Kurzgeschichte

Der fehlerhafte Mensch

Könntest drüber nachdenken, krampfhaft versuchen es herauszufinden, aber du kannst es auch lassen. Irgendwas ist immer falsch, vielleicht nur ein kleiner Teil, vielleicht ein bisschen von allem, wer weiß das schon. Du nimmst einfach alles, das spart Zeit. Rennst dann trotzdem lachend in die Kreissäge und redest dir ein, dachtest lange Zeit tatsächlich, glaubtest daran, du würdest drauf stehen, auf diesen Schmerz, aber dem ist nicht so, oder? Ganz im Gegenteil. Aber so die Art Menschen, die selbst mit ihren Fehlern perfekt sind, die es mit diesen einfach nur von Grund auf fehlerhaften Menschen selten gut meinen, die geben sich paradoxerweise große Mühe, die Größte. Irgendwie anders. Intensiver, tiefgehender. Eben bevor sie einen unsanft in den Müll werfen, in die Wüste schicken oder auch in einer Autopresse verschwinden lassen. Vom Gefühl her tut sich da nichts, bei der Art der Entsorgung. So von Grund auf fehlerhafte Menschen, oder diese, die den Fehler nicht nur bei sich selbst suchen, sondern ihn auch stets finden, fallen bevorzugt darauf rein. Wobei „drauf reinfallen“ so negativ klingt. Sagen wir, sie sind geblendet von ihrer eigenen Gutgläubigkeit, von ihrer Hoffnung. Beides sorgt dafür, dass dieses Muster, wenn auch mit den Jahren stetig fallend, eisern stand hält. Es wird seltener, ja, vielleicht lässt du, du von Grund auf fehlerhafter Mensch, nicht mehr jeden ach so perfekten Menschen in dich hinein. Bekanntlich bestätigen jedoch Ausnahmen die Regel. Und irgendetwas muss dich ja schließlich von Zeit zu Zeit auf dein fehlerhaftes Dasein hinweisen.

Eine Schlampe

Gott hat mir den Rücken gekehrt. Ich bin eine Schlampe. An meinen Fingern, an meinen schreibenden Fingern, klebt dein Schwanzgeschmack. Er hinterlässt seine Spuren. Nicht auf meiner Tastatur, nun, möglicherweise auch dort, aber viel mehr auf meinen Gedankensträhnen. Ich weiß, ich muss mir die Haare bürsten. All diese Knoten, all deine hinterlassenen Nester und dieser weiche Körper, in dem du geschwommen bist. Jetzt, wo ich deine Aufmerksamkeit habe, denke ich zu viel nach, über Brombeeren. Mit jeder gebürsteten Strähne fallen sie zu Boden. Du zerquetscht sie beim hinausgehen. Ich fühle dir hinterher. Und du denkst nur so: „Hä“. Ich bin eine Schlampe. Ich fühle mich wie der umgekippte Sack Reis, nur ein bisschen weniger relevant. Die Tasten kleben an meinen Fingern, sind damit verwachsen, vielleicht klebe ich auch an ihnen, dabei bin ich keine Schriftstellerin, werde ich nie sein. Gott sieht mich nicht. Hinge ich tot über’m Zaun, fiele es ihm nicht auf. Und dir auch nicht. Ich reibe mir den herausgequetschten Brombeersaft, welcher meinen teuren Boden versaut hat, auf meine nackte Haut. Er ist noch warm. Von dir. Er ist noch warm. Und ich fühle dir immer weiter nach, wie weit du dich auch entfernst. Du hast mich natürlich schon vergessen, die Schlampe, du hast mich nie erfahren. Diese Reproduktion meiner Selbst. Und nun bin ich nicht mehr ich, denn ich kann mein Spiegelbild nicht ertragen. Diese frisch gebürsteten Haare ekeln mich so an. Als hätte es mir nichts bedeutet. Als hätte es nichts bedeutet. Wenn es auch nur eine Sekunde lang so wäre, würde ich mir selbst den Rücken kehren müssen, so wie Gott, so wie du. Diese Reproduktion aber verteilt den Schwanzgeschmack auf der Tastatur, damit du mir bleibst, in meinen Worten tropfst, in mir verwest. Deine zertretenen Brombeeren jucken auf meiner Haut. Ich friere. Ich schwitze, ich tropfe, ich bin nackt und allein. Ich bin tot. Und du denkst nichts. Nichts. Gar nichts. Oder irgendwas. Kratze mir unter der Dusche das Lila von der Haut. Die Reste meiner Erinnerung verfangen sich unter meinen Fingernägeln. Gott war nie da. Du auch nicht. Ich bin eine Schlampe. Ich schreibe Lila.

Gefühle

Gefühle. Man kann sie nicht nicht wegwünschen, man kann sich auch nicht selbst belügen. Vielleicht kann man anderen sagen, es wäre nicht von Bedeutung. Und jedes Mal, wenn man das sagt, reißt man eine neue kleine Wunde auf. Sie sind da, einfach nur da. Folgen keiner Regel und keiner Logik. Nur ihrer eigenen. Sie ändern sich, passen sich an und man hat kein Mitspracherecht. Sie folgen sich selbst, ihrer Sehnsucht. Man kann nicht atmen, dieser kleine große Teil kann nicht atmen. Irgendwann kommt man an einen Punkt, da ist es okay. Man resigniert, gibt auf, nimmt hin. Man sieht ein, dass man sich nicht wehren kann. Und dann fühlt man halt. Es wirkt ruhig.

Hass: Innerer Monolog (aus den Entwürfen ausgebuddelt)

Ich hasse die Menschen nicht. Zwar mag ich sie auch nicht sonderlich, aber ich kann behaupten, keinen einzigen Menschen zu hassen. Keinen einzigen. Manchmal frage ich mich, ob ich zu tiefem Hass überhaupt fähig bin. Was ich aber hasse – nein Hass ist eigentlich das falsche Wort. Was ich verachte, ja verachte, ist die Nähe die sie ständig wollen. Die Nähe, die sie immerzu suchen. Körperliche Nähe, Emotionale Nähe. Denn. All das kann zerstören und sie haben keine Ahnung. Sie können nicht damit umgehen. Sie können es nicht steuern. Nicht kontrollieren. Ich verachte es, wenn sie mich umarmen wollen, wenn sie mir nah sein wollen, wenn sie mich ergründen wollen. Wenn sie mir nah sein wollen.

Wie sie keine Ahnung haben, von der unberechenbaren Macht, die sie besitzen. Aber ob ich das an ihnen verachten kann? Darf? Nein. Das darf ich nicht. Es sind Menschen, sie sind menschlich. Das verachte ich an mir! Das muss ich an mir verachten. Meine Menschlichkeit. Ich verachte die Schwäche, die Schwäche diese Menschen letztendlich doch an mich heran zu lassen. Nicht alle, aber es kommt immer jemand, der die Schwäche blind nutzt. Und ich? Was passiert? Es ist meine Schuld. Ich lasse mich darauf ein. Immer mal wieder. Menschlich. Aber was bleibt mir sonst übrig?

Mir scheint das wie ein unfairer Kampf. Einer gegen alle. Oder zumindest gegen viele. Wie sollte ich allen Stand halten können? Wie sollte ich, wenn ich so geschwächt bin gegen die Stärke der Menschen Stand halten? Gegen ihr lebendig sein? Gegen ihre Energie, ihre Energie, die sie immer haben, immer so einfach bekommen können, nie muss es ihnen daran mangeln. Sie durchleiden das nicht, nein, sie sind einfach nur blind.

Wenn sie kommen und mich erfahren, mich ergründen wollen, haben sie Angst vor mir. Denn auch ich bin im Besitz dieser Macht. Als ob sie mich je vollständig ergründen könnten, als ob ich das je zulassen würde. Niemals reichte meine Schwäche aus, um sie so unglaublich nah an mich heran zu lassen. Ja unglaublich. Denn es wäre tatsächlich nicht zu glauben. Nein. Aber sie sehen die Oberfläche, sie spüren, das ich nicht wie sie bin. Und das macht ihnen Angst. Ich spüre ihre Angst. Sie geraten in eine Abwehrhaltung und wollen mich zerstören. Aus Angst ich könnte es mit ihnen zuerst machen. Diese blinden Narren! Wie könnte ich sie zerstören, wenn ich so geschwächt bin, wenn sie mich so geschwächt zurück lassen. Als wollte ich ihnen etwas antun. Als könnte ich das so schwach. Nein, ich kann nicht. Nicht ohne ihr Lebendig sein, nicht ohne, dass sie mich lebendig halten. Nicht ohne ihre Energie, nicht ohne ihr Blut. Ihre Liebe.

Dabei sind sie es, die mir etwas antun. Und sie wissen nie, was sie tun. Sie haben keine Ahnung. Sie sind blind. Sie nutzen ihre Stärke, ohne es zu wissen. Mit verbundenen Augen laufen sie durch die Welt und haben keine Ahnung von der Macht,  die sie besitzen. Die Macht andere zu zerstören. Und sie nutzen sie nicht mal richtig. So unwissend und wahllos. Aber unberechenbar. Ja, unberechenbar.. Ich muss dieses Risiko eingehen, jedes Mal muss ich dieses Risiko eingehen, muss sie an mich heranlassen. Ich bin auf sie angewiesen. Ich bin menschlich.

Angewiesen auf ihr Leben. Aber ich kann das nicht mehr. Ich bin geschwächt, wurde zerfetzt. Ein Mensch hat es geschafft. Und er hat keine Ahnung, dieser blinde Mensch. Und selbst diesen Menschen kann ich nicht hassen. Ich kann ihn ums verrecken nicht hassen! Ich kann ihn nur begehren. Diesen Menschen.

Angewiesen bin ich darauf, dass sie Leben! Ich brauche ihre Kraft, ihre Energie, um selbst aufrecht stehen zu können. Brauche es, um sie zu Manipulieren und für meine Zwecke zu nutzen. Brauche es um stark zu bleiben. Brauche ihr Leben, ihre Liebe, ihr Blut. Ein ewiger Kreislauf. Und niemals darf ich schwach werden. Niemals darf ich sie in mich hineingreifen lassen, immer muss ich ihnen die Nähe vorspielen. Sie müssen mir nah sein und sie müssen mir egal sein. Ich darf sie nicht hassen! Sie müssen mir egal sein! Wie kann das gehen, wenn ich schwach bin, wie?

Wie diese Menschen ihre Kraft haben, das habe ich nicht. Wie sollte ich also fair gegen sie kämpfen können? Wie sollte ich hinterlistig und unfair an ihr Leben kommen und selbst stark zu sein? Ich muss stark sein, obwohl ich es nicht bin. Wie soll das nur gehen..

In Wahrheit machen mir die Menschen nur Angst. Große Angst. Manchmal gar panisch. Und aus dieser Angst halte ich mich fern von ihrem Lebendig sein, werde schwächer und schwächer. Und schwach bin ich ihnen schutzlos ausgeliefert. Das macht mir nur Angst. Ein Kreislauf, aus dem es kein Entkommen gibt? Wie sollte ich meine Stärke zurück bekommen, ohne wieder zerfetzt zu werden? Wie? Ich brauche einen schwachen Menschen. Eine schwache, kleine, bemitleidenswerte Zapfsäule, die mir meine Stärke zurück gibt.

Es braucht nur einen Menschen, einmal einen Menschen, einen schwachen Menschen, den ich für meine Zwecke nutzen kann! Den ich benutzen kann um wieder Teil des Kreislaufs zu werden. Um nicht mehr zerfetzt zu sein, um keine Angst mehr haben zu müssen, um endlich wieder stark sein zu können. Einen schwachen Menschen, der gegen meine Schwäche schon nicht mehr ankommt. Einen Menschen, der schon zerstört ist. Einen der am Boden liegt. Mit einem Bein im Grabe, gerade noch stark genug um mich zu stärken.

Diesem zerstörten lebendigen Menschen die letzte Kraft entnehmen und sie für mich nutzen. Und er muss mir egal sein, er darf mir nicht Leid tun. Ich darf kein Mitgefühl kennen. Ich muss es vergessen. Es gibt kein Mitgefühl! Ich muss diesen zerstörten Menschen endgültig und kaltblütig vernichten, zurück lassen und weiter stark werden. Wieder stark werden.

Ich habe mich schwächen lassen von diesem Menschen und schwebe außerhalb des Kreislaufs, nie wieder darf mir das passieren.

Nie wieder!

Wir sind nicht zu Ende

Heute habe ich unterschrieben. Vom Gefühl her war es vergleichbar mit dem unterschreiben beim Paketboten. Nicht etwa für ein Paket mit ersehntem Inhalt. Eher so, als wäre in dem Paket nur heiße Luft. Ja, so fühlte es sich heute an, dieses Dokument zu unterschreiben. Gleichzeitig so, als hätte ich einer Hinrichtung zugestimmt. Meiner Hinrichtung. Bereitwillig. Und dabei habe ich auch noch verkrampft gelächelt. Mit meinen Gedanken war ich bei dir, bin ich bei dir. Nur deshalb konnte ich heute lächeln. Mein Brief an dich beinhaltet das erste Mal keine Einleitung. Kein ‚Hallo‘, kein ‚Guten Abend‘, kein ‚mein Liebster‘. Das wäre…unpassend. Aber du weißt, was ich denke. Und ich weiß, was du denkst. Nur hat niemand etwas gesagt. War das der Fehler? Nun habe ich Schwarzwälderkirschtorte in meinen Zahnzwischenräumen. Er mag sie. Ich mag sie nicht. Du auch nicht. Bei uns würde es nun reichlich Met geben und dazu Bratwürstchen im stehen. Und – es wird dich überraschen – für dich hätte ich ein Kleid getragen. Mittelalter, klar oder? Ich mache mir Gedanken. Bin ich eine Betrügerin? Ich glaube nicht. Nicht für ihn. Hab ja keinen Sex. Und meine Gefühle sind ihm egal. Das ich dich liebe spielt keine Rolle. Und das, was uns verbindet, würde er in tausend Jahren nicht verstehen. Er ist ein Schwanzdenker. Du nicht. Du ganz und gar nicht. Ich hatte erwartet, dass es sich anders anfühlen würde. Jetzt, wo ich unterschrieben habe. Stattdessen denke ich an dich. Schreibe dir einen Brief. Ich denke, dass ich ihn auch liebe. Nicht, weil er so ist, wie er ist. Obwohl er so ist, wie er ist. Und ich schreibe dir nun auch kein Ende. Denn wir sind nicht zu Ende, werden wir nie sein. Dieses Dokument ist wertlos.

Für Niemand.

Ich bin nicht das, was du dir erschaffen willst. Ich bin ich. Ich bin eine Frau, zumindest im biologischen Sinn. Unterdurchschnittlich schön. Und der Körper, nur eine Massenkarambolage auf der Grundlage von jahrzehntelangem Selbsthass. Männer denken, sie können Frauen benutzen. Ich denke nicht. Und dann suchen sie eine Muse. Ich bin nicht deine Muse. Ich bin ich. Deinen Liebesbrief lasse ich im Zug liegen, damit ihn irgendjemand liest. Ich tue dir den Gefallen, obwohl ich mit mir selbst beschäftigt bin. Ich schreibe. Schreibe in mich. In mein dunkles Inneres mit schwarzer Tinte, damit du meinen Brief nicht lesen kannst. Und ich wälze mich nackt im Schnee, bevor ich an deine Tür klopfe. Unterstreiche meine dick-gedruckte Kälte im CAPS LOCK, während ich kursiv empfinde. Mit einem Lächeln begrüße ich dich, tue belesen und spreize die Beine. Seestern. Vergiss nicht, ein Kissen unter meinen Arsch zu schieben, ich will deine Höhenangst spüren. Ich will dein Fallen hören. Schiebe dich tief in mich und lies mich. Lies rücksichtslos meine Dunkelheit und ich diktiere dir meinen Schmerz dich zu lieben. Du berührst das, was du dir erschaffen willst. Aber ich bin ich. Zu komplex, dann noch verschwiegen. Ich berühre nichts. Dein Liebesbrief ist genauso weit weg wie ich. Du bist niemand. Ich bin wie du. Mir ist heiß geworden unter deinem schweren, nassen Körper. Ich will Schnee. Ich bin nicht deine Muse. Ich bin eine Frau. Ich bin ich. Ich bin nicht das, was du dir erschaffen wolltest. Ich löse mich auf.

Fotografie

Hoch über mir hängt ein ausgeblichenes Foto von dem Menschen, der ich gern wäre, mit wem ich sein könnte, wie es sein kann, alles so abstrakt. Auf meinem Tisch ein schnelles Essen, ohne Liebe zubereitet. Trotzdem nährt es den müden Kadaver, das muss es ja schließlich. Leben muss, Körper muss, ich muss. Heute dies, morgen das. Und das Lächeln, das ich mir angetrunken habe, nicht zu vergessen. Bin es leid, diese Angst haben, leid, sie allein zu haben, einfach nicht mehr darüber zu reden, weil ich sie niemandem zumuten will. Ach, was rede ich, niemand könnte mich tragen. Schon gar nicht dieser Mensch, diese zwei Menschen auf meinem Foto. Ich bin es leid, das schön reden, das Betäuben, diese angstverseuchte Ödnis. Diesen Abklatsch meiner Selbst. Den tagtäglichen Anfang und das Ende, das mir hinterher hechtet. Und all das, was ich niemanden sehen lasse. Niemanden sehen lassen kann. Diese Angst, diese verdammte Angst, die mir nach all dem guten zureden, in meinen täglichen Enden im Wege steht. Jeden Menschen vertreibt. Bin es leid zu flüchten, vor mir, vor dir. Mich hinter meiner Fassade zu verstecken. Nur die Tür habe ich schon lange aus den Augen verloren. Und die Anderen, ihnen genügt die Oberfläche. Das tragbare. Sie denken, ich spiele mit ihnen, dabei spiele ich mit mir, nur um mich zu bewegen, um kurz etwas zu fühlen um dann wieder allein und banal zu sterben. Dieser elendig-gewohnte Kreislauf, diese Sicherheit, die mir am Ende des Tages nichts gibt. Und meine wahren Träume finde ich erst im Bett. Ja, schlafen kann ich gut. Ich muss. Im Traum habe ich keine Angst. Im Traum sehe ich diese Fotografie. Im Traum fühle ich sie, lebe ich sie. Und dann präsentiere ich, frisch und munter ausgeschlafen diesen strahlenden Menschen, diesen starken Menschen, der Angst davor hat, gerettet zu werden und sich gleichzeitig nichts sehnlicher wünscht als das. Aber ich rede es gut. Ich bin happy.

Kopfschmerz.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann wäre dieser ohne Rücksicht auf Verluste. Ein mal bitte das Gehirn auslöschen. Nein, nicht töten. Nur den Inhalt, die Festplatte löschen. Schade um manches, vermutlich schade um alles. Aber die Ruhe muss wundervoll sein. Wenn der Schmerz nachlässt. Und alles, was diesen Schmerz einst gefüttert hat, allenfalls als Déjà-vu in Erscheinung tritt. Die Gedanken tatsächlich still sind und Gleichgültigkeit der Wahrheit entspricht. Aber nein, so läuft es nicht. Dinge, die etwas bedeuten, werden weiterhin etwas bedeuten. Manchmal eben Schmerz. Man muss ihn aushalten und hoffen, dass er vielleicht doch irgendwann verschwindet. Mit so einer Festplatte, die nichts löscht und über unbegrenzten Speicherplatz verfügt, ist das nicht leicht. Ja, ich weiß, man kann nie genug Speicher haben. Trotzdem wäre ich gern eines dieser einfachen Mädchen, die ich aus der Schulzeit kannte. Immer hübsch zurechtgemacht, finden ihren Mann und das perfekte Kleid, kaufen ein Haus und gebären ein paar Kinder. Wenn ich an sie denke, sitzen sie auf mit einem Eistee auf der Veranda und erfreuen sich an ihrem Leben. Eine gute Nacht Geschichte zum Abend und dann noch ein Eis vor dem Fernseher. Für sie ist es das größte. Na ja, ich gehörte nie dazu. Ich brauche keinen perfekten Mann, trage kein Kleid und möchte keine Kinder. Btw.: Wenn man in den dreißigern ist, wird man dauernd ungefragt darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Fruchtbarkeit dem Ende zuneigt. Dieser Hinweis geht einher mit der Frage, ob ich denn einsam sterben wollen würde. Ja man, das ist der Traum. Es fehlen nur noch sehr viele Katzen. Na und okay, die Veranda wäre auch schon nice. Ich denke nach. Tag und Nacht. Es hört nicht auf. Alles auf einmal, nichts wird vergessen. Und um dem zu entgehen, häufe ich mehr Wissen hinein, lese, recherchiere. Nun, um dieses gesammelte Wissen wäre es schade. Was ich gern löschen würde, sind die Dinge, die mich bewegen, die manchmal so weh tun, dass es…Nun, wie wenn sich heißes Wasser kurz kalt auf der Haut anfühlt. Nennt sich paradoxes Kälteempfinden. Meine Gedanken sind in diesem Sinne auch oft paradox. Auf der einen Seite logisch, zielführend. Auf der anderen Seite tut es eigentlich überwiegend weh. Für so etwas hat irgendein Mensch Schätzungen zufolge 10.000 v. Chr. den Alkohol entdeckt. Und der hat sich bis heute mit größter Beliebtheit durchgesetzt. Gewiss nicht nur um Party zu machen. Ne, wir können damit für kurze Zeit den Schmerz lindern. Irgendwer hat auch noch Promethazin erfunden, ein paar Tropfen dazu und der Abend kann gerettet werden. Aber eben nur der Abend. Löschen erscheint mir zukunftsorientierter. Und da ich ausschließlich zukunftsorientiert denke, denn alles andere verschwendet meine Zeit, schließe ich die alkoholische Lösung aus. Außerdem wirke ich nüchtern schon besoffen genug. Ich hab auch mal gekifft. Nein, nicht auf ne süchtige Art und Weise, nur in der Jugend mal so ausprobiert. Was man halt so macht. Ich habe es sogar mal geschafft, ein mal versehentlich an einer Crack-Pfeife zu ziehen. War sehr unspektakulär, ich wusste damals aber auch nicht, was dieses kleine Ding überhaupt ist, das man mir hingehalten hatte. Ich war halt sehr blauäugig. Aber die Pflänzchen waren toll. Selber Effekt wie Alkohol, nur ohne Übelkeit. Na ja, soviel zu den kleineren Jugendsünden. Aber auch das hier führt zu nichts. Ich könnte weitere, alternative Wünsche notieren, aber auch die führen zu nichts. Man kann eben nur darauf warten, dass der Schmerz nachlässt. Viel länger als ein ganzes Leben kann es nicht dauern.

aneinander vorbei

Ja, vielleicht ist sie naiv, vielleicht vergibt sie viel zu viele Chancen an Menschen, die es nicht einmal bemerken. Während die letzte Chance gerade erst den Weg in den Abfall findet, fliegt die Nächste schon hinterher. Und so langsam spürt sie, dass ihr die Chancen ausgehen. Jedes Mal ein Stück Seele herausschneiden, es hübsch verpacken, so tun, als machte es ihr nichts aus und die neue Chance überreichen. Das wäre nur halb so schlimm, wenn diese Menschen es wenigstens verdient hätten. Wenn er all diese Chancen verdienen würde. Ne, das wäre ja nur halb so zerfleischend. Und wenn sie dann doch irgendwann weiterzieht, versucht, das was noch von ihr übrig ist, das durchlöcherte, verdreckte, zerfledderte Stückchen Seele irgendwie zu flicken, dann nennt er sie Nutte. Komisch, ein Mann muss nicht einmal zerfleddert sein, um sich ebenso zu verhalten. Und er ist dann ein toller Hecht. Ne. Für sie nicht. Für sie ist er ausgelutscht. Verbraucht. Für sie ist er eine Nutte. Noch dazu eine eifersüchtige Nutte. Immerhin genügt ihm der Gedanke, sein Gedanke als Beweis dafür, dass sie sich in den Armen eines anderen Mannes trösten lassen würde. Selbst wenn dies nicht der Wahrheit entspricht. Sein Urteil steht fest. Und um sich von dieser Eifersucht abzulenken, lässt er sich trösten. Ja. Sie gibt ihm zu viele Chancen, jeden Tag redet sie sich gut zu, während sie sich bemüht, es nicht zu tun. Aber sie sieht über all das hinweg. Sie sieht in seine gute Seele. Mit jeder neuen Chance. Mit jedem Stück neuer Seele. Ja, sie ist naiv. Aber er, er ist vollständig gedankenlos.

Obskures Einhorn

Ich bin Realistin. Ja, auch Pessimistin. Vielleicht sogar ein bisschen Optimistin, gelegentlich, wenn sich die Gelegenheit bietet. Wenn ich etwas erwarte, dann zugleich alles und nichts. Murphys Law nicht zu vergessen, sogar bevorzugt im Fokus stehend. Das verhindert nicht den Schmerz, aber man kann sich selbst guten Gewissens sagen: „Ich hab’s dir ja gesagt“. Und da würde ich gern sagen, dass mich nie etwas überraschen kann, aber selten passiert das doch. Es passiert eben viel, das ist immer so, bei jedem. Es ist immer viel passiert, die Geschichte, die wir kurz halten wollen, ist in Wahrheit immer lang. Und dann gibt es diese Menschen, da findet die Geschichte weder Anfang noch Ende. Das sind diese Geschichten, über die man nicht spricht. Nicht etwa weil man es nicht möchte, sondern weil sie nicht erzählt werden können. Was auch immer diese Geschichte aber gewesen sein mag, sie ist es, die uns ausmacht. Die Dinge, die in keinem Albtraum vorkommen, die Wahrheit, aus der man nicht so einfach aufwachen kann. Daraus sind wir entstanden. Wir, die Menschen mit den endlosen Geschichten.

Und trotzdem, selbst wenn wir nicht über diese Vergangenheit sprechen wollen, weil wir sie verdrängen, vielleicht noch verarbeiten, oder sie einfach nichts mehr in der Gegenwart und der Zukunft zur Sache tut, sie macht uns dennoch aus. Wir sind das Resultat aus dieser Geschichte, aus unserer, ich aus meiner. Und manchmal wird man der verschlossenste Mensch, dem man begegnen kann. Nur damit dieses albträumen ein Ende findet, damit Ruhe einkehrt, Verlässlichkeit in einer Welt, in der nichts wirklich sicher ist. Unweigerlich wird jeder Mensch einem Test unterzogen. Nein, nicht mit Papier und Kugelschreiber. Viel härter ist dieser Test. Er testet jedes Wort, jeden Atemzug, jede Regung, dieser Mensch wird durchleuchtet, wieder und wieder, jede Handlung wird hinterfragt. Jede Sekunde wird beurteilt. Der Test startet sofort und endet, wenn ein Bestehen ausgeschlossen werden kann. Und dieser Test wird nicht wiederholt.

Denn damit sich diese Menschen, wenn auch nur für die Gegenwart und die Zukunft wahrhaftig öffnen, braucht es ein Testergebnis von 100%. Was, wie soll es anders sein, vollkommen unrealistisch ist in dieser Welt, in der gar nichts sicher ist, mal abgesehen von der Unsicherheit. Fair ist dieser Test auch nicht. Es werden keine Fragen gestellt, keine wichtigen. Jemand sagte mir mal „Lass die Menschen reden, sie erzählen ihre Geschichte“. Nun, die Geschichte ist irrelevant. Aber das, was die Geschichte aus diesen Menschen gemacht hat, das ist wichtig. Und sie leben es, zeigen es, strahlen es aus. Ich bin nicht sicher, wie ich bei all diesen Tests abschließe. Es kommt ja niemand daher und erfragt sein Ergebnis, so auch ich nicht. Aber ich denke man merkt es, wenn man bestanden haben sollte. Nicht jeder Mensch braucht diese 100%. Aber diese Menschen mit den nie enden wollenden Geschichten, diesen Albträumen, sie brauchen diese 100%. Wie gesagt, bin ich aber auch Realistin und lasse auch 99% noch durch. Nicht so ganz geöffnet, aber sehr viel.

Eine Sache, die ich dabei nicht zugeben mag, die aber bei diesen Menschen mit den nicht enden wollenden Geschichten durchaus häufiger vorkommt ist, dass sie Träumer sind, irgendwo versteckt, in der Nacht, im Hinterkopf, in der Stille, in der Einsamkeit. Es sind die zerbrochenen Menschen, die Stärksten der Starken. Und ich glaube an echte Magie, an das Unrealistische, an diese 100%, an die wirklich wahre Liebe, an Bedingungslosigkeit, an verwandte Seelen, an das Gute und an die beständige Ewigkeit. Ja, das ist das Selbe wie an die Existenz von Einhörnern zu glauben. Besonders, wenn der Test so gnadenlos hart ist, wie meiner es ist. Aber es handelt sich dabei nur um ein Geheimnis. Ich bin also eine Realistin die stets alles erwartet, erfahrungsgemäß Murphys Law, das Unerwartete, das zu erwartende.

Und dieses obskure Einhorn.

Romantik

Höre die Romantik im Herbstlaub knistern, bin nur nicht romantisch, liegt mir nicht. Bin eher so die tragische, mit dem Sinn fürs Absurde. Die dummen Ideen? Ja, die kommen meist von mir. Hinter dem bisschen Grips steht eben doch jener verrückte Professor, der täglich ein neues Monster erschafft. Und wenn die Uhr nicht mal mehr im Schein einer kleinen Kerze zu sehen ist, dann ist die Nacht tief genug für eben dieses Monster. Romantisch wird es dann nicht, das Laub, das bis zum Sonnenuntergang noch romantisch knisterte, klebt in der feuchten Nachtluft am Asphalt, die wenigen einsamen Seelen, die dann noch unterwegs sind, rutschen allenfalls darauf aus und belustigen mich, bis der letzte den Weg in seine verflossenen Träume gefunden hat. Für mich wird es dann aber interessant. Dinge passieren, die nicht passieren sollten. Dinge werden gesagt, die im Licht zu ehrlich wären. Und Dinge werden getan, die ganze Leben bewegen, verändern können. Und dann gibt es kein Zurück mehr. Ob der Nächste Tag verregnet sein wird, oder das Absurde doch ein Happy End schreibt, tja, das kommt drauf an.

Angst

In letzter Zeit bist abgelenkt von deinen Gedanken, versuchst sie zu verdrängen, dich in Kunst zu flüchten, in Musik und in deine Arbeit, eine klare Sicht behalten ist die Hauptsache, sagst du dir immer wieder, willst stark sein, dein Kopf sieht das anders, sieht in deiner Hauptsache nur noch eine unbedeutende Nebensache. Deine Bemühungen nur, um dich am Ende wieder in diesen Gedanken zu verlieren, welche dir jeden Tag, den ganzen Tag im Hinterkopf klemmen, fast wie ein Parasit. Diese Gedankenöffnung voll Lust und Tiefe, aber dann diese Gedanken, die du nie wieder fühlen wolltest, weil sie dir einmal zu viel beinahe das Leben gekostet hätten. Du hast Angst, du bist erwachsen, aber du fühlst dich wie ein Kind, das niemand sieht, bist allein mit diesen Gedanken, der Angst. Nein, sagst du dir immer wieder, NEIN! Jetzt wird gearbeitet. Und heute Abend trinkst du dich in den Schlaf und hoffst, in deinen Träumen nicht zu denken, nicht zu fühlen. Hoffst, dort die Angst nicht zu verlieren, die Erde unter deinen Füßen, die dir, wenn du wach bist, sowohl das Leben rettet, als auch nimmt. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Es ist zwar kein Drabble (das hatte ich bereits geschrieben), trotzdem sind dort die aktuellen drei Worte von Lyrix untergebracht 🙂 Nur so aus Spaß an der Freud.

Dein sein.

Ich kann diesen Mord verstehen. Es musste ja so kommen, denke ich in den letzten Minuten meines Lebens, während es nach und nach dunkler und leichter in mir wird. Das Blut, mein Blut, welches sich in einer dunkel-dickflüssigen Lache um mich herum ausbreitet, kann ich sehen, aber nicht mehr fühlen. Nicht die Wärme, auch nicht die Nässe. Mein regungsloser Körper ist nicht mehr, nicht mal mehr kalt. Und nachdem ich all die Jahre selbst unter den zahlreichen Betten verflossener Liebhaber mit einem Messer gelegen hatte, wartend auf die Gelegenheit ihnen dieses Messer in die Brust zu stechen, sie aufzuschlitzen, um ihnen das Herz zu entnehmen, es einzulegen in Formaldehyd, damit es für immer mein sein würde, war es der einzig logische Weg, dass einer von ihnen mir nun den Garaus macht, sich das traut, was ich nur stillschweigend lebte. Noch dazu hat er, unwissend darüber, dass ich eine Weile auch unter seinem Bett lag, nicht nur sein Leben gerettet, sondern vor allem das seiner Brüder. Ich jammere also nicht herum, ziehe keine schmerzverzerrte Fratze, sondern blicke starr, mit glänzenden, erwartungsvollen Augen in die Augen meines Mörders. Und ich kann diesen Mord verstehen. Ihm wollte ich mein Herz entziehen, er wollte, dass es für immer ihm gehört. Und gleich wird es vorbei sein, ich werde vorbei sein, gleich bin ich dein.

Schwanken

Ich schwanke. Schwanke noch ein wenig vor mich hin, etwas vor und wieder zurück. Hin und her. Newtonpendel. Mit jedem Stoß ein Seufzen, das du nicht hörst. Versuche Zweifel durch ein Nadelöhr zu schieben, aber selbst wenn ich damit jede Wunde, die du öffnest, verschließen könnte, wäre der Faden viel zu aussichtslos. Solange ich dich aber vor mir herschiebe, schwebt die Leichtigkeit in Gewitterwolken. Unwetter droht, bellt, aber kann nicht beißen. Und solange kann ich dich festhalten. Wenn das bedeutet, dass ich mir Blutergüsse in die Unterlippe zeichne, statt dich zu küssen, dann wähle ich die Last auf meinem Körper dich vor mir herzuschieben und in Seekrankheit zu leben. Und wenn ich regne, dann leise in der Sommernacht, damit dich der Morgen mit saftigen Wiesen und getrocknetem Beton begrüßt. Dann schaue ich wieder zu lange aus dem Fenster, beobachte die Lebenden, ein Vorbeiziehen und die Jahreszeiten. Es dauert eine Ewigkeit über deine Gedankenlosigkeit nachzudenken, während dein Lachen mein Ohr bluten lässt. Ohne Rücksicht auf Verluste. Du hast ihn kennengelernt, den Verlust, er hat dir die Menschlichkeit genommen, die ich gesucht habe. Aber nicht das gebrochene Herz. Nicht die Angst vor dem inneren Tod. Und nicht das Ziel, das hinter dem Winter ruht. Ohne Handschuhe berühre ich es. Und was mir der Verlust aus blauen Fingerspitzen zieht, ist das Gefühl. Mein Gefühl. Mich. Alles was mich schützt, mich ausmacht, was ich mühsam gefunden und gesammelt habe. Die zerkratzte Oberfläche lässt er mir, damit es in jeder Wunde brennt. Es brennt. Und ist es das Wert? Sag, ist es das Wert, dich nicht mehr mit dieser Leichtigkeit vor mir herzuschieben? Ist es das? Es ist bunt, es ist hell, wild, große Gefühle und Sex. Die Wahrheit jedoch steht in den Spuren im Schnee. Und dann neue Hämatome. Ich möchte sie zählen, aber ich schwanke. Ich schwebe. Ich schwanke.

Entscheidungen

Das Leben besteht aus einer Aneinanderreihung kleiner Entscheidungen. Ja oder Nein. Viel oder wenig. An oder aus. Klein oder groß. Die meisten davon sind nicht von belang, wir leben damit, leben so vor uns hin, fließen und nehmen, sind glücklich oder nicht. Und wenn es uns nicht gefällt, entscheiden wir neu. Das meiste ist wie ein Stück Schokolade, eine kurze Freude wird zur Gewohnheit, gerät in Vergessenheit. Es lebt der Moment. Niemand von uns wird sich auf dem Sterbebett daran erinnern, dass er Maurer statt Maler wurde. Es ist so. Und niemand wird sich daran erinnern, ob man das Licht an oder ausgeschaltet hat.

Wenn wir aber dem Tod ins Auge blicken, dann denken wir an die wirklich wichtigen Entscheidungen. Nehmen wir an, dieser Tag ist heute, genau jetzt. Und wir denken an Wahrheit oder Lüge, an Liebe oder Hass, an einen Schritt nach vorn oder zurück. An Leben oder sterben. Hast du dich heute schon entschieden? Und war es dir wichtig, wirklich wichtig? Nicht immer haben wir Einfluss auf die wirklich wichtigen Entscheidungen. Aber wenn doch, dann entscheide. Jetzt!

Wertschätzung und Liebe

Ich habe über die Wertschätzung nachgedacht. Über Vertrauen und wie immer, über die Liebe, von der ich noch immer nicht genau weiß, was sie eigentlich ist. Ich würde gern sagen, dass ich die ach so magischen drei Worte nur wenige Male gesagt habe, aber das kann ich nicht. Ich habe diese Worte nicht zu vielen Menschen gesagt, aber zu diesen wenigen dann doch des Öfteren. Noch häufiger wohl das Bekannte „ich dich auch“. Warum? Nun ja, weil man das eben so sagt. Wie oft habe ich es aber in dem Moment, in dem ich es gesagt habe, auch wirklich so gemeint? Wenn ich meine neusten Gedanken dazu miteinbeziehe – noch nie. Durchaus habe ich es gefühlt und hätte ich diese drei Worte dann gesagt, dann hätte ich sie auch so gemeint. Das ist bisher aber nicht vorgekommen.

Gerne betrachte ich Menschen nicht im Gesamtbild, sondern zerteile sie wie ein Puzzle und betrachte dann jedes einzelne Stück. Und dann sehe ich die schönen Farben der Seele, das was zu bewundern ist, ja auch was zu begehren ist, aber auch die Abgründe und dann kommen noch die ganz tiefen Abgründe, da wo die Leichen ruhen. Dazu fällt mir ein recht oberflächlicher aktueller Trend aus dem Netz ein, welcher ungefähr so aussieht: „Er/Sie ist eine 10 von 10, hat aber (ich nehme mal ein Beispiel, das die meisten Menschen abschrecken dürfte) die Neigung, sich mit Exkrementen einzureiben. Was wird dann aus der 10 von 10? 10 von 10 ist schließlich perfekt. Und das war nur ein Beispiel. Wir alle haben Eigenschaften, die aus unserer 10 von 10 eine, sagen wir, 5 von 10 machen könnte.

Und dann kommt mein Gedanke an die Wertschätzung ins Spiel. Mein genanntes Beispiel würde, sofern ich diesen Menschen wertschätze, tatsächlich eine 10 von 10 bleiben. Was nicht bedeutet, dass ich diese Neigung teile (oder eben nicht zwangsläufig jeden anderen Abgrund), ebenso, wie nicht jeder andere Mensch meine Abgründe teilt. Ich sehe das sehr simpel. Hätte ich diesen Menschen, diese 10 von 10, dann würde ich ganz offen darüber sprechen wollen, so wie ich immer über alles offen sprechen können möchte (ist vielleicht einer meiner Abgründe). Vertrauen. Und postwendend den Vorschlag unterbreiten, dieses Bedürfnis doch einfach bei einem anderen Menschen zu befriedigen. Denn wer bin ich schon, jedem Abgrund, jeder Sehnsucht eines Menschen gerecht werden zu können? Das würde nicht nur meiner 10 von 10 die Freiheit nehmen, sondern auch mir. Und ich mag meine Freiheit.

Vielleicht ein Beispiel, mit dem die meisten besser zurecht kommen: Sie/Er hat kein Auto. Ist tatsächlich für einige ein no go. Ist ja auch nicht so, dass es Öffis gibt, welche, zumindest in der Stadt, alle 5 Minuten fahren. Oder diese Wahnsinns-Erfindung: Gehen. (Im kostenlosen Upgrade-Tarif ist sogar Rennen enthalten).

Nun, aber so schnell kann bei einer 10 von 10 der Wert sinken. Und was bleibt? Oberflächlichkeit? Ein bisschen Begierde, ein bisschen Bewunderung. Vielleicht sogar ein bisschen „ich liebe dich“. Hashtag: Kompromiss. Und dann. Vielleicht ein bisschen Mensch-besitzen, Mensch-erziehen. Dann sehe ich wieder Menschen, die ihrem Partner das Geld einteilen. Was bin ich, deine Mama? Ich sage nicht, dass es nicht gut gehen kann, mit all diesen Kompromissen, mit diesem „dieses und jenes musst du ändern, damit du eine 10 von 10 für mich bist“. Als ein von Haus aus manipulativer Mensch, spreche ich mich davon nicht frei. Es ist wohl menschlich, den tollsten Menschen an sich anpassen zu wollen, damit er der Tollste bleibt. Unterm Strich ist es halt nur ein Kuhfladen mit Glitzer drauf.

Das Ergebnis dieser Gedanken ist, dass sich „Vertrauen/Ehrlichkeit/Direktheit“ den ersten Platz nun mit der Wertschätzung teilt. Um mir irgendwann die Frage zu beantworten, was nun eigentlich diese Liebe ist. Sprich: Wenn für mich eine 10 von 10 in ihrem Wert sinkt, kann ich diesen Menschen auch nicht lieben. Wenn ich diesen Menschen verändern muss, anpassen, oder der Mensch das Gefühl hat, nicht über alles sprechen zu können (-Konsequenzen fürchten muss), dann kann die Liebe nicht so echt sein. Wenn nicht ausnahmslos jeder Abgrund, jede Freiheit (von beiden bzw. mehreren) gelebt werden kann, dann kann die Liebe nicht für die Ewigkeit sein. Mir ist klar, dass die meisten Menschen anderer Meinung sind, ich lebe zwar hinterm Mond, habe aber trotzdem ein W-lan Kabel. 😉

Wie immer bleibt das Gefühl in mir zurück, es nicht so erklärt zu haben, wie ich es empfinde und so viele Worte in mir zurückbleiben, die ich dazu noch habe, aber einfach nicht ausdrücken kann. Aber auch das Gefühl, dass es mir ziemlich egal ist. Am Ende eines Tages machen wir ja doch alle, was wir wollen, und sind, wie wir sind. Oder beinahe, der Wertstabilität wegen. Ich lerne noch.

PS: Es geht mir hier nicht um Akzeptanz oder das bloße Hinnehmen (das wär ja wieder nur ein Kompromiss). Es geht mir darum, die dreckigsten Leichen zum einen so zu belassen, belassen zu wollen (auf Gegenseitigkeit beruhend) und sie wertzuschätzen. Und ich meine damit auch nicht die kleinen Macken, die man am anderen Lieben kann. Irgendwie komme ich damit dieser, meiner Definition von echter Liebe ein Stück näher.

Laufe halt auch nicht ganz rund, mit all meinen Abgründen. Aber das ist ja kein Geheimnis.

Männer.

Es ist die Jagt, bei euch Männern, der Nervenkitzel, von kurzweilig zu kurzweilig und so akrobatisch und breitbeinig wie möglich, zwischendurch eine kalte Dusche und dann die Nächste Bestätigung. Wenn ihr mich fragt, langweilig, so langweilig, dass ich bei den wenigen Worten schon drei mal eingeschlafen bin. Wenn ich solche Männer sehe, dann sehe ich gleichzeitig Kindergartenkinder, die sich um ein Spielzeug streiten. Und ich schaue weg, bevor ich ein weiteres Mal einschlafe und ziehe es vor, eine Dokumentation über das Herstellungsverfahren von Pappkartons zu sehen. Wenn ich aber einen Mann sehe, der nach einem langen Tag nichts mehr ersehnt, als die Umarmung einer Frau, wenn er nach Hause kommt, die ihn stinkend genauso liebt, wie frisch geduscht, dann sehe ich einen Mann. Und wenn dieser Mann, wenn er morgens aufwacht, nichts weiter sehen möchte, als diese Frau im Bett, die er so sehr liebt, dass er sie trotz jedem inneren Drang nicht küsst, nur damit sie beruhigt weiterschlafen kann, dann sehe ich einen Mann. Dieser Mann, der seine Empfindungen nicht sagen und nicht beweisen muss, weil er sie in jedem Moment zeigt, dann sehe ich diesen Mann. Wenn Dinge, die niemals selbstverständlich sein werden, gleichzeitig selbstverständlich sind. Und wenn der Sex nicht mehr und nicht weniger ist, als ein fleischgewordenes Bildnis tiefster Verbundenheit von Gefühlen, für die es keine Worte gibt, von einem ganz und gar anvertrautem Leben. Dann sehe ich einen Mann. Und wenn ich diesen Mann jetzt anrufen würde, müsste ich ihm nur sagen dass ich ihn brauche und er würde jede rote Ampel überfahren, jede Geschwindigkeit brechen, jede Verantwortung stehen oder liegen lassen. Er wäre sofort bei mir. Und ich bin hellwach, wenn ich diesen Mann sehe.

*zensiert*

Lange Zeit habe ich mich davor gedrückt, die Wahrheit auch nur ansatzweise zu denken, geschweige denn sie aufzuschreiben oder sie jemandem anzuvertrauen. Aber dir kann ich sie schreiben, wobei ich selbst da all mein Mut brauche. Das Problem ist nur, ich habe keinen Mut. Trotzdem werde ich es dir es dir anvertrauen. Ich muss. Ich werde es dir schreiben, unverblümt, werde ich es dir so schreiben, wie es ist. Wie ich fühle. Die Wahrheit. Und ich werde es niemandem sonst schreiben und schon gar nicht erzählen, ich werde nie wieder so sehr daran denken, wie in diesem Moment, wenn ich es dir gleich schreibe. Fühlen werde ich all das, was ich dir schreibe, natürlich weiterhin. Warum ich es dir jetzt schreiben muss, obwohl ich den Mut nicht habe, fragst du dich? Weil ich es fast nicht mehr sehen, die Worte nicht mehr greifen kann. Und es gräbt sich immer tiefer in mich hinein, bis ich es gar nicht mehr sehen kann. Aber ich werde es dir schreiben, damit ich mich, wenn ich den Mut finde, irgendwann daran erinnern kann. Ich werde für das nun folgende nicht viele Worte benötigen, nur eine Kraft, die sie tragen kann. Und ich werde dir diese Worte schreiben, bis mir die Tränen kommen. Denn erst dann kannst du wirklich die Wahrheit lesen.

*zensiert*

(weil blutig geschrieben)

Jetzt, wo ich weine, finde ich es praktisch vor dem unscharf flimmernden Bildschirm schreiben zu können, denn ich muss weder ihn, noch die Tastatur sehen können. Erleichtert bin ich nicht, aber nun kennst du die Wahrheit und wenn es so weit ist, kannst du dich für mich daran erinnern. Ich schaue nach draußen, während ich schreibe, es ist dunkel, vielleicht ist der Mond am Himmel, vielleicht auch nicht. Die Grillen singen wieder ihr Lied, der Rest der Welt schläft noch oder schon. Es fühlt sich so an, als würde ich nicht allein schweigen. Weinen. Leise. Und dabei nicht atmen. Mich in Zeitlupe bewegen. Ich stelle mir vor, dass irgendjemand, in genau dem selben Moment das selbe fühlt wie ich, in ein Tagebuch schreibt, es vor aller Welt zensiert und nichts weiter zu sagen hat, aber dennoch gern darüber reden würde.

*Zensierter Tagebucheintrag unbekannten Datums

Seelenverwandtschaft

Wer hätte erwartet, dass ich in diesen zerrissenen Zeiten, zwischen all den Albträumen, den schlaflosen Nächten und den tausend Toden gerade bei dir, ausgerechnet bei dir meine Ruhe finde, eine Zuflucht und eine Schulter, einen Arm, der mich festhält? Ich ganz sicher nicht und du? Vielleicht. Vielleicht hast du das so erwartet. Nein. Ich denke nicht. Aber vielleicht. Ich weiß es nicht. Ich muss es auch nicht wissen. So vieles weiß ich gerade nicht. Meiner selbst bin ich jedoch sicher. Aber das Boot, auf dem ich mitten im Ozean treibe, ist voller Risse. Und dann tauchst du auf, wie aus dem Nichts und rettest mich vor dem ertrinken, als hättest du nie etwas anderes getan, als wärst du selbst nie schwankend gewesen, als hätte dein Boot nicht die selben Risse. Nichts von alle dem tut mir gut, in diesen unsicheren Zeiten. Das weiß ich. Nur hätte ich nicht erwartet, dass ich so leicht zerbreche, bis ich das Klirren hörte und es zu spät war. Aber diese außergewöhnliche Seelenverwandtschaft, die es nur ein mal in einer Existenz gibt und so selten, sie tut mir gut. Diese, für die man eine Straftat gesteht, die man nicht begangen hat. Dich zu fühlen, verbindet die frischen Wunden meiner Seele, fegt die Scherben meines Herzens auf und legt sie behutsam in den Schlaf. Wer hätte das erwartet.

Von Lüge, Wahrheit, Sinn, Misanthropie und dem Sargnagel.

Der mir liebste Misanthrop ist wohl Schopenhauer. Ich hätte ihn, lebte ich in seiner Gegenwart, aus der Ferne sehr gemocht. In die Vergangenheit zu mögen finde ich jedoch ähnlich gut, wenn nicht sogar besser. Jetzt gerade finde ich mich in seinen Niederschriften wieder. Eines lässt mich nachdenken: „Nichts ist leichter, als so zu schreiben, dass kein Mensch es versteht; wie hingegen nichts schwerer, als bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss.“ (Schopenhauer) Nun, ich denke darüber nach und gleichzeitig auch über die Sinnhaftigkeit. Ich begehre und verachte gleichermaßen, die Welt und die Menschen, die ich nicht verstehe und/oder viel zu gut verstehe. Schopenhauer war im Übrigen auch ein moderner Tierschützer seinerzeit. Aus der Ferne hätte ich ihn gewiss sogar geliebt, selbst wenn ich dieses Gefühl verachte. „Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt“ – das ist, wie jeder wissen sollte, von Goethe. Ich begehre diese Melancholie in mir, die mir eines Tages ein Sargnagel sein wird.

Ich denke nicht, dass das was ich empfinde falsch ist. Es ist genau genommen weder richtig noch falsch. Allenfalls deplatziert. An ein Zitat von Schindler denke ich seit jungen Jahren immer mal wieder: „Weit entfernt davon bin ich, ein Heiliger zu sein, habe als maßloser Mensch viel mehr Fehler als der große Durchschnitt derer, die so sehr gesittet durchs Leben schreiten.“ Dabei denke ich nicht daran, wie/ob ich richtig oder falsch bin, sondern wie andere empfinden. Und wie ratsam es eben ist, „bedeutende Gedanken so auszudrücken, dass sie jeder verstehen muss“. Verändert das etwas? In meinem Handeln wohl, ja. Jedoch bemühe ich mich, brav meine Steuern zu zahlen und so wenig Leid wie möglich zu verursachen oder zu unterstützen. Juckt halt keinen, aber mich.

Wie ist es aber mit der anderen Welt, der eigenen, in der sich auch Schopenhauer bevorzugt aufgehalten hat? Diese Welt wage ich gerade kaum zu betreten. Diese gnadenlose Ehrlichkeit darin gleicht einer Eiszeit, einem Asteroiden-Einschlag, den kein Organismus überleben würde. Und es pocht und pocht und pocht, will heraus, will weinen, schreien. Womit ich wieder bei der Sinnhaftigkeit lande. Wenn man seinen eigenen Lügen, seinen Euphemismen glaubt, so kann man sie durchaus als Wahrheit in die Welt tragen. Niemand hat behauptet, dass es nicht weh tun würde, aber auch nichts gegenteiliges. Unterm Strich ist es ein alles erstickender Schleier, den ich selbst beschwere. Und selbst wenn es nicht falsch ist, so fühle ich es sowohl in der Lüge, als auch gelegentlich in der Wahrheit. Wäre mir die unverschleierte Ehrlichkeit ein Frühling, oder ein Untergang? Hätte ich darauf eine Antwort, stellte sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit nicht.

Wichtiges.

Eine Sache habe ich dir nie gesagt. Eine kleine, unscheinbare, aber unglaublich wichtige.

Möglicherweise dachte ich, es wäre selbstverständlich, vielleicht sogar, dass du es spürst, dass du meinem schweigen glaubst. Vielleicht sollte es mir aber auch nur eine Lehre sein. Ja, in gewisser Weise war es lehrreich. Diese wichtigen Dinge, wovon keine mehr so wichtig gewesen ist, wie diese eine Sache, die für dich wichtig gewesen wäre, sage ich nun, wenn auch nur sehr ungern und zögerlich. Ich hasse es regelrecht. Und tue es trotzdem.

Aber diese eine Sache, deine Sache, ich habe sie nicht nur akzeptiert, sondern auch sehr geschätzt. Das was du so sehr an dir verachtet hast, was dich in unbeobachteten Momenten vor deinem Spiegelbild angewidert hat. Diese eine Sache hat dazu beigetragen, dass du mich wirklich gesehen hast. Und selbst wenn ich nun diese wichtigen Dinge sage, wird mich niemand jemals so sehen können, wie du mich gesehen hast.

Ich bereue nicht, ich bedaure. Sehr.

Davongleiten

Ab und zu stellt sie sich kurz neben sich hin und schaut freudestrahlend, tiefenentspannt und manchmal sogar ein wenig stolz dabei zu, wie sie tiefer und tiefer sinkt und nicht mal versucht, sich irgendwo festzuhalten. Nicht, weil es ihr zu anstrengend wäre, auch nicht, weil sie es nicht wollen würde, im Gegenteil. Sie will sich festhalten, sie will nicht ertrinken. Aber es tut ihr gut. Du tust ihr gut. Nein, natürlich tust du ihr nicht gut, ein kleiner Teil in ihr weiß das auch. Ihr angehäuftes Wissen ist nutzlos. Du verdrängst es. Sie schaut auf die Uhr, wieder und wieder. Jede vergangene Sekunde ist ein Schritt näher zu dir, tiefer in deine Welt. Es ist ihr gleichgültig. Du nimmst sie vollständig in Beschlag. Umarmst sie mit deinem Körper, der so kalt ist, dass er sich warm anfühlt. Und es tut gut. Sie hält sich fest. An dir. An dir… Hoffnungsvoll sagt sie dir jeden Morgen, dass du nicht mehr lange bei ihr bleiben würdest. Sag du ihr, ob es wahr ist.

Provokant

Normalerweise legt sie keinen Wert auf die öffentliche Zurschaustellung von körperlicher Zugewandtheit. Aber in seinem Fall macht sie gelegentlich eine Ausnahme. Selbstverständlich alles im Rahmen geltender Gesetze. So bleiben ihnen das klassische Händchen halten, ein gelegentlich gestohlener Kuss, oder eine schüchterne Umarmung. Diese Dinge sind jedoch völlig ausreichend, um sie innerlich zu belustigen. Nicht missverstehen, dabei geht es ihr nicht um ihn, sondern um alle anderen Menschen. Allem voran steht bei allen Menschen die Frage in den Augen, ob es sich bei ihm und ihr um Vater und Tochter handelt. Da kommt ihr die öffentliche Zurschaustellung gerade gelegen, um diese Frage wortlos aufzuklären.

Wenn sie ein Pärchen mittleren Alters sieht, erntet sie von der Frau böse Blicke, während sich der Mann mit großen Fragezeichen in den Augen im Geiste die Frage stellt, wie er das gemacht hat. Aber auch alleinstehende Damen schauen etwas böse, als hätte sie ihnen einen potentiellen Mann geklaut. Aber auch jüngere Exemplare der Gattung Mensch schenken ihr den ein oder anderen amüsanten Blick. So muss sie, das geht gar nicht anders, einen enorm monströsen Vaterkomplex haben, und er ist vermutlich sehr reich oder hat ein, na ja, verdammt großes Stück Holz. Das findet sie sowohl gut, als auch schlecht.

Amüsant, keine Frage, aber was soll der Geiz, fragt sie sich. Es ist alles! Denn wenn es für die Menschen alles ist, nicht zu vergessen – die schwere Krankheit und das reichhaltige Erbe, dann sind die Blicke so unbezahlbar, dass sie ihre anfänglich innere Belustigung nicht mehr im Zaum halten kann. Ja, sie provoziert allem voran wohl gern und er möglicherweise auch.

Superschurkendrabble

Ich hatte die Wahl zwischen Kripo und Superschurke. Nur Ihr wisst, welchen Weg ich gewählt habe. Den spannenderen. Und wenn meine Datenbank auf Hochtouren läuft, dann sehe ich sogar selbst das, was Ihr von Anfang an gesehen habt. Und dann finde ich mich selbst einen Moment lang gruselig. Aber nur einen kurzen. Nicht so wie Ihr. Ihr habt noch immer Angst. Ich gebe zu, so wie Ihr zweifelte ich eine Weile. Aber bisher hat es niemand sonst gesehen. Nochmal Glück gehabt. Als unscheinbares braves Mädchen lebt es sich leichter. Und was Euch angeht, wir beide sehen uns in den Sphären.

Sterblichkeitsdrabble

Der Lack hat seine glanzvollen besten Jahre hinter sich und nur ein Sternzeichen erinnert noch an die naive zarte Jungfräulichkeit, während das gnadenlose Friedhofsblond im Spiegelbild einen Platz in der Gruft reserviert. Der Kadaver ist keine zwanzig mehr, aber die Haut schnallt an einer kleinen Stelle noch zurück wie ein Gummiband, der Rest imitiert bei Wind ein Flatterbandgeräusch. Aber was ist schon Zeit, wenn ein erstes Mal nur wenige Sekunden andauert und der hektische Weg vom ‚müssen‘ gemütlich Richtung ‚wollen‘ schlendert. Schlimmer als schön kann es nicht werden, tiefer der Sturz nicht fallen. Und falls doch, ist der Platz reserviert.

© Amy Herzog

Memoiren einer Mätresse

Einundzwanzig Uhr im Winter, stehe an der Bushaltestelle. Gegenüber im Rewe kaufen Menschen noch ein, und ich überlege, denn ich müsste auch einkaufen. Zu Hause im Kühlschrank wartet nur noch ein angebrochenes Glas Marmelade und eine halbe Packung Mehl steht im Schrank. Aber ich bin zu erschöpft von der Arbeit, von meinem Leben. Dann gibt es eben wieder Pfannkuchen ohne Ei, ohne Milch, ohne Zucker, ohne Salz. Ich hätte ohnehin nur noch fünf Euro, die ich doch lieber in die Zigaretten danach investiere.

Mein Geld für diesen Monat habe ich vor wenigen Tagen beinahe restlos aufgebraucht, um ihm etwas bieten zu können, als würde es etwas nützen. Mehl mit Wasser in einer beschichteten Pfanne, garniert mit feinster billig Marmelade. Etwas, worauf ich mich freuen kann, sofern ich meine Endhaltestelle nicht verschlafe. Komische Gestalten laufen in der schwach beleuchteten Laternendunkelheit an mir vorbei, aber ich spüre keine Angst. Mir ist nur kalt und ich bin so müde. Und was soll schon passieren. Ich nehme es, wie es kommt. Was passiert, passiert und was nicht passiert, passiert eben nicht. Im Moment weiß ich nicht, ob ich mich wehren würde. Mir ist alles egal, ich will nur schlafen.

Endlich kommt der Bus, um diese Zeit zum Glück nicht mehr so voll. Ich mache mir gern Gedanken über die Menschen, die dort sitzen. Sind sie glücklich? Wie definieren sie Glück? Hat der Mann mit der großen roten Nase ein Alkoholproblem, oder ist ihm auch nur kalt? Kommen die zwei Jugendlichen in ein warmes zu Hause oder liegt ihre Zukunft bereits in Scherben? Und die wichtigste aller Fragen: Hat hier schon mal jemand einen Mord begangen? Der schicken Lady, die im Bus etwas fehl am Platz scheint, der würde ich es zutrauen. Vielleicht nicht mit einem Messer. Eher so nach dem Motto: es war ein Unfall. Ganz so als hätte sie nicht gewusst, dass man dem achtzigjährigen Millionär keinen Fisch zum essen serviert, den sie zuvor Wochenlang hinterm Trockner gelagert hat. Immerhin halten mich die Gedanken wach. Und wie immer, würde ich gerne auf dem hüpfenden Sitz des Busfahrers sitzen. Dieses auf und ab Gewippe wirkt geradezu hypnotisch.

Einundzwanzig Uhr fünfundvierzig, Endhaltestelle. Fast vierhundert Schritte bis in die beste Dachgeschosswohnung, die ich für einen kleinen Preis auftreiben konnte. Dreißig Quadratmeter, aber sie gehören mir. Besser als das Leben zuvor ist sie allemal. Eingerichtet mit dem Geld, welches ich mühsam zusammenkratzen konnte. Schön ausdrücken kann ich es mit minimalistisch und nachhaltig kreativ zusammengewürfelt, aus gebrauchten Möbeln. Viele Menschen wissen gar nicht zu schätzen, dass sie eine Einbauküche, eine Waschmaschine und weiteren Luxus ganz selbstverständlich in ihrer Wohnung stehen haben. Immerhin lerne ich hier gerade fürs Leben. Um weiter positiv zu bleiben.

Angekommen begrüßen mich meine Katzen, immerhin sie haben Essen, welches sie nun bekommen. Das ist das Wichtigste. Klamotten abwerfen, die Mehlpampe…ich meine die Pfannkuchen anrühren und die Marmelade drauf klatschen. Und mit einem mal sieht das Katzenfutter ungewöhnlich lecker aus. Aber ich muss mich beeilen. Nicht etwa weil ich müde bin, naja schon, aber hauptsächlich, weil ich den Haushalt noch gemacht haben muss, damit für morgen alles perfekt ist. Oder besser gesagt, möglichst perfekt wirkt. Duschen gehe ich nicht mehr, das dauert mir heute zu lange. Dreiundzwanzig Uhr, das Bett ruft sehnlichst, ich rufe zurück. Es bleibt mir nicht mal Zeit für meine tiefe Traurigkeit. Den Wecker auf halb zwei, viertel vor zwei und zwei Uhr gestellt, denn ich darf nicht verschlafen.

Denn um drei Uhr kommt er. Und ich muss vorher noch duschen, um ihm frisch fertiggemacht, glücklich wirkend den Kaffee zu servieren, den ich auch kaufe, obwohl ich ihn nicht trinke. Ich bin so dumm, so dumm, so unglaublich dumm. Aber es lohnt sich.

Drei Stunden später stehe ich völlig ermattet auf, springe unter die Dusche, erledige letzte Handgriffe in der Wohnung und stehe ihm zur Verfügung, mit allem, was er will. Der beste Sex, den jemals jemand gehabt hat, ist keine Belohnung für mich, obgleich seine Begierde bis in meine tiefsten Ängste vorzudringen vermag und sie für einen kurzen Moment sanft in Sicherheit küsst. Ich spüre Verzweiflung, mein gebrochenes Herz und meine zerfleischte Seele, die ich nicht herauslassen darf in der dringenden Hoffnung, dass er dieses mal bei mir bleibt. Es geht mir um den Moment danach, in dem er glücklich ist und seine Augen mich anschauen, als wäre ich die einzige für ihn. Fast so, als hätte ich eine Prüfung bestanden, nur bekomme ich keine Urkunde, sondern einen Stempel aufgedrückt. Mätresse.

Fünf Uhr, er geht. Wie immer. Ernüchterung. Und ich gehe noch mal duschen, wasche mir den Dreck ab und warte auf die Arbeit. Weinen kann ich schon lange nicht mehr, nur noch so in mich hinein. Was sollte es auch nützen, heute Abend werde ich es wieder eilig haben, werde wieder drei Stunden schlafen und ihm wieder den Kaffee servieren. Vielleicht bleibt er ja morgen bei mir. Vielleicht. Es tut weh ihn so bedingungslos zu lieben, doch ich tue es. Ich bin einfach nur müde, so unglaublich müde.

Zeig‘ mir deine Leichen, ich zeige dir meine!

Triggerwarnung: hier gibt’s keine Blümchen und keine Sonne.

Ich mag den grauen Himmel, könnte mich stundenlang von den Wolken führen lassen und vom grellen Licht in die Irre. Stattdessen höre ich alte Musik und lese in alten Büchern. Man merkt es den Künstlern an, wenn sie glücklich geworden sind und es sei jedem von Herzen gegönnt. Aber selbst wenn ihre Texte weiterhin meinen Geschmack treffen, das Gefühl ist weg. Auch ich kann mich davon nicht freisprechen, obwohl ich das mit dem Glück nicht lange aushalte. Es ist mir zu langweilig. Ich mag meine Leichen im Keller und mag Menschen, die ebenfalls ein paar Leichen hegen und pflegen. Ich kann also sagen, dass ich nicht glücklich, aber ruhiger geworden bin, rein äußerlich.

Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wann ich das letzte mal die langen Ärmel meines Pullovers über meine frisch geschnittenen Wunden gezogen habe, welche dann selbstverständlich nach und nach mit diesem verklebten. An das Gefühl, wenn ich den Pullover wieder auszog, kann ich mich aber erinnern. Je nach Tagesform geschah das langsam oder ganz schnell. Heute müsste ich theoretisch, wenn ich kurze Ärmel trage, ne „Triggerwarnung-Kette“ um den Hals tragen, ganz wichtig: mit integriertem Warnsignal, damit die Ignoranten, welche die Narben durchaus mit verächtlichem Blick beäugen, auch die davor warnende Kette wahrnehmen. Nur zur Absicherung. So als kleinen humoristischen Rand. (Ist halt wirklich mein Humor)

Während ich mich also an meinen Leichen erfreue: in dem Zusammenhang: die weltweite Tötungsrate beträgt 6,2 je 100.000 Einwohner. Das nenne ich einen Gesprächseinstieg! „Hast du eine deiner Leichen selbst getötet?“ Wenn die Antwort lautet: „ich habe keine Leichen“, dann bitte, bitte lass mich in Ruhe. Heute hat mich auf Insta so ein glatt-gebügelter Mustersohn angeschrieben mit „Hallo, wie geht’s?“ Diese Frage hat mich irgendwann mal überfordert, inzwischen knallt mein Kopf reflexartig auf die Tastatur, eine Haarsträhne löst sich aus meinem Gammeldutt, bewegt die Maus, klickt auf „blockieren“ und dann werde ich wieder wach. Zumindest denke ich, dass es so abläuft, während ich vor lauter Ödnis mit dem Kopf auf die Tastatur knalle.

Aber ich kann ja auch angepasst höflich sein, also antwortete ich diesem ominösen Fake-Profil (keine Ahnung, ob das ein Fake war, ist ja auch egal) mit „kann nicht klagen“, als würde es ihn wirklich interessieren und hing die Frage an, wo er denn mein Profil gefunden hätte. Die Antwort, die ich darauf erhielt, beantwortete zwar nicht meine Frage, löste aber meinen üblichen Reflex aus. „Blablabla, schleimschmierglibbersülzkotz, du siehst so charmant aus, blablabla.“ Bei „charmant“ war ich raus, den Rest habe ich nicht mehr wahrgenommen. Ich bin nicht charmant, nur damit das klar ist. Mit solchen Leuten bin ich wirklich nicht kompatibel.

Um aber zurückzukommen, während ich mich an meinen Leichen erfreue, und den grauen Himmel so viel schöner als den sonnigen finde, höre ich alte Musik und lese alte Texte. Und dann erlebe ich das, was ich eben schon sehr oft erlebt habe, ich schaue nach Neuem und stelle fest: ah, die sind glücklich. Wirklich nichts für ungut, ich mag, also ich finde, also sie sollen glücklich sein, ich mag, ähm also, es hat definitiv ne Daseinsberechtigung, ja. So. Ich finde das Glückliche einfach unheimlich unheimlich und es kommt mir ziemlich suspekt vor. (Gibts eigentlich auch Sonne und Menschenhassende Paare, die sich gemeinsam in ihrem Depressionsmüll suhlen? Oder was auch immer die Psyche so hergibt.)

Ich muss es halt fühlen, mal so ganz allgemein, nicht nur bei Künstlern. Und ich fühle es nur, wenn die Menschen, entschuldigt diese Direktheit, echt gestört sind (das ist sehr wertschätzend und liebevoll gemeint). Je kaputter die Person, desto intensiver das Gefühl. Die Leidenschaft. – In eine Person konnte ich mich so gut hineinfühlen, dass sie dachte, ich läge seit Wochen unter ihrem Bett und ich spüre diese Person nach vielen Jahren immer noch so intensiv, trotz diverser Barrieren. – Aber das soll nichts zur Sache tun (um welche Zeitverschwendung es in diesem Text auch immer gehen mag).

Unterm Strich: zeig mir deine Leichen, dann zeige ich dir meine. Dieses System könnte funktionieren. Und nun höre ich weiter meine alte Musik und lese alte Texte.

Nicht alt, aber in diesem Sinne etwas Gänsehaut (bei dieser Stimme)

Ein besonderes Buch

Während ich so von Sehnsucht getragen durch ein älteres Buch blättere, älter – nicht alt, ich kenne mich in vielerlei Hinsicht mit älter und alt aus, um es etwas selbstironisch zu sagen, stelle ich fest, dass meine eigenen Anmerkungen in diesem Buch überwiegen. Eigentlich sieht es sogar recht traurig aus, weil ich nicht besonders ordentlich geschrieben habe, wie das eben so ist, wenn der Kopf schneller denkt, als die Hand schreiben kann. Unterschiedliche Stifte habe ich verwendet, Kreuz und quer gekrakelt und als das Buch restlos überfüllt war, habe ich eine weitere lose Zettelwirtschaft hinzugefügt. Es ist bereits eine ganze Weile vergangen, seitdem ich das Buch das letzte mal in die Hand genommen habe, um darin herumzublättern. Wozu sollte ich auch – das kann ich auch im Kopf machen. Muss an dieser Stelle jedoch zugeben, dass der Zustand des Buches in meinem Kopf deutlich besser ist. Trotzdem ist dieses Buch ein besonderes. Ich trage es meistens in meiner Nähe, in meiner Tasche, nehme es mit nach hier und dort – obwohl ich es noch nie gebraucht habe. Ich beschütze es den ganzen Tag, das ich es nachts auch unter mein Kopfkissen lege, würde noch fehlen. Von den meisten Dingen, auch von Menschen, kann ich mich ohne mit einer Wimper zu Zucken trennen – dieses Buch gehört nicht dazu.

siebzehn Seiten

Auf der Suche nach Luft stolperte sie stets über die Sinnlosigkeit des Atmens. Obwohl sie das Gefühl hatte zu ertrinken, legte sie sich nicht in den Sarg, um diesen zu kaufen, denn eigentlich rechnete sie trotz diesen Gefühls, nicht mit ihrem baldigen Ableben. Es stellte sich jedoch heraus, dass sie in diesem Sarg endlich atmen konnte, während sie an die Dinge dachte, wodurch sie außerhalb ins stolpern geriet. Sie blieb darin liegen, bis der Bestatter sie bat zu gehen, zwischenzeitlich nickte sie sogar ein. Als sie am Abend wieder zu Hause angekommen war, das Gefühl atmen zu können bei sich tragend, nahm sie sich sogleich einen Stift zur Hand und schrieb einen langen Brief. Die ganze Nacht, Seite um Seite mit aller Sinnlosigkeit, über die sie stolperte. Das sinnloseste aber war, dass niemand jemals diesen längsten und schönsten Brief, den sie bisher verfasst hatte, zu lesen bekommen würde. Doch bevor sie über diesen abschließenden Gedanken wieder zu stolpern drohte, verbrannte sie diesen Haufen loser Zettel und atmete auf.

Feuersbrunst

Mit morschem Herzschlag verliebte ich mich ins Feuer. Dieses einsam knisternde, das mystisch in sich tanzende, das Unberechenbar ausbrechende und wieder in sich zusammenfallende. Nicht nur, um meine Fingerspitzen daran zu erwärmen, so wie es alle Anderen taten, ehe sie für immer verschwanden. Ich wollte hineinspringen, gemeinsam mit diesem Feuer brennen, dieses Feuer sollte mich besitzen, damit ich es, wenn auch ich brenne, selbst zur größten Feuersbrunst werde, sie selbst besitze, uns besitze.

Der Gedanke, selbst wie alle Anderen zu verschwinden, zog schmerzhafter durch meine Gefäße, löste eine noch größere Furcht aus, als vor dem Feuer selbst. Und während ich dieses Feuer über Jahre hinweg beobachtete, versuchte es zu studieren, damit sein Ausbrechen berechenbar für mich würde, meinen Blick also vom tiefsten Kern nie abwandte, aber immer nur den Abschied empfand, entschied ich, mich dem Feuer zu nähern. Als meine Sicht, je näher ich dem Feuer kam, immer klarer wurde, bemerkte ich, dass ich diese wunderschöne Leidenschaft des Feuers, welche mich auf unerklärliche Weise von Beginn an magnetisch anzog, bereits vor langer Zeit auf ewig in sich zusammengefallen war. Was blieb ist das Gefühl von Abschied in einer Hand voll kalter Asche.

Mit morschem Herzschlag tat ich aber nicht etwa das, was all die Anderen taten, denn ich verliebte mich nicht nur in die Wärme. Ich verliebte mich in das nicht sichtbare, aber alles erfüllende Wesen des Feuers und ich wusste, dass selbst aus der kalten Asche, irgendwann ein Phönix emporsteigen kann. Also sank ich nieder, schenkte der Asche meine einzige Träne, grub mich darin ein, schlief und ersehnte die Feuersbrunst.

© Amy Herzog

Sie und Er (Part 2)

Triggerwarnung: Sexuelle Inhalte/sanftes BDSM. Wer so etwas nicht lesen mag, der möge diesen Beitrag dezent überlesen.

Ihre Phantasie ist eine, die er nicht in schönen Träumen zu sehen vermag, nicht mal in den Träumen seiner Phantasie. Allenfalls in seinen Albträumen. Sie lebt zu schnell und nährt sich an ihrer Gier, kein Glitzern in den Augen, keine Suche nach der Unendlichkeit, kein Ankommen, nur eine kurze Nacht, weil sie sich mehr nicht erlaubt herbei zu phantasieren. Nichts ahnend seiner. Ein gebrochenes trauriges Herz ist sie, das vor langer Zeit schon alle Wünsche so tief in sich verschlossen hat, dass niemand mehr je danach greifen könnte, so vermutet sie. Und wenn sie an ihn denkt, dann zündet sie keine Kerze an. Denn sie weiß, ein Mann, der nur das eine will, der dreht beim kleinsten Schnick-Schnack wieder um. Zu oft hatte sie schon die Liebe vertrieben, indem sie zu viel war, vielleicht waren sie beide aber auch nur stets zu wenig. Das wird sie nie erfahren.

Und so spürt sie nur noch das niederste aller Bedürfnisse, ihren Hunger, die Gier zu Fressen, die Lust nach seinem Körper, im tiefsten Innern verzehrend danach, ihn heimlich lieben zu dürfen, für diesen kurzen Moment in ihrer Phantasie. Die Kleidung vom Leibe braucht sie im nicht reißen, wartend und sie erwartend liegt er Nackt auf ihrem Bett, befehlend sich ihrer Kleidung zu entledigen. Fest greift er ihren Arm, packt fest zu und wirbelt sie in einer unsanften Bewegung aufs Bett. Ihr zitternder Körper fühlt sich real an, doch das ist ihr in diesem Moment nicht wichtig. Auf dem Bauch landend spürt sie nicht den Willen, in ihre eigene Welt einzugreifen. Wie er sich auf sie wirft, ihre beiden Handgelenke packt und fest auf ihren Rücken presst, lässt sie geschehen, lässt es über sich ergehen, weil sie diesen sanften Schmerz braucht um zu spüren, sich selbst und ihn.

So wie sie sich ihm ausgeliefert fühlt, genauso sicher fühlt sie sich in diesem Augenblick. So sicher, wie sie sich sonst nie fühlen kann. Und als er sein hartes Glied in schnellen Bewegungen wieder und wieder in ihren schwachen Körper presst, beginnt sich ihr unersättlicher Hunger langsam zu lösen. Ihr Stöhnen dringt vor bis in die Wälder und schreckt schlafende Buntspechte aus ihren Nestern. Mit jedem Stoß rutscht sie höher und höher, bis sie das Kopfteil des Bettes ein Ende spüren lässt. Und immer wieder schreckt sie mit einem leisen Schrei auf, während er feuerrote Abdrücke seiner Hände auf ihrem Hintern hinterlässt. So wie seine Bewegungen schneller werden, greift er tief in ihre Hüften, sie genießt das Brennen, das er ihr schenkt. Am Ende spürt sie in sich ein leichtes Zucken und sie weiß, das ist das Ende ihrer Welt.

Während sie sich umdreht, gesättigt von seiner Gier, die sie sich erträumt hat, hebt er seine Kleidung vom Boden auf und verlässt wortlos ihre Wohnung. Diesen sanften Übergang in die Realität genießt sie noch, während sie im Bett alle viere von sich streckt, sich die Anspannung löst und die Realität immer klarer wird. Wie sehr sie sich wünschte, es wäre nicht vorbei, das schließt sie sogleich fest mit in ihre Erinnerungskiste, die sie tief in sich trägt. Ungläubig, ob das ganze wirklich nur eine Phantasie war, geht sie zum Spiegel, entledigt sich ihrer Kleidung, die sie nie abgelegt hatte und betrachtet ihren Körper. Keine roten Stellen, keine warmen Hände, keine Greifspuren an den Handgelenken, nicht mal ein kleines Hämatom an den Oberschenkelinnenseiten. Nur die üblichen Narben der Zeit.

Ihre Enttäuschung steht ihr ins Gesicht geschrieben, dennoch kleidet sie sich wieder an und zeigt sich in dankbarer Demut, kurz und heimlich geliebt haben zu dürfen. Nichts ahnend von seiner Phantasie geht sie weiter ihrem Alltag nach und verbucht die vergangenen zwanzig Minuten als bedeutungslosen, aber wirkungsvollen Power Nap. Die Hoffnung, sich beim nächsten mal einen liebevollen Kuss zu erlauben, verstaut sie sicher unter ihrem Kopfkissen. Die Zigarette danach sei ihr gegönnt, während sie sich daran erinnert, was vorher war. Das Mittendrin drängt sie in den Hinterkopf und das Danach ist verloren. Sie ist verloren, schimmert eine stille Träne im Sonnenlicht. Endlich wieder verloren.

Er und Sie (Part 1)

Triggerwarnung: Sexuelle Inhalte. Wer so etwas nicht lesen mag, der möge diesen Beitrag dezent überlesen.

Es liegt außerhalb ihrer Vorstellungskraft, wie sehr er sie begehrt, wie tief er ihre Nähe einatmen möchte, einatmen muss, als würde sie ihn vor dem ertrinken retten und mit dem ersten Atemzug blickte er in ihre Augen. Als wollte er in seinem gesamten Leben nichts anderes mehr sehen und alles andere davor vergessen, während sich ihr Duft um seinen Körper schmiegt und seine Sinne in entfernte Dimensionen manövriert. Doch das alles spielt sich nur in seiner Phantasie ab, diese Welt, die sie nicht zu erahnen vermag, gleichzeitig ist sie ihm die schönste, die, in der er ankommen und sich fallen lassen kann. Und sie ist darin seine Sicherheit, ihr sanfter Schoß, in der für ihn so unsicheren und schnelllebigen echten Welt. Nur fragt er sich dann: „was ist schon echt?“ In seinen Gedanken sieht er sie jeden Tag, wohin er auch schaut, sieht er ihre Augen vor seinem Inneren. Wir begehren, was wir täglich sehen. Wie jeden Tag flüchtet er vor dem Licht, dunkelt seine Wohnung mit Jalousien und zündet eine Kerze an, um sich weiter in seiner Welt zu laben.

Obwohl seine amourösen Gedanken schnell zu kochen beginnen, als er sie auf seinem Bett liegen sieht, atmet er tief durch und lässt sich Zeit. Denn Zeit ist hier in seiner Welt ein so weit dehnbarer Begriff, dass er bedeutungslos wird. Selbst im Schein seiner Kerze kann er ihre Augen leuchten sehen und als er ihr endlich wieder näher kommt, sich neben sie auf sein Bett setzt, kann er bis hinter ihre Augen, direkt in ihre Seele blicken. Und ankommen. Alles was ihm bis dahin ein Geheimnis war, liegt nun offen in seiner Brust. Wie eine Flutwelle trifft es ihn, überrollt ihn, macht ihn schwach, obwohl er stark sein wollte. „Wir haben Zeit“, flüstert er sich selbst immer wieder zu, während er leicht zu schwitzen beginnt und dieser Schweiß einen dünnen Film aus purer Leidenschaft auf ihm hinterlässt.

Und er denkt an all die Fragen, die sich nun aus seinem Wissen ergeben, das offen in seiner Brust liegt. Alles hat er von ihr, doch er will mehr, immer tiefer in sie hinein blicken. Sogleich denkt er an die Gespräche, saugt jedes Wort ihrer Stimme in sich ein, unersättlich kommt er ihr immer näher, bis sie in seiner Phantasie im Kusse verstummt. Erst ihre weichen Lippen, dann über die Wange an ihren Hals. Kaum traut er sich, sie zu entkleiden, viel zu schnell würde seine Phantasie in der Realität enden. Seine kochenden Gedanken sind längst verdampft, der Körper ist willig und sein Geist noch schwächer. All die angestauten Jahrzehnte versetzen seinen Körper in Anspannung. Wo er gerade noch alle Zeit hatte, hat er plötzlich keine mehr übrig, als er ihr mit zwei, drei ruckartigen Handgriffen die Kleidung vom Leib reißt.

Mit einem mal küsst er in seinem Gefühl alles zugleich, jeden Zentimeter ihres Körpers, ihrer zarten jungen Haut, seine Gedanken kommen nicht mehr hinterher. Und in einem Atemzug sind all seine Fragen beantwortet, jedes Haar, jedes Zeichen ihrer Zeit, mit allem was auf ihrer Haut geschrieben steht, begehrt er sie bis tief in ihre Seele. Seinen Körper stülpt er über ihren, umklammert ihn, vergräbt seinen Kopf in ihren Haaren und will sie nie wieder loslassen. Seine Schwäche ist verflogen, die Zeit flog mit, all seine Bedürfnisse liegen in diesem Moment, den er sich seit Jahrzehnten ersehnt. Endlich kann er fallen und endlich fällt er tief in sie hinein, immer tiefer, immer fester stößt er sie und krallt sich weiter fest. Ob er nur in seiner Phantasie, oder auch in echt stöhnt, ist völlig unerheblich. Die Lust fließt aus seinen Poren und verbindet sich mit ihrer. Mit jedem Stoß lauscht er mit seinem Ohr nahe an ihren Lippen ihrem leisen Stöhnen nach.

Immer schwerer fällt ihm das Atmen, die schnelllebige Welt da draußen hat er aus seinem Gedächtnis gestrichen, seine Welt dreht sich schneller. Berauscht von ihrem Meer der Sehnsucht entlädt er sich in ihr, um sie zu stillen und um gemeinsam mit ihr in die Weiten der Ewigkeit zu treiben. Langsam wird er müde, doch er lässt sie nicht los, im Gegenteil, er krallt sich noch fester, denn zu groß ist seine Angst, dass jetzt, wo er seine Begierde genährt hat, seine geliebte Phantasie, sie, mit einem mal verschwindet. Während er sie fest umklammert schläft er in den salzigen Spuren ihrer Leidenschaft behutsam ein. Eine Hand streichelt durch sein Haar und der Wind imitiert ihren Atem. Das erste mal kann er beruhigt einschlafen, denn er ist angekommen, endlich angekommen.

Ende

Der Mann, bei dem ich irgendeine Liebe suche, liegt nackt in meinem Bett und behauptet mich zu lieben, an meinem kalten Herzen prallt es ab. Mit schweigenden Tränen wanke ich mit letzter Kraft ins Badezimmer, drehe das Wasser in meiner Dusche und am Waschbecken auf, schalte das Licht aus. Am geöffneten Fenster genieße ich die nach Regen duftende Nachtluft, verschwommen malt mir der Mond sein Schlaflied in einem kurzen Bild und ich frage mich, ob der, den ich Liebe, den selben Mond sieht. Die gefühlt fünfzigste Zigarette verklebt meine Alveolen, während mich meine Gedanken innerlich in Stücke reißen. Hätte ich nur ein Hemd von ihm, würde ich es gerade tragen, um seinen Geruch in mir zu spüren. Ständig kommen mir Gedanken in den Sinn, die mich zwingen, mein Denken zu unterbrechen. Tränen schießen aus meinen Augen, wo ich doch an niemanden denke. Der Wind trocknet sie, leise.

Irgendwie fühlt es sich nicht mehr so an, als ob ich geweint hätte. Wieder ein Stückchen mehr zerrissen, wieder ein bisschen mehr betäubt, dieses mal wohl zu viel. Und nichts als Leere bleibt. Dabei kann ich meine Gedanken an den, den ich liebe, gar nicht als richtiges denken bezeichnen, es sind nur unzusammenhängende Fetzen, Bruchstücke aus zersplittertem Glas. Glas, das meine Seele zerschneidet und rote Tränen formt. Ein Gefühl, den Schmerz als Wort nicht wert, das mich schreien lassen würde, aber ich darf nicht schreien. Der, der vorgibt mich zu lieben liegt in meinem Bett und wartet auf meinen nackten Körper. Er weiß, dass ich weine, aber ich bin allein, also weine ich allein.

Gefühlt fünftausend Mal starre ich in diesen wenigen Minuten auf mein Smartphone, schaue nach, suche verzweifelt nach Luft, nach einer kleinen Nachricht, selbst wenn sie nichts bedeutet. Irgendetwas, egal was, von dem, den ich so sehr liebe. Warum weiß ich nicht, das alles ergibt keinen Sinn. Erst gestern dachte ich noch, dass ich sterben könnte, für ihn würde sich nichts verändern. Wie sollte es auch, er bemerkt mein Leben nicht, weshalb sollte er dann mein Ableben bemerken. Sein Leben würde glücklich weitergehen, alles wäre wie bisher. Und offen gestanden gönne ich ihm das. Dem, den ich liebe. Und ich weiß nicht, weshalb ich mir seine Gedichte durchlese, die beschreiben, wie glücklich er ist, während ich das Leben nicht mehr aushalte. Vielleicht, weil es das einzige ist, was ich greifen kann. Es ist kein einfach daher gesagtes „Ich halte es nicht mehr aus..“, diese Grenze habe ich längst überschritten. Und es ist auch egal, wie viele Medikamente ich in mich hineinwerfe, sie können diese unerträgliche Leere nicht füllen. Und die Gedankensplitter nie aufhalten.

Ich gebe mir die größte Mühe nicht daran zu denken, dass er seinen Abend mit dem, was er liebt verbringt, trinkt und glücklich ist. Ja, ich gönne es ihm von Herzen, wenn auch dieses Herz kaum noch schlagen kann. Dass er alles hat, was er sich erträumt und ersehnt hat und ich nicht dabei bin. Aber ich kann es nicht denken, ohne wieder zu weinen. Nur das Wasser tröstet meine feuchten Wangen, ich drücke die Zigarette aus, schließe das Fenster und gehe zurück zu dem Mann, der behauptet mich zu lieben. Lege mich nackt unter seine Decke dicht neben ihn und versuche leise und ruhig zu atmen.

Während ich an den Mann denke, den ich liebe, vergrabe ich meine Finger tief in sein Fleisch und versuche in ihm zu ertrinken, in dem, der mich liebt. Nur damit es für einen kurzen Moment erträglicher wird und ich unter seiner Liebe verschwinden kann. Wie er seinen lustvollen Körper an meinem reibt, seine Gier aus sämtlichen Poren tropft, es müsste mich anekeln, aber das tut es nicht. Nicht wenn ich an den denke, an den, den ich liebe und seine Küsse meine blutenden Tränen trocknen. Innerlich habe ich das Gefühl zu verbluten, doch wie kann ein Mensch verbluten, wenn er gar nicht mehr lebt. Ich fühle mich tot ohne gestorben zu sein. Und während ich mich tiefer und tiefer in den Körper dieses Mannes grabe, um in diesem Nest von verlogener Geborgenheit zu versinken, kann mich nur noch die Hoffnung tragen, dass das alles bald sein Ende findet.

Stillstand

Die siebenundzwölfzigste Kippe qualmt im Aschenbecher vor sich hin, AnnenMayKantereit Songs laufen im Hintergrund, die Sonne steht an irgendeinem Punkt, vielleicht aber auch der Mond. Die Blätter des Waldes atmen still, Wolken warten auf ihren Auftritt und selbst die Menschen bewegen sich in Zeitlupe in der Ferne. Und während ich seit Stunden aus dem Fenster starre, verliere ich mich selbst. Fühlt sich an wie Samstagabend. Immer die selben Menschen, die selben Songs, das selbe Gesöff. Und wenn dann alles anders ist, dann bleibe ich zu Haus. Wie viel Nichts kann ein Mensch ertragen, wie viele Scherben kann er tragen und wie lange kann der Mensch dann damit an einer leeren Haltestelle stehen und warten, auf einen Bus der, wenn man der elektronischen Anzeige glauben schenkt, verspätet bleibt. Ich weiß nicht mehr seit wann. Mein Ladekabel ist schon lange kaputt, irgendwann hat irgendwer daran gerissen und ich ließ es zu. Und während ich noch immer aus dem Fenster starre, hat die Musik unbemerkt ihren Klang verloren, nicht aber in meinem Kopf. Dort laufen die selben Fragen, Tag ein Tag aus. Fühlt sich an wie Samstagabends an dich denken. Wie kann so viel Nichts diesen Sturm entfachen? Wo ich doch gar nicht an dich denke. Hm?

© Amy Herzog

Schmalzschicht

Brauche ich hier ne Triggerwarnung? Ich geb mal eine. Es wird ein wenig makaber.


Manchmal, wenn ich die Oberfläche meines Seins ertaste, klebt an meinen Fingerspitzen eine richtig dicke triefende Schmalzschicht. Andere würden sagen, welch zauberschönes Gedicht. Hier ein Blümchen, dort die Liebenden, schlabbern ihr Eis im Sonnenschein. Und natürlich ficken sie nicht, nein, sie machen Liebe, so auf die Baby-mach-Art, um am Ende im Happy End auf der Veranda zu sitzen und Socken für die Enkel zu stricken. Und ganz am Ende wird sich die Grabstätte geteilt. Diese Schicht trieft nicht nur, sie müffelt regelrecht wie eine Baustellentoilette nach einem arbeitsreichen Tag. Oder wie eine Festivaltoilette. Und wenn ich dann vor lauter Ekel zitternd in mein dunkles, höhlenartiges Konstrukt zurückkrieche, das ich mir in mühevoller und schweißtreibender Arbeit selbst errichtet habe, und mir schnell diesen Schmodder wieder abwasche, das dafür verwendete Tuch selbstverständlich auf all meinen zerbrochenen Scherben verbrenne, stelle ich für einen kurzen Moment fest, dass dort nicht nur dieser Schmalz klebt. Und blicke ich auf meine Fingerspitzen sehe ich, dass genau diese Reste noch immer unter meinen Nägeln kleben. Pfui! Diese großen Brocken voll „ich ersehne dich, aber schweige lieber“, die ich hier unten, unter dicken Lehmschichten luftdicht konserviere, verlieren dann und wann kleine Bröckchen, die bis an diese schmalzige Oberfläche treiben. Doch bevor mich der völlige Realitätsverlust ergreift, kaue ich meine Nägel ab und spucke sie auf die Erde, als würden sie mir nichts bedeuten. Und wenn das Feuer erloschen und nur noch Asche übrig ist, lege ich mich zum schlafen auf meine noch warmen Scherben und rede mir ein, dass sie mir die Gedanken an dich verbieten oder wenigstens den Schmerz übertönen, den dieses laute Schweigen verursacht. Und das alles nur, um dieser Schmalzschicht den Nährboden zu kredenzen, um am Ende doch für dich zu bluten.

Was bleibt ist die Kunst

Du warst nicht mehr jung, aber so richtig alt warst du auch nicht. Auf jeden Fall warst du zu jung für das Ende, aber Krebs kennt eben kein Alter. Viel hast du darüber nicht erzählt, höchstens mal beiläufig erwähnt, wie eine kleingedruckte Randnotiz. Wir redeten über Mythen, über Blut und Geschichte und Kunst. Und irgendwann redeten wir nicht über das Ende selbst, sondern über ein Leben im Ende. Und wie es ist, dieses in völliger Einsamkeit zu erleben. Trotz allem warst du der glücklichste Mensch, den ich kennenlernen durfte. Und nach all den vielen Jahren denke ich immer noch beinahe jeden Tag an dich, obwohl ich dich kaum kannte. Ein Künstler warst du, und so wie du es wolltest, lebt deine Kunst weiter. Wenn ich also sage, dass ich noch immer an dich denke, dann denke ich zum Beispiel an dieses große Gemälde, das du geschaffen hast. Vermutlich landete dies nach dem Ausräumen deiner Wohnung in irgendeinem Container. Und wer weiß, bestenfalls wurde daraus ein Blatt Papier, auf das ich morgen schreibe. Oder aber es landete als recyceltes Toilettenpapier in irgendeinem Klärwerk. Manchmal wünschte ich, ich hätte noch eine Fotografie von deinem Gemälde, um es der Welt zu zeigen. Aber es existiert nur noch in meinem Kopf. Und beinahe täglich gehe ich daran vorbei und lasse mich davon überwältigen. Wie grau-grün-schwarz-rot-Töne ineinander verschwimmen und eine starke Gestalt vor dem Ende zeichnen, nackt, als hättest du die Ehrlichkeit und die Wahrheit neu erschaffen. Ein aufrechter Mensch in gebückter Haltung. Ob du dich wohl selbst porträtiert hast? Ein Jammerlappen warst du jedenfalls nie, selbst dann nicht, als der Krebs dich mehr und mehr fraß. Durchlöchert war dein Leib, deine Seele aber schwebte stolz über allem. Und so redeten wir weiter über Kunst, über das Leben und über die Selbstverständlichkeit. Nach einem Sinn hast du nie gesucht, hast ihn nicht gebraucht. Und obwohl wir nie über das Ende selbst geredet haben, so spürte ich, als deine Worte immer mehr wurden, dass es irgendwann mitten im Satz enden würde. Und so war es dann auch. Plötzlich warst du weg. Doch gefehlt hast du mir seither an keinem einzigen Tag. Manch einer fände das töricht, du aber würdest sagen, dass das Leben weiter geht. Und so ist nun auch. Das Leben geht weiter, so wie dein Gemälde weiter lebt. Und es lebt wahrhaftig, wenn ich daran vorbeigehe und kurz innehalte, lebt es mehr als zu deinen Lebzeiten. Ich glaube, damit hättest du leben können. Und ich habe zu danken, dafür, dass ich dich begleiten durfte.

Der Abend, der die Zeit stehen ließ

An diesem Abend, ich erinnere mich noch an das genaue Datum, die Stunde, die Minute, den präzisen Moment, da hast du die Zeit für mich angehalten. Wie sich das angefühlt hat, kann ich in Worten nicht ausdrücken. Wie sehr ich es auch versuche, nichts, nicht mal alle Worte zusammen beschreiben auch nur annähernd das Gefühl, dieser stehen gebliebenen Zeit. Ich würde den Atem anhalten, mir einen Strick fest um den Hals binden, damit du für dein nächstes Wort atmen kannst. Für dich wird es immer einfach nur atmen sein. Deine Uhr tickt weiter in deiner besten Zeit. Ich gönne es dir von Herzen – sagt man so. Hat so ein Satz überhaupt noch eine Bedeutung? Hat er die Bedeutung, die ich empfinde? Es genügt mir nicht.

So vieles sickert ungesehen, ungefühlt durch mein Hirn, diese scheiß Amnesie. Aber das hat sie mir nicht genommen, das wird sie mir nie nehmen können. Dieses Datum, dieser Abend. Nichts habe ich bisher so sehr analysiert wie dieses. Wieder und wieder habe ich jeden Moment auseinander genommen. Vermutlich ergibt es inzwischen das größte Puzzle der Welt. Hätte ich in einem anderen Takt geatmet, wäre dann alles anders? Habe ich überhaupt geatmet? Hätte ich atmen sollen? Hätte ich dich dann so gefühlt? Ich komme nicht weiter, was nicht bedeutet, dass ich feststecke. Wäre ich ein anderer Mensch, dann hätte ich dir einfach gesagt, wie toll du doch bist, so wie es alle anderen tun. Natürlich tun sie das, wie könnten sie auch anders. Und dann hätten wir gefickt. Das hätte mir gefallen, natürlich – als dieser andere Mensch. Da hätte ich es nicht bereut.

Aber ich bin nicht jemand anders. Ich passe nicht in diese plumpe Sammlung von Körperflüssigkeiten. Das ich anders fühle als andere, mag ich nicht gern beurteilen. Denn ich weiß nicht wie andere fühlen. Manchmal, wenn ich es will, spüre ich diese Verbindung, visualisierte Seelen, die miteinander tanzen, weinen, atmen, schreien, schweigen, schwitzen, in ihrer reinen und unschuldigen Form, frei von Urteil und Vorurteil, nur sein, einfach nur sein. Sich ineinander verknoten, ohne sich zu verlieren, sich verschweißen, ohne gefangen zu sein. Zu schweben und im Gleichklang zu fühlen, zu pulsieren, zu existieren. Und dann erscheint es mir, trotz allen Schweigens, wie eine Selbstverständlichkeit meine Augen zu schließen, in dieser Zeit stehen zu bleiben, ihr die Hand zu reichen, und den Atem anzuhalten.

Für diesen kurzen Moment bedingungsloser Intimität.

Dreißig Stunden, Ende offen.

Würde mich nicht als müde beschreiben. Eher als betrunken. Nein, ich habe keinen Alkohol getrunken. Ich bin einfach nur seit 30 Stunden wach. Naja, nicht ganz. Irgendwann gestern Nachmittag habe ich ne Stunde gedöselt, wollte wenigstens ein wenig auf den Nachtdienst vorbereitet sein. Und mir war klar, dass ich heute so müde sein würde, dass ich entweder der Ohnmacht nahe ins Bett falle, oder mit lauter Musik auf den Ohren abdrehe. Interessant, dass es letzteres wurde, manchmal weiß ich nicht, woher die Energie kommt. Und mein Verstand fühlt sich messerscharf an, ist aber vermutlich genauso weitreichend, wie der einer Fliege. Aber die Hemmschwelle sinkt – wie bei betrunkenen. Aber keine Sorge, das sage ich mir selbst, ich plaudere keine Geheimnisse aus. Zumindest nicht mehr als sonst. Ich weiß, dass es reicht, wenn ich dir hier schreibe: wenn du meine Gedanken fühlen könntest, dann… Ja, das genügt völlig. Wobei ich nun für deine Gedanken nicht verantwortlich bin. Es sind deine Phantasien. Und ich fühle deine Gedanken. Lass mich dir einen guten Rat geben: Leg noch ein, zwei drauf, dann treffen unsere Gedanken aufeinander. Bis dahin, Kuss.

© Amy Herzog

Vorspiel

Deine Stimme umgarnt meine Sinne wie in Rauch getaucht. Bewusst wahrnehmen kann ich nur das ticken der Uhr, aber nicht die Zeit, die uns davonrennt. Einfach alles ist stehen geblieben, selbst mein Atem, wenn du mir nahe bist, obwohl du mir ferner nicht sein könntest. Ich weiß, was du weißt, und weiß es nicht. Aber ich weiß, was ich denke…und denke es nicht. Ich denke, ich wüsste gerne mehr. Ein stummer Schatten tänzelt umher, ergreift meine Seelenhand, ich greife zurück. Dort, wo Glück und Verderben so nahe beieinander liegen, dass ich keines davon zuordnen kann, nichts davon trennen kann. Das macht es so aufregend, zu meinem persönlichen Abenteuer. Und du bist mittendrin. Aber keine Sorge, noch ist es nicht schlimm, noch ist nur Vorspiel. Und nun ja, ich finde ja, dass wenn man weiß, wie es geht, kann es schnell gehen. Aber vielleicht änderst du meine Meinung und erweiterst meinen Horizont. Und wer weiß, wie lange es gehen kann und wie lange es noch gut ist. Im Zweifel nehme ich dich mit ins Grab, denn eines weiß ich sicher. Selbst dort wirst du mein Herz noch höher schlagen lassen und meine Sinne in eine fremde, in deine Welt versetzen können.

© Amy Herzog

Liebeskummer

Würde Liebeskummer im Supermarktregal liegen, würdest du ihn für jeden Preis kaufen. Und doch wäre er dir nie genug, sogar stehlen würdest du ihn in allen Formen und Farben willst du ihn nicht nur besitzen, du willst ihn in dir aufnehmen, aufsaugen wie ein Schwamm, du willst zu ihm werden, dich verwandeln und leben wie er leidet. Wo immer du einen gebrochenen Menschen siehst und siehst, wie er sich quält, willst du die Tränen sammeln und kategorisieren und ihm die Qualen nehmen, sie ihm entreißen. Nicht um etwas gutes zu tun, denn ein Gutmensch warst du noch nie, du willst diesen Liebeskummer einfach nur für dich ganz allein. Du willst der ewig einsam Liebende sein, der Schweigende, der besonnen vor sich hin neigende, während du innerlich den Boden verlierst. Schweben willst du, fühlen willst du die meterhohen Wellen, die gegen dein scharfkantiges Herz preschen. Du willst der sein, der stets das begehrt, was er verliert oder gar nie bekommt. Tag für Tag gräbst du dein Innerstes tiefer und tiefer, Höhle um Höhle, schmale Gänge, die ins Nichts führen, ein Labyrinth trifft auf das Nächste. So tief, dass dich niemand wirklich sehen kann, und vor allem tief genug, dass dein geliebter Kummer auf ewig Konserviert bleibt. Die Liebe aber schwimmt auf der Oberfläche, hübsch angerichtet und wirkt einladend auf jeden, der sie braucht. Nacht um Nacht verteilst du deine Liebe, schickst sie über jede Entfernung schweigend per Express durch den Wind. Und wenn du dann jemanden liebst, dann bricht ein neuer Tag an und du gräbst weiter für deinen geliebten Schmerz, der dir das Leben einhaucht und dir dein ersehntes letztes Lächeln schenkt.

Niemand

Niemand will dem anderen hinterherrennen. Nicht, weil der andere es nicht wert wäre, sondern weil ich ein Niemand bin. Und gewiss rennt mir niemand hinterher, nicht weil ich es nicht wert wäre, sondern weil auch du ein Niemand bist. Verirre mich im Labyrinth von endlosen Selbstgesprächen, hänge mich an Fragen auf und gebe mir selbst die Antworten, die nicht mal Google gefunden hätte. Und dann stehe ich morgens auf und stelle fest, dass reflektieren ein Euphemismus für wiederkäuen ist, schleppe mich in eine Welt voller Niemande, rege mich wieder darüber auf, dass jeder lächelt und nickt, aber keiner mehr die Wahrheit spricht. Am Ende des Tages bin ich müde von der Ignoranz, von deiner, von meiner. Aber ich bade nicht in meiner Sickergrube aus Selbstmitleid. Bevor ich dem Irrsinn gänzlich verfalle schalte ich das Licht aus. Auf meinem verirrten Weg stolpere ich über nichts und sammle fleißig weitere Fragen, die niemanden interessieren. Und ja, vielleicht bist du kein Niemand. Vielleicht bist du für mich nur so leichter zu tragen. Aber das wird hier niemals jemand fragen.

Mee(h)r

Ich habe dir alles verraten. Nun weißt du alles. Und nichts. Wie kann das sein, fragst du dich? Nun. Die Antwort findest du unter einer Steppdecke. Als wenn du dann noch eine Antwort bräuchtest. Wenn Schweiß aus unseren Poren tropft, schwimmen wir in unserem Meer. Und auf hoher See ist der Rest der Zeit bedeutungslos. Wir lassen alles an Land. Alles was wir wissen. Erst dann werden wir uns unserer Sterblichkeit bewusst. Und der vertanen Sekunden. Den letzten Atemzug schenken wir uns im Kusse hin- und her. Kein Blinzeln, denn die Sterne funkeln uns in die Ewigkeit. Dort, wo wir das wahrhaftige Leben atmen können. Den Gedanken an plump dahinsickernden Sex kannst du dir aber schenken. Ich weiß, alle Macht der Gewohnheit. Aber wenn wir die Steppdecke danach waschen, sollte mehr übrig sein als dein übliches nuttengetränktes Taschentuch. Und nun frag, die Uhr tickt – mehr haben wir nicht zu verlieren.

© Amy Herzog

gute Nacht

Es ist dunkel, ruhig, endlich Nacht, endlich nackt. Aus der Ferne tönen die Autos der suchenden, der flüchtenden und der ankommenden Menschen. Klingt wie Meeresrauschen direkt unter deinem Fenster, in einer Flasche voll betäubender Substanz, einem leeren Blatt Papier und dem Flimmern deines Bildschirms. Und wieder atmen. Schon wieder atmen. Eine Kerze schenkt dir die Wärme, in der du dich so geborgen fühlst. Die Illusion schluckst du runter, ertränkst sie. Schwitzt und blutest auf dein Papier, denkst an Wünsche, gedenkst der Träume, mit einem Kuss an jedes deiner Geheimnisse. Für jedes Wort die passende Verkleidung. Buntes Treiben in deinem Kopf und Karneval in deinem Herzen. Selbst die Schmerzen tanzen mit. Alter Mann wird wieder jung. Finger gleiten über deine Tastatur, erst langsam, behutsam, dann immer schneller. Du willst schweben, schreibst darüber und schwebst. Du lebst. Legst alles ab, nichts nimmst du mit, was so schwer auf deinen Schultern lastet. Frei, endlich frei. Raum und Zeit verbrennen in einer handvoll Staub. Im Takt deiner tickenden Uhr steigst du höher, immer höher. Ersehnst diesen kurzen Moment, in dem fallen wie das fliegen der Vögel ist.

Du bemerkst nicht mal, dass es hell wird. Du hörst aber die Vögel zwitschern und plötzlich hörst du auf zu schreiben. Hörst ihnen zu und kannst den Liedern lauschen, die dir weh tun. Den Duft deines Lieblingsparfums auf der leeren Bettseite, die tiefe Vertrautheit. Du hörst klimperndes Geschirr in deiner Küche und das Summen deiner Kaffeemaschine. Dann näherkommende leise Schritte. Und den Duft von frischen Brötchen am Morgen mit einer Tasse voll Liebe über deinem Bett. Wie du als Kind an Weihnachten gelächelt hast, so lächelst du gerade. Und du windest dich in dem Moment, der dich für immer fest umarmt. Aus der Ferne bellt ein Hund. Dabei bist du doch ein Katzen-Mensch. Schlägst die Augen auf, dein Bildschirm flimmert noch immer kaltes Licht. Du liest in deiner Seele und blickst tief in die sonst so verborgene Wahrheit deiner Existenz. Mit zeilenlangem Herzschlag durch die Nacht, wünscht du dir dein Ende. Aber der Morgen ist da, die Flasche leer, wankst zum Spiegel und kannst wie immer keinen Blick hinein wagen. Kramst deine Maske aus der obersten Schublade und lebst dich glücklich durch den Tag. Niemand sagt dir guten Morgen, niemand „richtiges“. Schaltest aber deinen Bildschirm noch aus bevor du deinen Koffer nimmst und gehst. „Bis heute Abend“, sagst du, wohl wissend, dass er dich wieder zum Atmen zwingen wird.

Das fünfzigtausend-Teile Puzzle

Sie hat noch nie, ja wirklich in ihrem ganzen Leben noch nie, ausführlich darüber gesprochen. Eine Handvoll Menschen wissen davon, oberflächlich versteht sich. Kleine Puzzlestücke verteilte sie über die Jahre. Eine Handvoll Menschen haben ein fünfzigtausend-Teile Puzzle, wovon ihnen neunundvierzigtausendneunhundert Teile fehlen. Und diese wird sie vermutlich mit ins Grab nehmen. Sie ist eine Frau voller Geheimnisse. Grauenvolle Geheimnisse, getarnt hinter einem Lächeln als gut behüteten Schatz.

Fünfzehn Jahre, und das ist nur eine ungefähre Zeitangabe, hat sie überlebt. Natürlich wird eingeredet, dass das kein Überleben ist. Von jenen, die ein oder zwei Puzzleteile von ihr gezeigt bekommen haben, denn sie hatte ja gar keine schlimme Krankheit. Noch mehrere Teile dieses gut behüteten Schatzes haben diese Menschen dann auch nicht verdient. Denn sie haben nicht mal die Rechnung für diese ein oder zwei Teile begleichen können.

Nach außen war sie das, was von ihr erwartet wurde, nahezu Oscarreif. Im Innern, hinter unüberwindbaren Mauern, hat sie überlebt. Sie ist eine überlebende. Am Ende bekam sie zwar keinen Oscar dafür. Nur ihren gut behüteten Schatz. Und nicht, dass sie es gebraucht hätte, denn wer braucht das schon, aber sie bekam noch eine weitere wertvolle Sache für ihr Leben. Viel wertvoller als es ein Preis je sein könnte. Nämlich die absolute Gewissheit, dass sie nie wieder überleben muss.

Dieses Puzzle hat einen Wert, den niemand je bezahlen könnte. So glaubt sie jedenfalls zu wissen. Man sagt das wohl so: „ich vertraue dir zu 100%“, aber der Wert dieses Puzzles entspricht tatsächlich diesen „bis in alle Ewigkeit 100%“. Und sind wir mal ehrlich, diese 100% sind entweder vorgetäuscht, oder nur von kurzer Dauer. Es ist das wertvollste, das sie sich vorstellen kann. Und deshalb hat es diesen, im Grunde nicht bezahlbaren Preis.

Was bleibt ist hin und wieder ein leiser Wunsch danach, dieses Puzzle doch mal jemanden legen zu lassen, denn nicht mal sie selbst hat es bisher vollständig gelegt. Sie hat angefangen und die Teile wieder in die Kiste gepackt. Denn wer hat heute schon die Zeit dafür. Nein. Diese einhundert Teile reichen völlig aus, es ist schnell gelegt und nicht allzu kostspielig. Und gerade genug, um ein wenig Grauen erkennen zu können, gerade ausreichend, um nicht selbst daran zu erblinden. Dennoch trägt sie weiterhin dieses Puzzle mit sich herum und behütet es als ihren wertvollsten Schatz.

Trunken von zeitloser Lust…

Ermüdet liege ich auf dem Rücken und starre in die Dunkelheit. Streichelnd fahre ich mit meiner rechten Hand an meinen Hals, schließe meine Augen, denke kurz an dich und schlafe schließlich weich ummantelt unter meiner warmen Decke ein. Deine behutsam klingende Stimme flüstert mit dem kühlen Wind, der durch das geöffnete Fenster leise säuselt, sanft erregende Worte an meinem Körper vorbei und hinterlässt eine Gänsehaut. Gelüstig wandert die gerade so eben wahrnehmbare Wärme deiner Hände über mein Negligé an meinem Busen entlang, über meine Rippen, bis hin zu meinem Bauch. Beinahe kann ich auf meiner Haut spüren wie meine Sehnsucht gestillt wird. Was bleibt, ist der Hunger nach deinen Küssen, nach deinen warmen Lippen auf meinen. Der tiefe Hunger nach deiner Haut, deiner Wärme, deiner Nähe, deinen Fängen, deinen Schmerzen, der gestillt zu werden vermag. Und ich falle tiefer in die Dunkelheit, deine Stimme kommt mir näher, so nahe, dass sie bleibt.

An meinem Körper wird es wärmer, jetzt, wo du dich über mich lehnst und mein Negligé energisch nach oben ziehst. Näher drückst du dich an mich heran, unsere Konturen verschmelzen im Wasser meiner Lust. Angenehm feuchte Küsse wandern an meinem Bauchnabel umher, ehe sie langsam meinen Venushügel erreichen und meinen Körper zitternd erbeben lassen. Als seist du wohlwollendes Gift, erschlafft mein Körper, wird mein Kopf schwerer. Ich falle mit deinen Berührungen in einen Strudel voll Sinnlichkeit, mein rasender Atem trocknet meine zitternden Lippen. Die Zeit bleibt für mich stehen, vergeht ohne mich, ohne uns, du lässt sie vom Wind forttragen, umfasst mit deinen wärmenden Händen meine Hüften, drückst mich immer näher an deinen konturlosen Körper, bis ich vollends darin, in dir, verschwinde.

Trunken von zeitloser Lust gleitet deine Zunge tiefer den Hügel hinab und trinkt. Nichts um mich herum nehme ich noch wahr, verliere mich beinahe in dir, in meiner Leidenschaft, greife mit letzten Kräften in meine Decke, versuche mich zu halten, ehe ich mich am Ende ganz und gar verliere. Doch du bist stärker, fasst immer fester zu und ein leises Stöhnen rauscht noch aus meiner Kehle, als sich deine Fingerspitzen in meinem Fleisch vergraben. Verschmolzen sind wir, schwimmen in unseren zarten Schweißtropfen der Lust, ertrinken im zeitlosen Stöhnen, kein Schrei nach Hilfe vermag ich zu geben, kein Halten an meiner Decke kann noch geschehen. Dein Gift durchströmt mich, uns, wir.

Wir sind eines, ich bin zu schwach, dem Ende zu nahe, erreichen aus stöhnenden Geigen, knallenden Feuerwerken, den stummen Schreien, das Ende des Strudels und ich falle ins Schwarz, schreie noch „Nein!“, doch kein Laut übertönt deine Stimme, öffne die Augen und erwache aus meinem Traum, starrend in die Dunkelheit, alles ist ruhig.

Sinnlos ziellos…

Ich will betrunken lachen, Fehler machen, durch Welten stolpern, von Klippen springen und mich fangen. Wein und Freiheit soll mein Nachttrunk sein. Im Wohnwagen fahren, den Kopf aus dem Fenster halten, Wind und Regen soll mich erwachen. Keine Schilder will ich sehen, kein Erinnerungsbild soll mich begleiten. Die Farbe ist noch nass, doch bin ich längst weg, weiter dem Horizont entgegen, ihn Strecken und immer wieder verlieren. Weder hier noch dort ist mein Ziel, Reichtum, Menschen, zuhause, all das brauche ich nicht. Nichtmal die Straßen, nein auch keine Küsten, nichtmal die wärmsten Wüsten sollen mein Zuhause sein. Mein Freund ist die Feder, meine Seele Papier, mein fahrendes Haus, nur ein Tropfen meiner selbst. Singend entgleiten, nein zu allem, sinnlos Leben, nutzlos meine Spuren legen, sie verwischen, und sie wieder leben lassen. Kein Plan soll mich fesseln, kein denken verrenken, schenk ich mir nur die Freiheit zu schreien, zu heulen wie’s mir beliebt, und ist alles egal schenk ich mir bei Gelegenheit einfach die Welt. Belangloses Reisen, in Männern vergreifen, Frauen verführen, und dann doch nur die kurzen Fesseln lösen. Ihr seid die Illusion, seht sie um euch, ich bin das Nichts, das eine, das da war, und dann wieder Nichts. In meinem Wagen, betrunken und schön, durch Tausende Welten lachen, Strahlen, heulen, ficken. Kein Held will ich sein, nur ganz ohne Sinn. Ohne Weg, ohne Ziel, irgendwann ankommen im festen Zuhause, nein, in meiner Heimat, der ganzen verfluchten Welt.