sehr wahrscheinlich sind es die Texte, für die ich mich mindestens ein wenig schäme, die mir insgeheim die Liebsten sind. Voller Überzeugung setze ich dann ein #Fiktion darunter, obwohl sich doch stets gleich mehrere Menschen angesprochen fühlen, selbst wenn nur ein Mensch, na möglicherweise auch gar kein Mensch tatsächlich angesprochen ist. Wo doch Gedanken immer irgendwie Selbstgespräche sind. Vielleicht ist das alles nur ein Traum gewesen, vielleicht hab ich’s gesehen, als ich in der vergangenen Nacht am wolkenlosen Himmel einen klaren Blick auf die Sterne erhaschen konnte. Er könnte alles sein, dieser Text. Er könnte jeden Menschen ansprechen und mit jedem Weiteren wächst meine Scham darüber. Und wer weiß schon, was diese Menschen fühlen. Will ich das wissen? Möglicherweise, aber manche Dinge sollten ein Geheimnis bleiben.

Gleichzeitig sorgt so ein Hashtag fiktionaler Text für leichte Gewichtsschwankungen. Du weißt schon, die wachsende Scham im Kopf, wandernde Scherben in der Brust, meine linke Hand tänzelt voll Leichtigkeit über die Tastatur und die Rechte greift mit jedem Wort in die Salzstangenpackung und schaufelt diese Richtung Mund. Auf den Ohren singen Death Cab for Cutie in Dauerschleife „I Will Follow You Into the Dark“. Ein Teil in mir will dich dann, während mich der Großteil für unzurechnungsfähig erklärt. Der kleine Therapeut im Hirn sitzt daneben, starrt beide Teile an und tut so, als würde er sich noch Notizen machen, als hätte er mich nicht längst aufgegeben, dabei spielt er seit einer Ewigkeit nur noch TicTacToe gegen sich selbst. Und dann spiele ich TicTacToe gegen Google und gewinne in der zweiten Runde. Welch befriedigendes Gefühl.

Den Kopf zermartert habe ich mir, ob und was wohl von mir erwartet wird, weil ich diesen zwischenmenschlichen Scheißdreck ums verrecken nicht kann. Dabei ist die Antwort ganz leicht. Nichts. Gar nichts. Fresse halten, weiterziehen, nichts. Und meist bin ich durchaus bemüht genau das zu tun. Manchmal gar nicht so leicht. Es wimmelt doch nur so von diesen Sprüchen, die besagen: „Wenn dir etwas wichtig ist, dann musst du darum Kämpfen“. Was natürlich impliziert, dass es mir nicht wichtig wäre, wenn ich nicht kämpfe. Aber ist es nicht auch ein Beweis von Wichtigkeit, die Bedürfnisse Anderer zu respektieren, wenn diese nichts von dir wissen wollen, oder ist das nur die lahme Ausrede, um sein kampfloses Aufgeben zu rechtfertigen? Wie das so ist, diese fiktionalen Gedanken lassen sich im Grunde ewig weiterspinnen.

Dabei ist es doch so schwer zu begreifen. Denn ist mir etwas so wichtig, dass ich selbst vollkommen kraftlos noch immer kämpfen wollen würde, dieses Bedürfnis jedoch einfach so zu ignorieren, oder es zumindest tief in mir zu vergraben, nur um dem Bedürfnis des Anderen nachzukommen. Es ist schwer zu begreifen, vollkommen irrelevant, unsichtbar, gleichgültig, ein Staubkorn am Rande einer Landstraße zu sein für etwas, das einem wichtig ist. Ein einfaches „egal“ genügt da nicht. Und dann kann ich mich zwar ablenken, kann besoffen sein, damit es für kleine Augenblicke leicht ist, und trotzdem wache ich morgens nüchtern auf und denke als erstes an [hier Nähe einfügen].

Das Herz, das sich in meinem Kopf erhängt kann ich nicht einfach so auslöschen, dass das, was ich empfinde, für mich auch immer wahr ist, kann ich mir selbst nicht als Lüge verkaufen. Und dann tut es weh, trotz aller Hashtags Fiktion tut es unfassbar weh, jeden verdammten Tag so sehr. Umgeben von Haftnotizen schreibe ich dann an jedem dieser Tage eine Nachricht auf und ertrinke darin, doch wenn ich irgendwann vergessen habe, was mir jetzt gerade so wichtig ist, schreibe ich daraus am Ende ein dickes Buch. Und so wie ich diese Fiktion einschätze, auch noch ein, zwei, drei Fortsetzungen. Schreibe diese Wahrheit auf, die so laut schweigt, dass ich nicht schlafen kann, dass ich den Kummer des Tages in der Nacht ertränke, mich selbst dabei meistens verpasse und folglich auch uns. Und dabei jeden Tag dem Tod ganz nebenbei ein wenig näher trete.

Und bis dahin schäme ich mich, rein fiktional.

Ein Soziopath ist Liebe ist Tod

Die Sprache hat sich nicht verändert, nur der Wahrheitsgehalt schwankt zwischen dem Glauben und einer sterbenden Hoffnung. Und du, du fliegst irgendwie darüber her oder kriechst darunter durch, vielleicht stehst du auch in der Gegend herum oder machst einen entspannten Eindruck, während deine Gedanken im Lesesessel entgleisen. Aber du bist nicht verrückt, nein. Du bist nur verliebt. Und dann öffnest du dir eine Flasche Wein, weil doch immer irgendwo irgendjemand darüber predigt, dass man ausreichend trinken solle und die aufgerissene Schokoladentafel neben dir erscheint dir in diesen Zeiten wie eine geeignete Tagesmahlzeit.

Erinnern willst du dich und willst du nicht. Willst dich erinnern daran, was er dir gesagt hat, wie der Wind an diesem Tag gerochen hat, wie seine Mimik einmal die Welt umrundet hat, nur um dich zu erreichen. Jedes Wort sezierst du, jedes Küsschen-Smiley bei Nacht bringt dich ihm ein Stückchen näher. Und dann redest du von Liebe. Dabei ist ein Soziopath doch jemand, der dich nicht fühlt. Nicht deinen Schmerz, nicht deine Nähe, nicht deine Liebe, ja nicht mal deinen Hass, wenn du ihn aufbringen könntest. Und wenn er dir egal ist, dann ist da einfach nur nichts. Und das, ja, das versetzt dir dann doch wieder diesen Stich von hinten in den Rücken.

Jedes seiner gesprochenen Worte buchstabierst du dir gedanklich vor wie ein Diktat voll roter Tinte nach jeder Zeile. Schwebst noch immer hin und her, krabbelst darunter durch, betrachtest jeden Mikromillimeter von allen Seiten. Was ist Lüge, fragst du dich. Kann doch niemand so viel Lügen und ist dann jede Lüge zwangsläufig das Gegenteil der Wahrheit? Dann findet er dich nicht schön, nicht liebenswert, nicht begehrenswert, dann bist du allenfalls ein weiteres kleines Spielzeug, welches, wenn es nicht mehr wie gewünscht funktioniert, in einer dunklen Ecke langsam an Glanz verliert und verstaubt.

Dann willst du glauben und du willst nicht. Willst das Gegenteil von allem glauben, was er dir jemals gesagt hat, selbst wenn es dir weh tut, ist es doch die Wahrheit, die du liebst. Und wie kannst du ihn weiter lieben, wenn an ihm keine Wahrheit haftet. Da sitzt du also in deinem Lesesessel, schwebst über dir herum, betrachtest die halbleere Weinflasche und die angefressene Schokoladentafel. Draußen neigt sich die Sonne ihrem neuen Ende und du ersehnst den Mond, weil du weißt, dass ihr den Selben Mond sehen werdet. Wie oft hältst du dann seine Hand in den Schlaf ohne sie zu berühren? Und wie oft küsst du ihm die Stirn ohne zu wissen was er träumt? Dann vibriert dein Handy und reißt deine dämmernden Augen wieder auf. Weil die Sprache nicht verändert ist, nur dein Glaube daran wehrt sich dagegen, während dein Körper zitternd und zehrend all das unausgesprochene aufsaugt und deine Kraft samt Sonnenstrahlen schwindet.

Dann schwebst du nicht mehr, Honey, es ist dunkel und es würde niemandem auffallen, wenn du dir selbst auch ein Ende bereitest. Und damit meinst du selbstverständlich nur, dass es ihm nicht auffallen würde. Und einen Augenblick lang findest du diesen Gedanken tröstlich, weil der, der deinen Schmerz nicht spürt, deinen Schmerz auch gar nicht spüren soll. Tröstlich, weil du gar nicht willst, dass er leidet, weil er doch sich selbst spürt und du nicht weißt, was er fühlt, während er dich nicht fühlt. Dann wieder zu erschütternd, weil du selbst doch so leidest, wenn du über dir schwebst und statt dich in deinem Lesesessel zu sehen, nur noch eine verrottende Hülle siehst, die langsam mit deinem geliebten Lesesessel verschmilzt, bis die Nachbarn einen merkwürdigen Geruch im Treppenhaus melden.

Eine einsame Taube sitzt auf deiner Balkonbrüstung und sucht in den erfrorenen Pflanzen nach Brotkrumen. Ihr gurrendes Abendlied schwenkt deinen Blick gen Mond und verschwendet einen weiteren Gedanken zur Nacht. Und wieder ist das Letzte woran du vor dem Schlafen gehen denkst das, woran du gar nicht denken willst, die Sprache, die du gar nicht verstehen kannst, die Buchstaben, die seziert brach liegen und die Liebe, die eigentlich nur Schmerz ist. Weil sie doch schon morgens mit den Sonnenstrahlen deine Stirn als erstes Küssen, wie die wärmenden Lippen eines Geliebten, wie das letzte Wort, das überlebt hat und dich schweben lässt und lacht. Nacht.

Küsschen-Smiley.

Ich bin

Niemand kennt mich. Ich bin eine Existenz, ein Individuum, die sich selbst erzählende Geschichte einer wiederholten Wiederholung. Und ich bin es leid eine lächelnde Maske aufzusetzen, damit Andere sich wohler in meiner Gegenwart fühlen. Wer sind „die Anderen“ überhaupt, kenne ich die? Ich glaube nicht. Zumindest kennt mich niemand. Und manchmal ist der Unterschied zwischen dem Verlieren und Loslassen nicht spürbar oder nicht trennbar. Habe ich mich verloren oder nur die Maske losgelassen? Oder habe ich mich losgelassen und schlussendlich auch die Maske verloren? Ich weiß nicht, ob jemandem mein Lächeln wichtig war. So wichtig, dass sich jemand daran erinnert, dass es also in einer Erinnerung noch existiert. Aber wer soll „jemand“ sein, kenne ich den? Mich zumindest, kennt niemand mehr. Ich bin der Anfang meines vorangegangenen Endes, ich bin das Ende vor einer neuen Wiederholung. Ich existiere irgendwo, nur niemand kennt mich.

BuKo? BuKo. & Zahnfee.

Ich musste 31…kurz nachzählen…ja, 31 Jahre alt werden, um aus einem Video zu lernen bzw. zu erfahren, was ein BuKo ist. Habe ich das gebraucht? Nein. Werde ich es trotzdem nicht vergessen? Ja. Das ist ein Bums-Utensilien-Koffer. Im Grunde eine Handtasche mit entsprechendem Inhalt, falls man wen auf Tinder oder in ner Disco abschleppt und nun, das kommt jetzt wenig überraschend, Geschlechtsverkehr mit der abgeschleppten Person hat. Dazu fällt mir ein, dass ich sowas bisher nie gebraucht hätte, denn ich habe noch nie jemanden über ne Dating-App gedatet. Bin da irgendwie kurz stolz drauf, scheint heutzutage ne Leistung zu sein. Da bleibe ich auch weiterhin stark, oder irgendwas. Erfordert keine Stärke. Diese Gülle ist mir viel zu oberflächlich und oftmals auch zu hohl, wie ich allein durchs Schreiben erfahren habe.

Was kommt also rein? Wenn man bedenkt, dass die erweiterte Selbstbefriedigung, bei welcher man dann statt nem Satisfyer (falls ihr noch keinen habt, meine Damen, besorgt euch einen), einen wildfremden Menschen auf- oder unter sich hat, an jedem Ort stattfinden könnte? Parkbank, unter nem Baum, bei Ikea im Bällebad, auf einer McDonaldstoilette oder… keine Ahnung. Ich will es vermutlich auch nicht wissen. Also, man braucht Kondome. Frische Unterwäsche. Feuchttücher. Feuchttücher? Ersetzen diese eine Dusche? Oder? Gleitgel. Wofür ist das? Ist man nicht heiß genug auf den fremden Menschen? Warum hat man dann Sex damit? Egal. Die Pille. Glaub nicht, dass ich davon noch welche übrig habe. Hab die letzte vor 15 Jahren eingeworfen. Zahnbürste. Abschminktücher. Also, wenn ich Abschminktücher dabei habe, dann brauche ich den Rest nicht.

Sowas scheint ziemlich normal zu sein. Ich finde es traurig und kalt, weil ich ein Mensch bin, der sich aufgrund von Emotionen jemandem annähern möchte. Diese Grundlage von „siehst geil aus, komm poppen“ kann ich nicht teilen. Ich teile Menschen nicht ein in äußerlich schön oder hässlich. Menschen sind so abgestumpft, mir fehlen gerade sogar etwas die Worte. Ich mein, es ist mir total egal, wer mit wem und weshalb. Das einzige, was ich daraus lerne ist, dass ich noch vorsichtiger, noch distanzierter Menschen gegenüber sein muss, als ich es eh schon bin. Ich bin naiv, leichtgläubig. Glaube an Liebe was, wie ich herausgefunden habe, das Selbe ist, wie an die Zahnfee zu glauben.

Diese allgemeine Haltung der Menschen macht mich sprachlos. Die Zeit in der wir leben. Und das, was wir uns selbst antun. Eher sterbe ich tausend Tode an gebrochenem Herzen, als so ein Mensch zu sein.

Fremdgehen

Andere Frauen anschauen, hinterherschauen, hübsch finden, begehren, küssen, mit ihnen schlafen, mit ihnen schreiben oder telefonieren. Mit anderen Frauen ausgehen, feiern, weibliche Freunde haben. Flirten, gemeinsam lachen. Auf der Arbeit über andere Themen mit Kolleginnen reden, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. In der Öffentlichkeit andere Frauen nett anlächeln, freundlich zu weiblichen Servicekräften sein. Frauen ein Kompliment machen. Dinge, die laut einigen Damen im Internet als Fremdgehen angesehen werden.

Aber atmen darf Mann noch. Das hab ich nachgelesen.

Umgekehrt gelten im Grunde die selben Regeln. Ja, auch hier dürfen die Frauen in dem Fall noch atmen. Sich „hübsch“ machen für draußen, da wo andere einen anschauen könnten, ist aber auch ein Problem. Draußen also vielleicht besser nicht atmen. Ich weiß nicht. Bin da einfach jedes Mal geschockt, wenn ich so etwas lese.

Wenn man seinem Partner nicht vertraut, dann ist die Beziehung eh für die Tonne. Aber bei all diesen Regeln kommt es mir eher so vor, als würden die, die diese Regeln aufstellen, sich selbst nicht vertrauen. Unsicher seiner/ihrer Selbst sein. Nun, und wenn der Partner einen nicht mehr liebt, dann macht er doch eh, was er will bzw. in dem Fall was er nicht soll. Und mir fiele es schwer, jemanden dauerhaft zu lieben, der mir mehr Regeln aufstellt, als meine Mama damals. Und ich hab auch keine Lust die Mama eines erwachsenen Menschen zu sein.

Oft ist es auch so, dass nicht das gleiche Recht für alle gilt. Vermutlich weil wir da an unsere Grenzen stoßen oder diese gar überschreiten müssen. Über den Tellerrand schauen müssen. Und am Ende doch erfahren, dass nichts so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Da bin ich auch menschlich.

Ich kenne Beziehungen mit solchen Regeln. Sind Exen. Sicher funktionieren monogame Beziehungen, wenn das beide so möchten. Aber eine Beziehung kann doch nicht dauerhaft zufriedenstellen, wenn man mit dem Partner über nichts, was solch eine Regel brechen würde, reden kann, weil die Angst vor einem Donnerwetter zu groß ist. Und das über Jahrzehnte, na im schlimmsten Fall das ganze Leben über. Das viele Menschen ihren Partner betrügen bzw. belügen brauche ich nicht zu schreiben. Vermutlich liest das hier jemand, der seinen/ihren Partner schon betrogen hat.

Ich persönlich halte nichts von solchen Regeln. Aber auch nichts davon, seinen/ihren Partner um Erlaubnis bitten zu müssen. Es gibt nur eine Regel, die für mich nicht verhandelbar ist. Und diese hat im Grunde auch etwas damit zu tun, eben nicht um Erlaubnis zu bitten. Nämlich mit dem Partner über alles offen und ehrlich zu sprechen. Sich mitzuteilen. Nicht um Erlaubnis zu bitten. Sondern aufeinander einzugehen. Aufeinander zuzugehen. Ich finde nur lügen scheiße. Darüber hinaus finde ich jedes menschliche Bedürfnis und Gefühl valide. Bin doch selbst nur ein Mensch.

Warum sollte ich einem Menschen, noch dazu einem Menschen den ich liebe, das Mensch sein absprechen, wo ich selbst doch menschlich sein will.

Es geht gar nicht darum, nicht auch mal eifersüchtig zu sein, wütend zu sein oder keine Grenzen zu setzen. Aber wenn ich Grenzen setze, dann sind das meine Grenzen, nicht die meines Partners. Und wenn mein Partner anderer Meinung ist, dann ist das mein Problem. In einem offenen Gespräch, lassen sich diese Dinge, all diese Verbote aber regeln. Das geht tatsächlich. Und wie gesagt, jedes Gefühl, jede persönliche Grenze ist valide. Aber es sollte kommuniziert werden. Und wenn dann doch keine Einigung stattfinden kann. Nun, dann hat sich da niemand gegenseitig belogen, man findet lediglich heraus, dass man als Paar nicht zusammenpasst. Nur ohne jahrelangen Käse, den man sich innerhalb einer Partnerschaft bereitet, weil beide oder einer von beiden genau dieser Tatsache nicht begegnen möchte. Ist das dann auch betrügen? Sich selbst?

Was ist schon guter Sex

Ich meine, was ist schon guter Sex und wann ist er schlecht. Sofern man sich nicht schwallartig Erbrechen muss, sobald man den Anderen sieht und berührt, ist es wohl möglich aufeinander herumzuhoppeln. Technisch gesehen kann man also sagen, dass wenn das Ziel der Befriedigung erreicht worden ist, das Ganze dann gut ist. Oder? Ja, für den ein oder anderen Menschen mag das stimmen. Ein Hoch auf den Reiz von körperlichen Attributen. Und wenn diese Menschen die Heizung voll aufdrehen, hat es sogar etwas Warmes. Aber wirklich guter Sex hat rein gar nichts mit Sex zu tun. Auch nichts mit der Umgebungswärme, einer Technik oder dem Ziel der Befriedigung im Sinne des Orgasmus. Guter Sex entsteht in den Gedanken und endet dort, wie wir einem Menschen begegnen und wie wir ihn behandeln. Guter Sex beginnt mit dem offenlegen tiefer Gefühle und dem Teilen von Ängsten. Sich jemandem zu öffnen bedeutet nicht, die Hose auszuziehen und die Beine breit zu machen. Es bedeutet gemeinsam zu lachen und zu weinen. Es bedeutet den anderen Menschen so anzunehmen, wie er ist, es bedeutet zuzuhören und ehrlich zu sein. Es bedeutet die Dinge zu lieben, bei denen alle Anderen die Hände über’m Kopf zusammenschlagen. Und auch das zu respektieren, was wir nicht gut finden. Vertrauen darin zu haben, dass es unerheblich ist, ob wir müde sind, krank oder der Raum zu kalt ist. Es bedeutet sich so nahe zu sein, dass es heiß wird, ohne sich gegenseitig zu berühren. Guter Sex beginnt nicht bei einem geilen Arsch, dem jeder hinterherglotzt. Und Liebe auch nicht.

Guter Sex beginnt in den Abgründen, die niemand sehen will.

Ein stiller Krieg

Meine Beharrlichkeit in allen Ehren, sie ist nichts als ein stiller Krieg zwischen dem Drang mehr zu tun und der durchaus vorhandenen Erkenntnis, nichts mehr tun zu können. Ich kann nicht sagen, dass aus dem Nichts nicht auch Materie werden kann. Alles um mich herum, alles was ich sehen und nicht sehen kann beweist, dass aus dem Nichts alles entstehen kann. Oder vielleicht bereits entstanden, nur für mein Auge nicht oder noch nicht sichtbar geworden ist, während ein unbelehrbarer Schriftsteller eine Liebesgeschichte über die Hoffnung für die Hoffnungslosen schreibt. Den stillen Krieg also in allen Ehren. Obgleich er nicht weiß, wofür er eigentlich noch so beharrlich kämpft. Irgendwann hat irgendwer das erste Schwert erhoben und seitdem kreuzen sich die Klingen stumm. Zwischendurch bricht ein Stück aus mir heraus, hier und da bleibt eine Narbe, die meisten davon sind nicht sichtbar. Und doch sind sie alle da.

Einen langen Text habe ich darüber geschrieben, wie diese Geschichte weitergeht. Weitergeht und endet. Alle in mir legten ihre Schwerter nieder, ließen den Kampf los und philosophierten über das Aufgeben und nicht Aufgeben. Sind wir, bin ich ein Mensch der aufgibt, wenn er den Krieg beendet? Und warum reißt mir eben dieses niederlegen der Klingen das Fleisch von den Knochen? Wir bewegen uns also in einem Raum, der keiner Logik folgt, ein Raum, der alles und nichts zugleich ist oder sein kann & was genau dieser Raum ist, das weiß auch niemand. Er ist einfach nur da. Zu viel und zu wenig. Das bin ich. Ich bin einfach nur da. Die Beharrlichkeit in allen Ehren. Den langen Text darüber, wie diese Geschichte endet, habe ich gelöscht. Die Klingen kreuzen sich stumm bis zum letzten Stück. Die Summe meiner Teile im kleinsten Raum. Ich

Es kann nicht lyrisch werden

Es kann nicht lyrisch werden. Es kann nicht, wenn es sich anfühlt wie Dünnpfiff im Darm und Verstopfung im Hals. Und diese Herz auf Schmerz Reimpisse ertränkt sich selbst in Delirium und Schüttelfrost, während sich Unbekannt 1.odt – OpenOffice Writer darüber totlacht, dass mir die Worte fehlen. Schweigend natürlich, schweigend. Und die Lichtschimmer zwischen meinen Fingern, behutsam berührt. Dann treibt es mir ein Lächeln aufs Gesicht und drückt die Tränen tiefer in die Magengrube. Hämatome zählen und Gefühle scheißen. Dehydriert. Der ohrenbetäubende Geruch von Verwesung fließt durch die Flure und ich ziehe den Schleierhut Richtung Beton. Die Zeilen ertränken sich selbst und die Ordnung der Gedanken gleich mit. Zitternde Hände, zitternde Knie, zitternder Körper. Schriftgröße sechzehn, damit es so groß aussieht, wie es sich anfühlt. Und dann wirkt doch alles nur wie eine einzige große Lüge, oder wie viele kleine Lügen, die in geselliger Runde Dynamit zum Nachtisch servieren. Einsturzgefahr küsst meine Ohnmacht in den letzten Albtraum. Und ich will mich ja evakuieren, aber es kann nicht lyrisch werden. Es kann nicht, weil es so kalt ist. Und brennt.

Ein leeres Blatt & eine weiße Wand

Dann starre ich stundenlang eine weiße Wand oder ein leeres Blatt Papier an, den Stift in der Hand und im Begriff all das aufzuschreiben, was ich gerade denke, was ich empfinde. All das aufzuschreiben, was gerade so unfassbar schlimm ist. Dass was wütet, kratzt, frisst und zerreißt. Tiefer und tiefer sinken meine Gedanken, die Sonne geht auf oder unter. Wer weiß das schon so genau, wenn das Wetter so grau ist. Das leise Brummen des Computers gegen den rauschenden Wind hinter den Fensterscheiben. Und mittendrin ich – starrend an die weiße Wand, den Stift noch immer in der Hand, das Blatt noch immer leer. – Du müsstest etwas tun – denke ich irgendwann. Irgendwas. Egal was. Und bevor ich aufstehe und „etwas tue“, falle ich wieder in meine Gedanken zurück. – Du musst sie aufschreiben – sage ich mir, mit dem Stift in der Hand. – Jetzt musst du, jetzt, wo es doch so schlimm ist, dass du es kaum aushältst. – Aber diese Starre, nichts als Starre, weiße Wände, ein leeres Blatt und der Stift in meiner Hand, der einfach nur um des halten willens gehalten wird. Und irgendwann wache ich auf, starre auf mein leeres Blatt und überlege, an was ich eigentlich gedacht habe. Da muss doch etwas gewesen sein, denke ich. All diese Stunden des Nachdenkens. All diese schlimmen Stunden, von denen ich zu Beginn noch dachte, dass ich sie nicht überstehe. Aber nichts. Nichts. Nichts als ein leeres Blatt und eine weiße Wand.

Unvollendet still.

Eine unvollendete Version einer Person, die sich im winterlichen Morgengrauen mit ner qualmenden Kippe auf den Lippen an die Balkonbrüstung einer Berliner Altbauwohnung eines Typen lehnt, dessen Namen ich mir nicht merken kann. Dazu eine Prada Cateye Sonnenbrille, roten Lippenstift und einen abgetragenen Poncho vom Flohmarkt um meinen frierenden Leib gewickelt. Irgendwie ist das dann so weit entfernt, wenn die aufgequollenen Augen verdeckt sind. Ein paar Tränen findet der Typ sicherlich nice, aber wochenlanges Geflenne, welches ich im konstanten Vollsuff zu ertränken versucht habe, hinterließ dann doch zu viel Tod in der Tiefe. Ich weiß auch nicht. Irgendwer hat das halbe Drehbuch verbrannt. Vielleicht war’s scheiße, vielleicht zu wahr um schön zu sein, ich weiß nicht. Aber irgendwas wäre es gewesen. Irgendwas. Und während ich die sieben oder acht Stockwerke auf die Menschenleere Seitenstraße hinunterschaue denke ich, dass in den meisten Köpfen der Tod die ultimative Flucht darstellt. In meinem Kopf ist es aber die Stille. Ich mein, wer gießt hier die vor sich hin sterbende Palme, wenn er im Urlaub ist? Und bügelt er seine Wäsche oder kommen ihm Unebenheiten gerade gelegen? Die Abwesenheit, während man selbst jedoch anwesend ist, diese Stille. Diese verdammte Stille, kurz bevor ein Wort gesprochen werden könnte. Nur könnte. Ja, das ist die ultimative Flucht. Ich mein, auf die ein oder andere Art wird doch immer gestorben. Und dann wird ein Weilchen getrauert oder auch nicht. Dennoch ist es unspektakulär tot zu sein. Nur um was trauert man, wenn es einfach nur still ist? All diese hättes, müsstes, könntes, solltes, wolltes im Morgengrauen. Schweben da so ziellos umher und ich weiß noch immer nicht, wie ich den Typen ansprechen soll, ohne einen völlig abnormen Satzbau zu kreieren, der meinen Hirnfrost schlecht kaschiert.

Es liegt nicht an dir, es liegt an mir.

Es liegt nicht an dir, es liegt an mir. Das ist eben mein Talent. Menschen vertreiben. Mit dem was ich tue, wie ich mich bewege, was ich ausstrahle, mit meinem Duft, mit dem was ich sage, aber vor allem mit dem, was ich empfinde, mit den Gefühlen, die ich ausbreite wie eine zuckerwatteweiche Schneedecke über der Stadt. Wenn es einen roten Faden gibt, dann diesen & wenn du einen Schuldigen suchst, dann schau mich an. Dabei ist es gar nicht mal das schlechteste Talent, das man haben kann. Es hält die Arschlochmenschen fern und ich habe meine Ruhe. Manchmal kommt dennoch die Sehnsucht auf, ausnahmsweise einen Menschen nicht vertreiben zu wollen & dann will ich alles richtig machen, wo ich doch genau weiß, dass alles nur falsch sein kann, weil es das immer war. Und dann tue ich einen Moment lang so, als wüsste ich das nicht, tue so, als wäre ich ein Mensch, der dieses Talent nicht besitzt. Nur um wieder an dem Punkt zu landen, an dem ich genau weiß, dass es nicht an dir, sondern an mir liegt. Und eigentlich habe ich dann wieder meine wohlverdiente Ruhe.

Nachruf

Dinge werden uninteressant, stauben in den Ecken ein, geraten in Vergessenheit oder gehen sie kaputt, ohne dass wir es merken. Manchmal ersetzen wir die Dinge und manchmal sind diese Dinge unwiederbringlich, nicht zu ersetzen und wir müssen loslassen, müssen vergessen, wir dürfen, können uns nur noch daran erinnern. Und manchmal, den Einzelnen betrifft das vielleicht nicht allzu oft im Leben, trifft all das auf einen Menschen zu. Auf einen Menschen, der unwiederbringlich irgendwo ist, nur nicht mehr bei uns. Einen Menschen der, bevor man ihm alles gesagt hat, was man ihm so gern gesagt hätte, einfach so weg ist. Ob nun verbrannt, verrottend unter der Erde, umherschwebend, im Himmel oder wo auch immer wir die Verstorbenen sehen möchten, er ist dennoch nicht mehr erreichbar. Keine Stimme im Ohr, kein Anruf, kein vibrierendes Handy, kein Brief, keine Postkarte und auch keine einsame Taube, die eine Notiz durch Wind und Wetter fliegt.

Das Einzige was uns bleibt, sind die Erinnerungen, welche, insofern sie schön sind, gar nicht traurig sind. Wenn man nicht darüber nachdenkt, dass uns dieser Mensch nie wieder begegnen wird. Selbst wenn uns dieser Verlust einer tatsächlichen Anwesenheit nur selten betrifft, so ist der Tod, das Sterben, allgegenwärtig. Nicht aufzuhalten. Hinauszuzögern, ja manchmal. Aber der Tod ist unsterblich und letztendlich auch durch nichts und niemanden zu verhindern. Eine gewisse Machtlosigkeit liegt darin, vielleicht fühlen wir sie, vielleicht auch die Erleichterung. Der Trauer sind da keine Grenzen gesetzt. Aber der Erinnerung auch nicht. Und so ist da eben doch noch eine Stimme im Ohr, ein Lächeln, eine Berührung, eine Liebe, die niemals genommen werden kann, selbst wenn das Leben mitten im Satz endet.

Authentizität

Tatsächlich steht hier niemand auf Authentizität. Du redest über mich hinweg & ich über dich. Wir über uns. Als stünden wir mit einer Kamera vor unserem Gespräch und riefen uns laut -Cheese- zu. Und dann sitzen wir da, die Schultern zurück, den Bauch rein, die Mundwinkel nach oben & in der Stille schleicht die Hoffnung herum, dass wir nicht sehen, was wir w i r k l i c h denken. Dabei will ich wissen, was du in den langen Pausenblöcken denkst. In den Minuten, die mir wie ganze Nächte vorkommen, wenn du mich nur anstarrst und atmest, wenn du deine Hände langsam aneinander reibst und deine Zunge zwischen deinen zusammengepressten Lippen entlanggleitet. Statt zu fragen, was du w i r k l i c h denkst, lächle ich und starre zurück, weil ich das Bild von uns nicht ruinieren möchte. In meinen Gedanken schreibe ich derweil einen langen melodramatischen Brief über die Unerträglichkeit von Nähe und Distanz. Mein Blick schweift ins Leere ab, das Lächeln schwindet einer Wahrheit. Ich lösche ihn wieder, stehe auf und gehe auf den Balkon, lehne mich an die Brüstung, schaue in die Ferne und rauche eine Zigarette. Ich bin authentisch und denke an n i c h t s.

So genau weiß ich das nicht.

So genau weiß ich das nicht. Wer zählt schon dieses X. Es ist immer ein Einschlafen, irgendwann & ein Aufwachen, dann auch irgendwann. So wie er mich festhält, will er dass ich ihn spüre. Aber ich sehe nur seine Arme. Scherzhaft sagt er mir, dass ich so kalt sei – die Oberfläche meiner Haut. Und dann beginne ich, aus Angst er könne auch mein Inneres spüren, zu zittern. Obwohl ich andererseits nicht davon ausgehe, dass ihn meine innere Kälte stören würde. Die Typen ergreifen doch ohnehin erst dann die Flucht, wenn ihnen Gefühle offenbart werden. Und solange da nichts ist, muss auch nichts flüchten. Es ist, was es ist, es kommt nirgends her und will nirgends hin. Nur Blicke, Arme, ruhige Gespräche, der Duft einer erloschenen Kerze, weiße Flecken im Bett, einschlafen & aufwachen. Und das Ganze mal X. So genau weiß ich das nicht. Und wie sollte ich schon einer dieser Menschen werden, bei denen man bleiben möchte. So ein Mensch mit Gefühlen, mit Tränen & anderen Klageliedern. So ein Mensch, der die Angst vor der eigenen Ehrlichkeit verlieren kann und den Ekel vor der empfundenen Liebe. Ein Mensch, der warm wird. So warm wie er. Aber dann ist es doch immer nur ein aber. Aber, aber, aber. Aber es war nett. Aber ich wäre gern ein Stein, der fällt, nicht die Feder, die eine Ewigkeit braucht. Jede Berührung haftet an mir, frisst sich in mich hinein & bleibt, wird ein Teil von mir. Ein hässliches Stück Fleisch aus allen je erfahrenen Berührungen. Ich hasse es. Hasse es ich zu sein, kalt, aber nicht wirklich kalt. Schrödingers Katze – zur Selben Zeit lebendig & tot. So genau weiß ich das nicht.

weil.

weil gesehenes nicht ungesehen, gehörtes nicht ungehört und gelesenes nicht ungelesen gemacht werden kann. und ja, vielleicht habe ich schon ganz andere dinge ausgehalten, aushalten müssen. und manchmal auch schlicht und ergreifend überlebt. das bedeutet jedoch nicht, dass ich weniger schlimmes sehen, hören oder lesen kann, dass ich es ertragen kann, weil es ja weniger schlimm ist, weniger schlimm sein könnte, vermutlich weniger schlimm sein wird. das bedeutet nur, dass ich schon zu vieles ertragen konnte und nun kaum mehr etwas von mir übrig ist, was noch ertragen kann.

© Amy Herzog

Ich ziehe mich aus.

Vielleicht liebe ich auf eine verschrobene Art, die dann nur niemand schnallt, und gewiss war ich Menschen zu nahe, die ich nicht geliebt habe, wer war das nicht? Aber die wollen nur, dass man sich auszieht. Na, dann zieh dich aus! Zieh mich aus & zerbrich an meiner geschundenen Oberfläche! Zieh mich aus, bevor ich mich selbst ausziehe! Schicht für Schicht, langsam, bis auf die Tiefe. Ich kann mich gut ausziehen, langsam, bis du mich schön findest. Aber nein, das willst du nicht. Du willst mich ausziehen & dann meine Tiefe messen. Aber auch dein Schwanz kommt nicht tief genug & dann bist du ernüchtert, weil du nichts Schönes gefunden hast. Weil du nie etwas Schönes findest, wenn du nur mit deinem Schwanz misst. Ich aber kann mich ausziehen, langsam, Schicht für Schicht ablösen, kann mich auflösen, unsichtbar werden, schön werden. Irgendwie bin ich dann übrig & nicht zugleich. Und dann wird es überwältigend. Aber du kannst es nicht sehen.

Verspätet.

Wieder steige ich an irgendeinem Bahnhof aus, nur um auf den Nächsten Zug zu warten. Dann gleich, eine halbe Stunde später, fahre ich weiter zu dir und behaupte, der Zug habe sich verspätet. Dabei sind es die Gespräche zwischen den anderen Rauchern die warten. Ich aber warte nicht. Richtig. Ich warte nicht, obwohl ich auf den Nächsten Zug warte. Zwischen unverständlichen Durchsagen, langgezogenen Gesichtern und leeren Blicken kommt es mir nur in diesem Augenblick so vor, als würde ich auf nichts und niemanden warten, keine Sehnsucht verspüren, niemanden verlassen, niemanden besuchen und nichts vermissen. Ich sitze einfach nur da, lasse die Zeit Zeit sein und lausche den mal oberflächlichen, selten tiefsinnigen Gesprächen. Dann bin ich kurz glücklich, weil ich nicht selbst gerade so ein oberflächliches Gespräch führen muss. Die einfahrenden Züge und die Hetzerei um mich herum erinnern mich daran, dass ich selbst so oft ein Mensch bin, der rennt. Aber jetzt nicht. Jetzt sitze ich nur hier, schreibe und denke an nichts. An niemanden und nichts.

Starr

Ich kann nicht. Ich kann nicht mehr ehrlich schreiben. Ich bin gerade so … überlagert. Starre liegt auf verpassten Anrufen. Wen soll ich beeindrucken, bin ja doch nicht schön. WhatsApp Nachrichten als Ranking für Wichtigkeit. Dein Chat ist immer nur Nachts an oberster Stelle. Dann willst du mich wieder, obwohl mir die Mischung aus Nähe und Distanz unerträglich ist. Aber unter dir sind die meisten Nachrichten. Ich lese, durchaus, aber erkenne mich nicht darin wieder, weil ich verändert bin. Zuerst hatte ich es nicht gemerkt, aber nun ist da so ein Brennen zwischen meinen Eingeweiden. Natürlich könnte ich den Strom abstellen und damit auch die Frage, wie ich denn beeindrucken kann, wenn ich es doch offenkundig so dringend soll. Ich kann ignorieren. Oder so tun als ob. Stundenlang, Wochenlang, Jahrelang. Ich kann auch einfach nicht existieren. Existiere ich noch, wenn ich den Strom abstelle? Es ist mir zu kalt geworden in dieser Welt. Der Spruch „ein Mann sollte nicht schön sein, sondern einen großen Schw.. ein großes Herz haben!“ amüsiert mich inzwischen. Meine Temperatur habe ich angepasst, an diese kalte Welt. Jetzt, wo ich nicht mehr ehrlich schreiben kann. Wenn ich das täte, würde sie verbrennen. Dann würde ich verbrennen. Würde dich das beeindrucken? Verdammt, ich finde keine Worte. Ich kann nicht. Ich bin starr.

Wein um 21:00h

Oh ja, der ist trocken. Nun, laut Internet ist es in Perth gerade 21:00h, was, wie ich finde, die perfekte Uhrzeit für das größte Weinglas ist, das ich finden konnte, randvoll. Die Farben habe ich vorher gesehen. Erst lila, dann rot, orange durch die aufgequollenen Lider schleicht etwas Sonne auf mein nasses Gesicht. Ich fühle nichts, denke an nichts. Es tut einfach weh, irgendwas, nicht lokalisierbar, nicht näher definiert. Phantomschmerz. Vielleicht auch hormonell, bin ja ne Frau. Allein. Stundenlange peinliche Chats, in denen wir uns gegenseitig verarschen. Vielleicht verarsche auch nur ich. Was ist denn schon noch wahr. Mein Leben ist großartig. Na, sogar allabendlich ficken, damit ich einschlafen kann, kann ich. Hach, schlafen. Ist wie sterben, nur nicht lange genug. Oder einfach mal sein, spüren, existieren. Ich kann das. Leben. Ich habe keine Gefühle. Und wo liegt schon der Unterschied zwischen einem und zwei Gläsern Wein? Nur ein paar ausgetauschte Buchstaben, welche aber durchaus oft verwendet wurden. Recycling! Also gut für die Umwelt, ha! Ich frage einen der random Typen, weshalb er und die Anderen auf die kaputten, zerbrochenen Weiber stehen. Weil die leicht rumzukriegen sind, antwortet er. Klingt ehrlich. Und auch einleuchtend. Obwohl ich gerade auch bloß zu Zweien, naja sind wir ehrlich, zu Dreien ja sagen würde. Aber nur wenn sie nicht reden. Einer von ihnen hält mich für ne Schlampe. Das Wort ist so negativ behaftet, verstehe nicht warum. Nun, es stimmt auch nicht. In der heutigen Welt sowohl gut, als auch schlecht. Kalte, schnelle Fickereien sind die Norm und erinnert mehr an nen Porno, als an irgendwas Liebevolles, an Gefühle. Hab das Gefühl an dieser Stelle ne Definition für die beiden Worte einfügen zu müssen, weil das schließlich schon Fremdworte sind. Nun, ich bin da vollkommen unfähig. Ich frag mich, was aus der Zeit geworden ist, in der man sich noch wirklich für einen Menschen interessiert hat, nicht für den Pimmel, nicht für die Fotze. Und wie wäre es mit statt nem Dick-Pic mal ne MRT Aufnahme vom Hirn? Bin ja nur neugierig. Wann war man zuletzt „geil“ auf das Wesen eines Menschen, auf die Seele, auf das Herz? Nun, ich war noch nie aus einem anderen Grund „geil“, sofern ein Mindestmaß an Grips dabei ist. Aber…das ist schon lange nicht mehr die Norm. Und da soll man nicht bekloppt werden. Da soll man nicht schon um 15:00h das erste Weinglas weggekippt haben. Wie, frag ich rhetorisch, wie.

grau

Das Fremde kommt dir so warm vor, dass du den Winter im Beton nicht mehr sehen kannst. Glatt geschmirgeltes Grau aus deiner Sehnsucht in dein Bett. Ist nur nie genug und du wunderst dich warum. Milchglasaugen zum Abendbrot und Träume geben dir den letzten Halt. Die Liebe ist allenfalls ein Déjà-vu und irgendein Lächeln lebt in deiner Erinnerung. Was davon ist noch wahr? Und ist das noch ein Leben? Auch du bist schon lange nicht mehr offen, vielleicht warst du es auch nie wirklich. Offen sein bedeutet Scherben fressen und Blut scheißen. Das Fremde jedoch leckt sich wie ein Eis im Sommer, schmeckt nach Plastik, erfrischt trotzdem mal kurz. Vielleicht ein bisschen Hirnfrost für’s Gefühl, aber bitte nicht zu tief.

Kafka

Kafkas: „Von wo also ich es auch ansehe, immer wieder zeigt sich und dabei bleibe ich, dass, wenn ich mit der Hand auch nur ganz leicht diese kleine Sache verdeckt halte, ich noch sehr lange, ungestört von der Welt, mein bisheriges Leben ruhig werde fortsetzen dürfen, trotz allen Tobens der Frau.“ kommt einem kurzen Schulterzucken gleich, welches am Ende einer Geschichte statt des Weinens vollzogen wird. Nur ein Schulterzucken. Und all die Gedanken davor, so lange sie dir auch vorgekommen sein mögen, weil sie sich Wochen, ja sogar Monate hingezogen haben, machen nur einen Sekundenbruchteil vor seinem Schulterzucken aus. Man könnte auch sagen, dass ihr schon vor dem ersten Atemzug gestorben seid, weshalb du jetzt so um Luft ringst wie ein ertrinkender auf hoher See. Sie ist eben zu viel, während sie gleichzeitig zu wenig ist und würde sie die Mitte finden, wäre sie nicht mehr sie selbst und du könntest sie nicht mehr anschauen. Aber sie ist auch ein Mensch, was immer schwer einzugestehen ist, diese Menschlichkeit, diese Menschlichkeit, die zu viel liebt, viel mehr, als sie es je beschreiben könnte. Und dann ist es leicht sich einzureden, dass sie all das, oder zumindest einen Teil davon, nur vortäuscht. Denn wer zum Teufel, wer, könnte dich so sehr lieben und weshalb? Es ist nicht so, dass du nicht liebenswert wärest, das bist du, das weißt du, aber so sehr? Nein. Das hat dich dein bisheriges Leben nicht gelehrt und deshalb weißt du nicht zu weinen, nicht mehr zu denken und folglich auch nicht mehr zu reden. Und deshalb zuckst du mit den Schultern, während du den Anblick ihrer Tränen, in jeder glänzt diese überwältigende Liebe, schweigend so sehr genießt.

*Zitat aus: die kleine Frau

schlaf.

Alleine schlafen ist das Beste. Keiner da der warm ist, schwitzt, schnarcht, atmet und andere diverse Geräusche von sich gibt. Keiner da der stört. Und ist man irgendwann endlich eingeschlafen, kommt mitten in der Nacht irgendwer an und fummelt. Meinetwegen hängt man abends noch vor der Glotze, unterhält sich oder nicht und geht dann ins Bett. Dann hat man vielleicht noch den besten Sex mit dem Menschen, dem man sein Leben anvertraut. Und dann schläft man in diesen warmen Armen ein, lauscht in der Nacht immer mal wieder nach, ob dieser Mensch noch atmet oder drückt ihm ein Kissen aufs Gesicht, weil er schnarcht. Oder man bekommt den Lachflash des Todes, weil dieser Mensch den lautesten Furz ever abgelassen hat. Dieses gemeinsame schlafen ist besser, so viel besser.

Liebesschnipsel

[…] „Weil Liebe nicht einschränken, sondern wachsen will.“ „Würdest du dich bitte in mich verlieben?“ „Ich weiß nicht, ich habe gerade Angst.“ „Warum? Sind es Menschen, denen du egal bist?“ „Nun, warum ist überhaupt irgendwas?“ „Traurig.“ „Ja.“ „Und warum?“ „Weil Liebe nicht perfekt sein muss, sondern aufrichtig, weil sie eine Sicherheit bietet, die man sich nicht erst verdienen muss.“ „Du verwendest Liebe und Sicherheit im Selben Satz?“ „Ja.“ „Das ist naiv.“ „Vielleicht, aber meine Liebe ist auch eine Entscheidung zu bleiben, selbst wenn ich gehen muss.“ „Warum musst du gehen?“ „Hmm“ „Wie kann man zeitgleich so offen und verschlossen sein?“ „Jahrelange Übung.“ „Hm, würdest du dich bitte in mich verlieben?“ […]

sesshaft geworden

Du brauchst das Sesshafte, sagst du, ohne es laut auszusprechen, weil du sonst ganz aus dem Ruder läufst. Aber irgendwie, sag mal, irgendwie ist das Ganze auch ein falscher Film. Ein Remake, aus dem die guten Szenen herausgeschnitten wurden. Weil der ganze Suff, die tausend täglichen Tode nicht mehr tragbar waren. Weil du so nicht mehr tragbar warst. Für niemanden. Du brauchst es nicht laut auszusprechen, deine gelegentlichen Ausbrüche, die stets fruchtlos enden, genügen dir, nicht wahr? Mir genügen sie. Immer wieder diese kleinen Ausbrüche, gefolgt von tagelangem dahinvegetieren. Nicht mehr so offensichtlich, denn immerhin bist du sesshaft geworden. Du funktionierst. Meistens. Aber die Leidenschaft von damals, die ist weg. Das Wochenlange irgendwie am leben bleiben, das dir immer nur wie ein Augenblick vorkam, der in sich endlos erschien. Aber du bist sesshaft geworden, beinahe zum frommen Kirchgänger mutiert bist du. Und wenn du dann abends pünktlich dein Handwerk niederlegst, um dir die Zähne zu putzen, glotzt du dieser falschen Fratze in die Augen. Ich lebe, sagst du dir im Geiste. Irgendwie lebst du. Aber das Gefühl, wo ist das Gefühl dazu?

weil es sich bewährt hat.

Hat sich all die Jahre bewährt. So zu sein. So wie du. Es hält die Menschen auf Abstand. Die kommen gerade nah genug, um etwas Zeit totzuschlagen. Dann flüchten sie ganz von selbst. Vor dir. Dann redest du dir ein, dass das gut ist. Keine Enden. Keine Enttäuschungen. Kein wilder Regen in dir. Du schaltest die Musik und eine Wildrosenduftkerze an und den ganzen Scheiß um dich herum aus. Und dann liebst du die Sehnsucht. Liebst die Träume in der Nacht, selbst wenn sie schlecht sind. Weil es sich all die Jahre bewährt hat. So zu sein. Und die meiste Zeit glaubst du dir, dass dir das Außen egal ist, du hast dein Innen, dein chaotisches, zerrissenes Innen. Die gewohnten Geräusche, die sonst niemand hört. Die meiste Zeit glaubst du dir. Weil es sich bewährt hat.

Deine Arroganz.

Ich mag deine Arroganz, sie lässt mich lächeln. Ja, das ist nur eine deiner liebreizenden Charaktereigenschaften und damit meine ich selbstverständlich deine angeknackste Psyche, die die Weiber auf Abstand halten, sie aus deinem Bett vertreiben sollen. Aber mich juckt das nicht. Ich mag das. Denn ich bin da neulich so nem Typen begegnet, der kam mir nahe, es war unangenehm. Nah, so nah, dass ich seinen Schwanzabdruck noch an meinem rechten Unterarm spüre. Er war auch Arrogant, die ganze Zeit. Aber er hatte es nicht drauf. Er hatte es einfach nicht, obwohl er es hätte haben müssen. Er hätte es drauf haben müssen, verdammt! Der Typ geht mir nicht aus dem Kopf! Ich bin noch immer so angewidert und eigentlich mag ich ja auch das irgendwie. Aber so nicht! Dieser Geist war so leer, der Schock steht mir noch ins Gesicht geschrieben. Ein Gutes hatte dieser Typ jedoch, ich konnte erkennen. Erkennen, dass ich deine Arroganz mag.

Gedanken denken.

Das erste, was ich bei Menschen höre, ist ein Dialekt. Mag er noch so unauffällig sein, ich höre ihn heraus. Ich mag Dialekte, deshalb. Ich habe zwar nen Sprachfehler, aber keinen Dialekt…glaube ich. Aber meine Gedanken denke ich im Dialekt, meistens berlinerisch. Irgendwie wird dann alles so lockerflockig. Und wenn ich es witzig brauche, steige ich auf sächsisch um. Find ich einfach total knorke. Darüber komme ich auf das, worauf ich eigentlich hinaus will. Denken. Denken andere Menschen auch so? Denken sie gefühlt tausend Dinge gleichzeitig? In Bildern? In gesprochener Sprache? Und führen sie auch ominöse Selbstgespräche? Man sagte mir, ich müsse mir erst Gedanken machen, wenn ich mir selbst antworte. Na was soll ich da sagen. Ich antworte mir ständig selbst. Wär doch anstrengend, wenn ich allein irgendwelche Menschen analysieren würde. Da mache ich das gedanklich lieber zu zweit. Ich kann da nichts machen, mein Gehirn steht auf analysieren. Es tut das einfach. Machen das andere Menschen auch? Und was ich mich auch frage, denn das habe ich auf irgendeinem Bildchen als Spruch gelesen: denken Menschen an jemanden zurück, wenn man an diesen Menschen sehr viel denkt? Zum Beispiel denke ich an einen Menschen sehr oft, denke aber auch, dass dieser Mensch sich wahrscheinlich nicht mal mehr an mich erinnert. Wäre doch irgendwie schön, wenn dieser Mensch genau das Selbe denkt. Ein bisschen traurig auch, weil es nur Gedanken sind. Kein beisammen sein. Aber wenn ich das auf sächsisch denke, wird’s schon wieder witzig. Ein freudiges Hoch auf unsere Dialekte. Ich find‘ sie alle toll.

Wen würden wir ohne Körper ficken?

Es tut mir nicht leid, was ich hier schreibe. Denn ich nenne das Kleingeist. Menschen, die sich an Fleisch aufgeilen. Also nicht das tierische, was auf’m Grill landet, sondern das Menschenfleisch zum bespielen. Bisschen Smalltalk und dann weg mit den Klamotten. Seltsame Vorstellung. Für mich abstoßend. Ich denke einfach nicht körperlich. Und da frage ich mich, würden wir plötzlich alle keinen Körper mehr haben, oder alle exakt den Selben, mit wem würden die genannten Kleingeister dann noch ficken? Ja, ich bin vom Schönheitsideal und dieser Oberflächlichkeit hart abgefuckt. Kann ich selbst nicht mithalten? Auch ja. Bin ich deshalb vielleicht hart abgefuckt? Vielleicht. Kann ich nicht beurteilen, weil ich nie einen anderen Körper hatte. Wäre ich im Inneren trotzdem der selbe Mensch, die selbe Seele? Ja. Wäre ich deshalb genauso abgefuckt? Mit Sicherheit.

Mir tun solche Menschen irgendwie leid. Ich fände es sehr einsam, die vielleicht nicht. Das weiß ich nicht. Ich komme selten langfristig mit solchen Menschen ins Gespräch. Die flüchten vor mir. Was praktisch ist, denn ich brauche so etwas nicht. Ich habe lieber eine wunderschöne Seele in meiner Nähe, als fünf Fleischhaufen in meinem Bett. Was fänden die Menschen eigentlich schön, wenn wir keine Körper (oder alle exakt den Selben Körper) hätten? Wie würde die Seele aussehen? Nun, ich stehe überhaupt gar nicht auf Kleingeister. Das ist nun quasi Oberflächlichkeit auf Seelenart. Nur ist im Grunde niemand wirklich nur Oberflächlich. Es ist bloß (für einige Menschen) einfacher einen schönen Körper zu sehen, als sich einer schönen Seele zu öffnen.

Wir kommen so nicht auf die Welt. Wir verlernen es nur, leben, werden verletzt, enttäuscht, geben auf. Und dann stürzt man sich auf den nächstbesten Körper und nennt das Nähe.

PS: Die Frage: „Was ist dein Typ?“ finde ich sehr merkwürdig. Bezieht sich eigentlich auf’s Aussehen. Schon klar. Hab nur keinen. Ich weiß, viele sagen das so daher…weshalb es kaum Bedeutung hat, wenn man es tatsächlich ernst meint, dass einem Körperlichkeiten egal sind. Das gibt doch irgendwie auch zu denken. Diese Bedeutungslosigkeit.

…das erinnert mich: hab früher gerne die Seelen der Menschen gemalt. Sollte ich mal wieder machen. 🙂

Schon wieder Liebe, immer Liebe.

Ich habe mal wieder, wie so oft, über die Liebe nachgedacht. Liebe soll ein schönes Gefühl sein, aber irgendwie ist sie, wenn sie da ist, einfach nur da. Diese Vertrautheit, Loyalität und im besten Fall auch die Ehrlichkeit. Und was da sonst noch so dazugehört. Aber erst wenn es schmerzt, so sehr, dass du dich wimmernd auf dem Badezimmerboden wiederfindest, den Tod herbei sehnend, dann muss es Liebe gewesen sein. Und dann ist es so, als würdest du den schönen Teil überspringen.

Verliebt war ich nie, nein. Dieses blinde Idealisieren durch die rosarote Brille. Schmetterlinge, weil der Mensch perfekt ist. Würg. Der Mensch ist nicht perfekt. Man blendet lediglich die Fehler aus, während der Andere alles daran setzt, diese zu verbergen. Aber ich bin ein Mensch, der ständig und alles beobachtet, analysiert und aus den kleinen beliebten Lügen eine Wahrheit formt. Eine hübsche Fassade geht mir ehrlich am Arsch vorbei. Ich betrachte das Gruselkabinett im Inneren, den angesammelten Messimüll, der mit einem freundlichen Lächeln überdeckt wird, während die Haustür nur einen Spalt weit geöffnet wird.

Auf dem Badezimmerboden, oder dem nächsten Boden, auf dem ich zusammenbrechen konnte, da lag ich bereits das ein oder andere Mal. Eigentlich lag ich da nur ein Mal so intensiv sterbend, um ehrlich zu sein. Und hätte mich niemand aufgehoben, läge ich da vielleicht noch heute, wartend auf den Tod. Nun, so sehr kann ich offenbar lieben. Fragezeichen. Ich weiß zwar nicht, was das ist, weil es einfach nur da ist, aber als es meinen Körper aufgefressen hat, wusste ich, dass das wohl Liebe gewesen sein muss. Aber das ist doch nicht erstrebenswert. Nicht so. Und niemandem würde es je wieder gelingen, so tief in mich einzudringen, sagte ich mir seinerzeit.

Gleichzeitig ist da die Sehnsucht in mir, dieses Gefühl, genau diese Intensität als das zu empfinden, was die Liebe angeblich sein soll. Schön. Ich würde also gerne schön auf dem Badezimmerboden zusammenbrechen. So, oder so ähnlich. Ob es das gibt, oder ob das nur eine Sehnsucht ist, die immer Sehnsucht bleiben wird, weiß ich nicht. Aber ich werde es irgendwann auf irgendeine Art herausfinden.

Flüchtig

„Wie geht es dir?“ Fragt er. Ich überlege kurz. „Irgendwie ist doch alles flüchtig.“ Er überlegt. „Wie lange kennen wir uns jetzt?“ Darauf erwartet er keine Antwort. „Wir sind nicht flüchtig!“ Sagt er weiter. Es sollte mich wohl beruhigen, dabei bin ich ruhig. „Aber wir hatten auch nie Zeit, stehen zu bleiben.“ Sage ich. Er atmet laut in den Hörer. Vielleicht findet er es traurig, vielleicht lag es an der Traurigkeit, die auf meiner Stimme liegt, vielleicht an der Kälte. „Du bist so weit weg von dir wie nie zuvor.“ „Ja.“ Ich habe gehofft, er merkt nicht, dass ich seine Frage nicht beantwortet habe, den Menschen fällt das gar nicht auf. Weil ihnen die Antwort egal ist. „Wie geht es dir? – habe ich dich gefragt.“ Dann mache ich dieses Spielchen eben mit. „Gut, und dir?“ „Warum lügst du?“ Was für eine dumme Frage. „Was willst du hören?“ Darauf erwarte ich keine Antwort. „Ich bin flüchtig, weil alles irgendwie flüchtig ist.“ Wieder Stille. „Ich ertrage diese Flüchtigkeit nicht mehr, ich nehme sie lediglich hin.“ Irgendwie wird es gerade angenehm schwer, dieses Gespräch und die Luft. „Und deshalb flüchtest du vor dir?“ „Nein, ich flüchte, weil nichts in mir flüchtig ist.“ Das passt nicht in diese flüchtige und im Grunde Gefühlstote kalte Welt. „Sollen wir darüber gemeinsam schweigen?“ „Ja.“

Ficken kann jeder.

Es ist nicht schwer, auf einer Bananenschale auszurutschen, mit der Kleidung versehentlich an einem aus der Wand hervorstehenden Nagel hängenzubleiben, sodass diese vom Leib fällt, zufällig ein passendes Gegenstück in Fallrichtung liegen zu haben, im selben Moment durch das schlagartig ausgestoßene Adrenalin eine wie auch immer geartete körperliche Erregung zu spüren und letztendlich in einer vor sich hinschwitzenden, verknoteten Verbindung stecken zu bleiben, während auf und ab Bewegungen nur deshalb zustande kommen, weil man ja immerhin schon etwas älter ist und nicht mehr nur ein Versuch genügt, um aufzustehen.

Klar, immer wieder nett. Ach, ich habe gar nicht vorgestellt: Nett ist die kleine Schwester von Scheiße. Was? Ihr kennt euch schon? Nun gut.

Ja, jetzt kommt irgendeiner daher, der eine, der immer kommt, der, der sagt: „Wenn du Sex so scheiße findest, dann hast du noch keinen guten gehabt.“ Na, das ist der Selbe, der sich dann beweisen will. Danke, aber nein danke. Ein bisschen Selbstachtung habe ich dann doch noch. Willst du was abhaben?

Nun aber weiter im Text. Ja. Die bisherigen Zeilen hätte ich mir sparen können. Der Titel genügt vollkommen. Aber mal ehrlich, die Vorstellung mit der Bananenschale ist doch irgendwie so real wie witzig. Ich frage mich, wie viele Menschen heute Nacht ausrutschen. Mit Absicht. Und ein paar, die hinterher dem Alkohol die Schuld geben. Soviel kann ich gar nicht saufen, damit solche Menschen schön für mich werden, deshalb versuche ich es gar nicht erst.

Was ich mich wirklich frage ist, wann waren wir, wann warst du, das letzte mal Emotional vollständig nackt? Dein Körper mag aussehen wie er eben aussieht. Da scheißt doch der Hund drauf. Viel interessanter ist, wie deine nackte Seele aussieht. Zwei vollständig geöffnete Seelen die ficken. Seltsame Vorstellung oder? An zwei Körper zu denken ist leicht. Ficken ist leicht. Ich kann in meinen Browser random Buchstaben eintippen und lande garantiert auf irgendeiner Pornoseite. Oder ich schaue in meinen Verlauf. Alles nackte Körper. Alles so unfassbar banal, ermüdend und an Irrelevanz nicht zu übertreffen. Zwei fickende Körper, wow. Von mir aus auch drei, vier, oder auf wie viele man auch steht. Ist total Latte. (Hihi, Latte..)

Btw: Schaut euch nen Porno aus den Achtzigern, Neunzigern an. Das ist noch Humor.

Aber nun weiter. Habt ihr euch inzwischen die zwei nackten Seelen vorgestellt? Diese vollkommen offenen nackten Emotionen, wie sie sich miteinander Verbinden, die Farben aller Universen, verschmelzen, sich hingeben, selbstlos schenken und ohne Zeit und Raum für immer eng umschlungen miteinander, ineinander tanzen? Habt ihr das mal gesehen? Schon mal erlebt? Mal ganz ehrlich, sind ja hier in unseren Gedanken unter uns.

Also ich nicht. Meine Seele war noch nie nackt. Die behält immer wenigstens den Schlübber an. Und ich fühle mich wie ne Jungfrau. Weil ich, ICH, noch nie nackt war. Ich kann es mir nicht einmal vorstellen. Aber das, was ich mir unter diesen zwei nackten ewig fickenden Seelen vorstelle, das ist schon, nun, alles übertreffend. Ich denke aber auch, dass es kaum mehr Menschen gibt, die sich vollständig entkleiden können. Und wenn das so ist, wie ich mir das vorstelle, dann ist das absolut nachvollziehbar. Man stelle sich vor, man ist also Seelenjungfrau, so nenne ich das mal und dann traut man sich mal einfach, sich auszuziehen, so viel Eier muss man erst mal haben, aber man traut sich das dann mal. Na und dann verbinden sich diese eine Seele und diese andere nackte Seele. Und dann? Tut das weh? Ist das schön? Und die wichtigste Frage: kann man das ohne Kassenzettel zurückgeben? Nein?

Wow. Schon erschreckend. Na, ficken ist leicht, aber sich selbst wirklich auszuziehen erscheint unmöglich. Zumindest für die Meisten. Ein Hoch also auf die Bananenschalen, gähn.

Ein Wunsch.

„Normal“ ist ein dehnbarer Begriff, schon klar. Soll nicht heißen, dass ich nicht normal bin, für meine Verhältnisse. Aber ich funktioniere eben anders. Das ist halt so. Aber das ist nicht der springende Punkt (ich, die nun an einen Punkt denkt, der auf und ab springt). Ich wäre gern in der Lage, die Sprache sprechen zu können, die von den meisten Menschen selbstverständlich gesprochen wird. Die wissen, wie man sich verhalten muss, wie man wann fühlen muss, was man sagen muss, sagen darf. Die wissen, was richtig ist, was falsch ist. Die wissen, was angebracht ist und was nicht. Wenn ich dann über Menschen nachdenke: „Ähm … [maximal verwirrendes Zeug einfügen] … ach egal.“ Und dann mache ich was interessanteres. Und doch, am Ende des Tages habe ich stets einen Teil der Fehler in und an mir gefunden, die ich eben so finden konnte. Ob das dann wirklich Fehler sind, weiß ich nicht. Muss ich mich entschuldigen, wenn ja, bei wem? Habe ich was falsches gesagt, getan, mich falsch gekleidet, bewegt, geatmet?

Diese Welt ist so unfassbar oberflächlich, alles muss perfekt sein, obwohl nichts perfekt ist. Es wird bewertet, ich werde bewertet, nur nach welchen Kriterien? Geht es ums Äußere? Da bin ich raus. Geht es ums Innere? Da bin ich auch raus. Am Ende nehme ich, ganz im Sinne meiner nicht vorhandenen Herzgesundheit, den ganzen Zirkus einfach hin. Eine andere Autistin gab mir mal den Ratschlag: „Betrachte Menschen wie Hunde.“ Das klingt erst mal fies, funktioniert in der Praxis aber manchmal recht gut. In diesem Wirrwarr aus ‚zu viel‘ und ‚zu wenig‘ (irgendein Oberpromathematiker kann das bestimmt definieren, ich gehöre nicht dazu) finde ich mich nicht zurecht. Ich lebe so vor mich hin und mache dabei mehr Fehler, als ich finden kann. Weil für andere irgendwas „normal“ ist, worüber ich nicht mal im Ansatz nachdenke. Und dann sagen die, ich wäre kompliziert. Scheiße, die sind kompliziert. Nichts für ungut. Ich weiß nicht, was normal ist, was richtig ist, aber wenn es eine Pille gäbe, die mich das für einen Moment wissen lässt, so wie die es intuitiv wissen, dann würde ich sie schlucken und nicht mal den Beipackzettel lesen.

Das wäre ein Wunsch.

stillstand

Dann ist da plötzlich diese Sehnsucht, die du dir so lange nicht erlaubt hast, weil du der Angst geglaubt hast. Und du glaubst ihr noch. Zwar stellt sie sich dir in den Weg, aber sie hilft dir auch, Nachts besser zu schlafen, während dich die Sehnsucht mit weit geöffneten Augen an die Decke starren lässt, irgendwo ins Leere, aber doch in eine Richtung, die dir eine Wahrheit über dich erzählt. Die große Wahrheit, diese diffuse, die erst dann wirklich wahr wird, wenn du sie aussprichst, wenn du sie jemandem erzählst. Nur ist da deine Angst, an die du mit Leibeskräften glaubst, an der du dich festkrallst, damit sie mit dir davonrennt, immer nur weiter rennt. Leben ist Bewegung, sagst du dir, Stillstand keine Option. Dann ist da plötzlich diese Sehnsucht, die große Wahrheit in dir, die Schweigende und du bist müde. Und das erste mal willst du stehen bleiben, durchatmen. Weil stehen bleiben vielleicht doch nicht so schlimm ist, wie die Angst.

Fragen

Immer wieder fragst du mich, wie ich das mache, wie ich mich so parasitär in den Tiefen deiner Gedanken niederlassen, darin winden und räkeln kann. Und dann kniest du metaphorisch den ganzen Tag nieder, hin- und hergerissen, erschöpft, ängstlich, dann wieder voller Vertrauen, Stärke und Liebe. Siehst mich in deinen Träumen, fühlst meine Berührung in jedem Atemzug. Dann denkst du, zu viel, zu wenig, verwirrt und klar, versuchst dich auf deine Arbeit zu konzentrieren, bist aber gar nicht da. Nur dieses Zehren in dir, selbst wenn es nur ein flüchtiger Blick ist, den ich dir schenke. Immer wieder fragst du mich, mit welchem Zauber ich dich belegt habe, dieses wohlwollende Gift. Dann willst du, dass es verschwindet, ein Flehen in die Nacht, was immer es ist und zugleich willst du in mir verschwinden, mein sein und nie wieder danach fragen.

© Amy Herzog

Nicht binär.

Du schaust dir die Hemden im Bekleidungsgeschäft an, selbstverständlich in der Herrenabteilung, weil du dich dort wohl fühlst. Aber du kaufst keines. Und dann machst du so „Frauensachen“, weil sie sagen, dass du als Frau weiblicher sein musst. Immerhin hättest du doch Titten und Arsch zum vorzeigen.

M.

Er denkt, dass ich notleidend wäre. Eine Frau in Nöten sozusagen. M. Und irgendwie bin ich das ja auch. Nun, meine kaputte Waschmaschine, die du dir anschauen möchtest, würde auch morgen noch ein undefinierbares Geräusch von sich geben und heute Abend werde ich sie sicher nicht mehr brauchen. Was ich aber brauche bist du, M. Dir das direkt zu sagen kommt aber nicht in Frage! Und deshalb ist meine Waschmaschine kaputt, heute, fast schon mitten in der Nacht. Und weil ich eine Frau in Nöten bin, fährst du die sechzig Kilometer, um dir dieses Geräusch morgen anzuhören, dann, wenn ich die Waschmaschine tatsächlich irgendwie brauche. Für den Moment, M., brauche ich dich. Nähe. Körper. Wärme. Und du bist da.

kalte Tränen, Leben und Traum

Wenn ich dich nicht festhalten kann, dann die Halluzination. Zwischen der Leidenschaft, die um unsere Lippen tropft, über das Meer, welches wir mit unseren Zungen füllen, bis in die Gruft, in der wir gemeinsam in Vergessenheit geraten. Und ich schlafe, schlafe, schlafe in diesem kleinen Traum und falle auf die Knie vor schwermütigschlagender Distanz in meiner Brust. Das morsche Herz, es schlägt eisern am wolkenlosen Himmel und ersehnt in dieser zehrenden Seelendürre nichts mehr, als deinen warmen Regen. Selbst die Szenen in meinem Hirn starren nach einer Weile nur noch aus dem Fenster, wie sich nichts darin spiegelt. Ich bin unsichtbar wie der Wind ohne Blätter. Und dann schließe ich fester meine Augen und halte dich auf meinem unbeschriebenen Papier fest. Und ich schreibe eine endlose Geschichte über kalte Tränen, Leben und Traum…

An meinen Winter

© Amy Herzog

Deine Wohnung, meine Wohnung

Mir ist schlecht. Nah, das ist untertrieben. Mir ist kotzeübel. Und im Hals kratzt es ein klein wenig zugeschnürt. Vielleicht liegt es an Gefühlen, vielleicht aber auch an dem Teelöffel Bananeneis mit Nüssen, den ich gerade trotz Nussallergie gegessen habe. Ich bin eben mutig an den Stellen, die andere waghalsig nennen würden. Und die Gefühle sind doch ohnehin längst da angekommen, wo man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen kann. So ein Riesen Dreck! Und über den üblichen Wahnsinn hinaus. Ich frage nicht mehr warum, niemand fragt warum. Aber eine Sache kann ich sagen. Ich denke nämlich an deine Wohnung. Und an meine. Diese fünfundachtzig Quadratmeter sind halt total voll. Es ist nicht so, dass ich mich nicht trennen kann, ganz im Gegenteil, ich hake sowohl Dinge als auch Menschen sehr schnell ab. Trotzdem ist meine Wohnung voll, da gibt’s keine freie Ecke. Und irgendwie habe ich auch mehr Dinge, als Schränke. Und irgendwie ist das alles gerade auch nicht meines, na ja schon, aber irgendwie schwebt dieses Fernwehfremdgefühl über den Dingen. Idealerweise hätte meine Wohnung zwei kleine Zimmer. In dem einen läge eine Matratze auf dem Boden und vielleicht noch n Sitzsack, auf dem ich, na ja, sitzen kann und das andere Zimmer bräuchte einen großen Vorrat an Acrylfarbe und Luftballons. So ganz billige, die schnell reißen. Die würde ich mit der Farbe füllen, läge mich in die Mitte des Raumes auf den Boden und klatsche diese befüllten billig-Ballons an die Decke. Ein bisschen Farbe an der Decke, ein paar Spritzer an den Wänden und bunter Regen auf meinem Körper. Okay, ne Toilette wäre wohl auch noch gut. Oder wenigstens ein Eimer. Das würde ich dann meinem Improvisationstalent überlassen.

Und keine Menschen. Ah, Menschen, genau. Deine Wohnung. Deine Wohnung ist auch voll. Und ich bin da nicht so wie andere und schaue durch die Badezimmerschränke. Das interessiert mich nicht. Ich weiß, dass Menschen das tun, weil meine Dinge, die ich im Leben schon so in verschiedenen Badezimmerschränken verstaut hatte, sich quasi nach einem Besuch wie von selbst leicht bewegt hatten. Dabei ist da gar nichts interessantes. So das übliche. Schminke, die ich fast nie benutze, Wattestäbchen, die ich mir ins Ohr schiebe, obwohl man das nicht machen sollte – ich bin mir der Sinnlosigkeit und der möglichen Gesundheitsgefahr bewusst. Dann noch der Vorrat an Schwangerschaftstests, ja ehrlich. Halt nicht hinterfragen, auch ich frage nicht. Oh, und Klopapier, mein Verbrauch ist gigantisch. Das klingt jetzt so…nun…merkwürdig. Aber ich verschwende einfach nur gern diese eine Sache. Ne dumme Angewohnheit. Na und sonst ist da eben das Übliche. Da ich inzwischen höchstens ein oder zwei mal im Jahr Besuch habe, ist das jedoch total egal. Aber wieder zu deiner Wohnung. Denn viel Interessanter ist dein Bücherregal. Nicht zwangsläufig deine Bücher – ließ was du willst, aber was ist hinter deinen Büchern? Was ist ganz oben hinter deinen Büchern? Längst vergessenes, eingestaubtes? Was ist es? Ich mag mit meinen gelogenen 167 Zentimetern, die ich auf meinem Personalausweis aufrecht erhalte, die sich in Wahrheit aber auf 164 Zentimeter zurückgezogen haben, klein sein, trotzdem komme ich an diese Bücher da ganz oben heran. Vielleicht brauche ich einen Pfannenwender zum angeln. Selbst ist die Frau, ha! Deine Badezimmerschränke sind mir egal, ich suche nach dem kleinen, vergessenen, eingestaubten Geheimnis, das sich in deiner Wohnung befindet.

Ich hingegen habe vorgesorgt. Kein Geheimnis zu finden. Meine Wohnung ist mir fremd. Und das, was ich zu verbergen habe, habe ich so gut vergraben, dass nicht mal ich selbst es wiederfinde. Ich denke trotzdem gern an deine Wohnung zurück, vielleicht gerade wegen dieser kleinen eingestaubten Geheimnisse und all den Dingen, von denen du dich nicht trennen konntest. Wie gern würde ich dich manchmal einfach gern fest packen und einfach mitnehmen. Diese Seite kennst du noch nicht an mir, ja. Diese Seite, die einfach so verschwindet und nur das Nötigste dabei hat. Nun, aber wirklich das Nötigste. Und das bist dann eben du. Tun wir so, als könnten wir ewig leben, aus Containern essen und am Strand schlafen. Aber die Gedanken schweifen ab, muss am flauen Magen liegen, der immer noch kotzeübel vor sich hin krächzt. Nicht wegen der Gefühle, nein, nein, nein, es liegt am Bananeneis. Und vielleicht auch an der Schlager-CD, an die ich gerade denke, die in deinem CD-Regal steht. So richtig verirrt. Ich weiß, du kannst dich nicht trennen. Aber wenn du sie nicht entsorgst, wird sie mir eines Tages versehentlich aus der Hand fallen und sich in vielen kleinen Splittern in deinen Holzdielen verankern. Und ich räume das sicher nicht auf.

Aber was erzähle ich da. Hab dich doch auch schon entsorgt. Ich behaupte nicht, dass es leicht ist, sich zu trennen, aber man wird kalt. Irgendwann wird man kalt. Und dann bin ich eben zu diesem kalten Ding geworden, das einfach so alles und jeden entsorgt. Wenn es dir hilft nachts besser zu schlafen, dann denke das von mir. Du hast vermutlich recht. Im Bezug auf dich? Nein. Es tut weh, unfassbar weh. Normalerweise überwinden wir den Schmerz, oder wir schaffen Raum dafür. Aber du, du tust so unfassbar weh, dass ich diesen Schmerz wie Bleikugeln an meinen Fußknöcheln hinter mir herziehe. So schwer, dass sich mir jede Zeitrechnung entzieht. Manchmal weiß ich nicht mal, welches Jahr wir gerade haben. Es ist eben vollkommen unbedeutend geworden, seitdem du nicht mehr da bist. Alles ist bedeutungslos geworden, alles so leicht zu entsorgen, alles so fremd. Aber Gefühl? Du denkst an Kälte? Du willst Gefühl? Die Waghalsigkeit ist nur die Spitze, diese Gefühle, die hier überall verteilt sind und diese Wohnung füllen, diese Gefühle kann ich meistens nicht ertragen. So schrecklich, dass ich vor dem einschlafen nicht etwa an dich denke, sondern etwas anderes, etwas schändliches.

Und dann wache ich morgens auf und denke als erstes an dich. Ich weiß nicht, ob das kalt ist. Ob das bedeutet, dass ich auch dich wirklich entsorgt habe. Ich denke nicht. Was denkst du?

Liebeserklärung

Als Kind, ich war gerade mal drei Jahre alt, meinten die anderen Mütter mit ihren gleichaltrigen zu meiner Mutter, ihr Kind, ich, müsse mit den Anderen spielen. Sozialverhalten und so. Wir setzten uns alle in einen Kreis. Ich stand auf, ging in die Mitte des Kreises und sagte meiner Mutter laut, dass ich sie hasse. Dann ging ich weg. Wahre Geschichte. Ich habe Menschen noch nie ertragen, schon gar nicht die gleichaltrigen. Und das werde ich auch nie. Ich weiß, wie man Menschen vertreibt. Instinkt oder Reflex oder beides und so. Die flüchten von selbst. Aber wenn dieses überaus seltene Phänomen stattfindet, dass ich einen Menschen zwar meistens nicht ertrage, aber ein bisschen dann schon, kommt das meiner größtmöglichen Liebeserklärung gleich. Aufrichtig, ehrlich, aus tiefster Seele, auf Ewig und mit all meinen überschwappenden Gefühlen, die kaum ein Mensch erträgt.

Statt zu lieben
halte ich dich aus 
Und du? 

Unzusammenhängend

Alle elf Minuten verliebt sich jemand über […]. Sie ist schneller. Sie muss schneller sein. Die „das war knapp“-Momente häufen sich. Vor dem überqueren einer Straße hat sie aufgehört nach links oder wenigstens nach rechts zu schauen.

⁃ wie hat es sich angefühlt über dich zu schreiben? Komplett eskaliert. Schon vor Sonnenaufgang.

Sie hat aufgehört Fragen zu stellen. Diese Gleichgültigkeit berührt sie tiefer, als jeder Schwanz. Nur wenn sie mal wieder ein Buch liest fragt sie sich, bei welchen Worten der Autor wohl nackt war, als er sie geschrieben hat. Beim lesen fühlen sie sich nackt an.

⁃ bei acht von zehn Worten bin ich nackt. Bei den übrigen töte ich etwas in mir.

Und dann wieder diese Massenpsychose. Der eine sagt, sie ist nicht schön, der andere sagt, sie ist nicht klug. Dabei ist sie einfach nur nicht Frau genug. Benimmt sich brav wie ein Mensch, der nicht weint und stattdessen eine raucht.

⁃ könnte ich mich heute selbst vergessen, schenkte ich dir meine Haut.

Alle elf Minuten schlägt ihr jemand auf den Kopf. Beim letzten Mal ist es durch ihre Kehle gerutscht und unzusammenhängend im Herz gelandet. Direkt zwischen Mittelfinger und ficken. [hier ein poetisches Happy End einfügen]

© Amy Herzog

Wo

WO. IST. DIE. WÄRME. Fragst du jeden Abend bis zum Mond, dein fragen hallt zurück. Die Schlampen in deinem Bett lenken dich schon lange nicht mehr so gut vom Leben ab, wie es mal war. Am Ende des Tages schmiegst du dich an deine überschwappende Sehnsucht. WO. IST. DIESER. KÖRPER. Der sich an deinen drückt, als gäbe es nur dich. Als wärst du der wichtigste Mensch. Du nimmst diesen Körper mit all deinen Sinnen in dir auf, nimmst sie auf, umfasst sie mit deinen Armen so fest, dass es deinen inneren Tod besiegt. WO. IST. DAS. LEBEN. Das alltägliche, das in sich außergewöhnlich ist. Nicht frei von Hemmung, Angst, Schmerz und Zwang. Aber über allem schwebend, leicht. Losgelöst in absolut offenliegenden Herzen. OFFEN. Aufgefangen von der Weichheit ihrer Haut, gebettet im leidenschaftlichen Kuss. Nicht dieses abschlabbern. Diesen Kuss, der nach Vertrauen schmeckt. WO. IST. DIE. LIEBE. Die dir einfach nur die Hand hält, ganz egal wer du bist. Die dich überwältigt, dich am Boden hält, die höchsten Wellen schlägt, ohne dich zu ertränken. Die dich endlich wieder fühlen lässt, mit all deinen Sinnen funkenschlagend. WO? Vielleicht fragst du noch ein mal.

Der Tröster

Die einen stopfen sich mit Schokolade voll, die Anderen stürzen sich in ihre Arbeit, wieder Andere schauen einen traurigen Liebesfilm nach dem anderen, heulen Rotz und Wasser und die Übrigen betrinken sich, bis es vorbei ist. Sie bevorzugt das nächstbeste Bett eines schlappschwänzigen Langweilers. Nah, das klingt so abwertend. Sagen wir, sie bevorzugt das nächstbeste Bett eines Trösters, der sich eigentlich sogar sehr oft als total netter, ja nahezu rundum perfekter Typ entpuppt. Zu nett, zu gutaussehend, zu erfolgreich und dazu noch zu gut im Bett. Und dann geht er, als wäre das nicht alles schon mehr als genug, auch noch so achtsam und liebevoll mit ihrer zerbrochenen Seele um. Perfekt für die Zukunft. Nur nicht für ihre. Für sie ist er der perfekte Tröster, noch perfekter, als der Tröster davor. Dann geht man eben einen kleinen Weg gemeinsam. Und jedes mal denkt sie sich, eine andere Frau wird ein tolles Leben mit ihm führen, während sie sich auf ihr Magnetherz verlässt, das Arschlöcher magisch anzieht. Es ist immer ein noch größeres Arschloch, als das Arschloch davor. Ein perfekter innerer Tanz aus Distanz und Enthusiasmus. Ein auf und ab, hin- und hergerissen. Sie mag eben keine Schokolade und geweint hat sie schon lange nicht mehr. Nur denkt sie darüber auch nie abwertend, sie ist nie gelangweilt. Diese großen und immer größer werdenden Gefühle, die diese Arschlöcher auslösen, die sind es. Ja, selbst dann, wenn sie wieder im Bett des Nächsten Trösters aufwacht, hallen diese großen Gefühle noch lange nach, diese Sehnsucht und der Wunsch nach ein kleines bisschen Leben spüren. Und dann dieses luftschlossartige innere Verzehren, das dauerhaft an ihrem Herzen zieht. Immer stärker, wenn diese großen Gefühle nach und nach vom Tröster verschluckt werden, eines Tages doch noch dieses größte Arschloch von allen zu finden und endlich anzukommen.

Da ist keine Bedeutung.

Es ist traurig, aber mir fällt keine Geschichte dazu ein. Da ist keine Bedeutung. Nur so viele Enden, die meine Sehnsucht im Keim ersticken. Und dann sterbe ich im Kopf vor mich hin. Vielleicht liegt es an der Schriftfarbe, hier in meinem Word Dokument schwarz auf weiß, vielleicht an meinem ausdruckslosen Gesicht. Ich könnte die Schriftfarbe ändern, weiß, damit ich die Gedanken, die ich gar nicht denke schreiben, aber nicht lesen kann. Und dabei setze ich ein Lächeln aufs Gesicht, damit die Geschichte, die mir nicht einfällt, glücklich wirkt. Und dann sterbe ich im Kopf vor mich hin. Es ist peinlich, wie offen ich zu sein scheine, nur nicht mehr für mich selbst. Diese ca. 1230cm³ haben mich herausgeworfen, hab wohl Unfrieden gestiftet. Aber dafür jeden anderen Menschen einfach so hereinzulassen schien vernünftig zu sein. Wenn ich darüber nachdenken könnte, würde ich das anders sehen. Interessant ist es aber, einen Text so derart langweilig und ermüdend zu schreiben, aber irgendwo doch ein Wenig Bedeutung einzubauen, die dann niemand mehr liest. Wenn da nur Bedeutung wäre. Da ist keine Bedeutung. Die Frage ist, wo. Denn in meinem Kopf läuft irgendeine Party, ich bin ausgeladen. Die Musik ist laut, jemand pisst an die Wand, eine andere kotzt in die Ecke und niemand hält ihre Haare zurück, es wird gesoffen und ich darf dann hinterher zum aufräumen wieder rein. Sicher finde ich keine Bedeutung, irgendwo da draußen, wo ich suche. Und irgendwie suche ich ja auch gar nicht. Ich stehe einfach nur dumm grinsend in der Gegend herum, finde das ganze nicht traurig, beobachte diese vielen Enden und den Sonnenuntergang. Hier draußen ist es still oder fast still. Niemand redet, niemand fühlt. Ein Hund bellt, der Wind weht sanft durch die Blätter und ein kleines Kind schreit laut. Könnte ich noch etwas fühlen, wäre ich gleichermaßen belustigt und genervt. Möglicherweise bin ich selbst gegangen. Diese offenen Fenster und Türen, diese laute Musik, das kotzen und pissen und mittendrin ich. Dieses Ich, das zu viel denkt, zu viel fühlt und beim Nächsten Ende womöglich doch noch traurig wäre. Was sag ich, natürlich wäre ich traurig und natürlich fiele mir dann eine Geschichte ein, die mich nach dem letzten Satz wieder sterben ließe. Es macht Sinn, gegangen zu sein. Hier draußen ist es still. Da ist keine Bedeutung in dieser belanglosen und simplen Taubheit. Da ist keine Zeit, keine Erinnerung, keine Zukunft. Nur eine leere Hülle, verschlungen vom Nichts. Und nichts kommt mir hier nahe. Hier draußen, der Freie Fall und der Stillstand zugleich, alles wird verschluckt. Die Geschichte, die mir dazu nicht einfällt, die letzten Spuren einer Sehnsucht, die unscheinbaren Gefühlsflecken, die sich nach dem Reiben meiner Augen in den Ärmeln meines Pullovers eingetrocknet haben, all diese Enden und selbst die Farbe meiner Schrift.

Da ist keine Bedeutung.

Abschiedsbrief

Triggerwarnung: Suizid*

Was ich in so einen Abschiedsbrief schreiben würde, in so einen unumkehrbaren, einen endgültigen? Nach zwanzig Jahren, die mich diese Frage schon beschäftigt, müsste ich das wissen. In dieser Zeit hätte ich sogar einige schreiben müssen, manch einer wäre sogar gerechtfertigt gewesen, wenn auch das Sterben so lang dauern kann und das tatsächliche tot sein manchmal nur von kurzer Dauer ist. Glück im Unglück, wenn man so will. Inzwischen denke ich das, ja. Nicht, weil ich mir darüber weniger Gedanken mache, vielmehr weil ich Organspenderin bin. Ein Selbstmord würde meine Organe vernichten. Nun, das bräuchte jedoch nicht in einem Abschiedsbrief stehen, denn Organe zu erhalten bedeutet weiterzuleben. Nur was würde ich nun in so einen Abschiedsbrief schreiben? Und an wen wäre er adressiert? Und warum? Ich sollte die Antworten kennen und es ist beinahe schändlich, sie nicht zu kennen. Möglicherweise…wen ich so liebe? Nun, was würden diese Menschen, die ich liebe, auf diesen Brief antworten? So eine Antwort habe ich tatsächlich mal erhalten, aber nicht auf einen Abschiedsbrief. Ein Beamter, der mich geradewegs in die Klapse fuhr meinte, wenn ich diese Menschen doch lieben würde, dann hätte ich sie angerufen, statt die allseits bekannte eins eins null. Ich musste widersprechen. Es war nicht die Liebe, die mich bei diesem letzten Mal davon abgehalten hatte, diesem Leben ein Ende zu setzen, denn an sie konnte ich weder denken, noch konnte ich sie empfinden. Es war etwas anderes, ein Sekundenbruchteil, der mich die eins eins null hatte wählen lassen. Ich spürte nichts weiter als tiefe Entspannung, als ich diese Nummer wählte. Die vollkommene Klarheit. Da war nichts mehr. Nicht mal mehr etwas, das mir hätte egal sein können. Der Beamte, nun, eigentlich waren es zwei, sie stellten leise Musik an. Ich schwieg. Sie redeten, aber ich hatte nichts mehr zu sagen. Ich war tatsächlich zu Ende, so viel mehr, als bei den Malen davor. Die Male, in denen ich mich nicht für den Notruf entschieden hatte. Wieso also bei diesem letzten Mal? Ich fragte den Beamten, der neben mir saß, nach einer Zigarette. Na ja, er rauchte nicht und irgendwie war er auch nicht auf meiner vollkommen leeren Welle. Aber der Fahrende hatte welche dabei. Er hielt an und stieg aus, öffnete meine Tür und hielt mir die geöffnete Schachtel entgegen. Der Andere schaute etwas verdutzt. Ich stieg aus und wir setzten uns an den Straßenrand. Der Andere blieb stehen und redete irgendwas über Funk. Der Fahrende, ich habe keine Ahnung wie die beiden hießen, redete mit mir. Er fragte mich, wie es denn nun weitergehen sollte. Und irgendwas war da zwischen der Leere. Ein kleiner Fleck auf der Klarheit. Eine Erinnerung an die andere Seite. Und die leise Musik. Außerdem mochte ich sein After Shave. Die meisten Männer riechen – na ja, so nach Junggeselle. Als hätten sie sich das Zeug unter der Dusche einfach über den Kopf gekippt, die ganze Flasche. Aber er nicht. Es duftete sehr dezent. Nun, erst mal in die Klapse. Die Leere betäuben mit noch mehr Leere in Tablettenform. Wenn die wissen, dass man sich umbringen will, bekommt man immerhin direkt das gute Zeug. Und wenn es gut läuft, lebt man nach zwei verschwundenen Tagen das Leben weiter. Aber zurück zur Frage. Ich denke meine Antwort lautet: gar nichts. Es wäre ein nie abgeschicktes leeres Blatt Papier. Ohne Briefkuvert, ohne Marke. Das ist die unumkehrbare Endgültigkeit. Jedes Wort in so einem Brief würde dieser widersprechen.

*Nein, ich hege keine Suizidgedanken/Absichten. Ist vermutlich wichtig zu erwähnen bei dem Text!

Ich möchte noch einen Tipp anhängen, falls jemand therapeutische Hilfe sucht, aber keinen niedergelassenen findet und man eben die üblichen Wege bereits ausgeschöpft hat. Ist ja ein recht großes Problem, diese Wartelisten, falls es überhaupt eine Liste gibt. Fragt bei einem „Ausbildungszentrum für Psychotherapie“ nach (einfach googeln, welches das Nächste ist). Dort kann man, sofern die freie Kapazität vorhanden ist, von einem Therapeuten in Ausbildung betreut werden, was dann vom Ausbilder überwacht wird.

Geben.

Ich lasse mich nicht in deine Schublade stecken, nicht in dein Konzept einrahmen. Vergiss es, dass ich Sonntags nach der Kirche mit dir und deiner Familie in entspannt-steifer Atmosphäre lieb lächelnd Torte esse und träume nicht mal von unseren Urlauben mit den Kinderchen auf’m Rücksitz. Ich bin die Droge, vor der dich deine Eltern gewarnt haben, dein schlechter Einfluss. Die, die mitten in der Nacht auf dem Friedhof nach neuen Ideen gräbt und die Schule noch mal besucht, nur um wieder mit dem Lehrer ins Bett zu steigen, oder auf den Schreibtisch. Und der zweiwöchige Filmriss endet mit drei Gummienten, einem großen Brandloch auf deiner Couch und nem negativen Schwangerschaftstest im Mülleimer. Danach gestehe ich eine Straftat, die du begangen hast und lebe auf der Flucht. Nur immer, wenn mich die Inspiration küsst, besuche ich dich und unterstütze deine Sucht. Berechenbar unberechenbar. Ich passe nicht in dein gutbürgerliches Leben, aber ich bin dein treuer Wolf für die Zukunft, das bin ich, das kann ich geben.